anstoss

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David Ewards hat es mit Sharon versucht. Nein, nicht wirklich. David ist Reporter für den „Mirror“, und Sharon ist seine Fotografin. Beide wollten einen Bericht über Parkplatzsex schreiben – „Dogging“, wie die Engländer sagen. Man fährt auf einen Parkplatz, lässt die Lichtlein blitzen, schaltet die Innebeleuchtung ein und hat Sex. Das lockt andere an und die haben dann auch Sex – man hat auch schon von schlimmeren Dingen gehört.

Doch nicht in jener Nacht. Nichts geschah. Gar nichts. Und worüber schreibt man dann, um Himmels willen? Darüber, dass nichts passierte, natürlich. Im Mirror.

Ich glaube ja, manchmal etwas Sinnvolles über zeitgenössische Fotografie zu schreiben – aber mit dem, was die ZEIT - Fotogalerien bieten, kann ich nicht konkurrieren. Also: Unbedingt einen Blick darauf werfen. Dies gilt, wie immer, natürlich für alle Fotoenthusiasten und nicht nur für Freunde ihrer erotischen Varianten.

Plakat, die an Autobahnen aufgestellt werden, sollten selbstverständlich nicht dazu dienen, männliche Autofahrer vom Weg abzubringen, doch der US-Staat Missouri will nun alles von der Autobahn verbannen, was „nackt“ ist, und da so etwas natürlich zunächst definiert werden muss, hier die Formulierung:

„Jede Darstellung der nackten Haut eines menschlichen Körpers unterhalb der Achselhöhlen und oberhalb der Knie“.

„Any bare exposure of the skin located on a person's body below the armpits and above the knees”

Da fragten Leute schon mal nach, ob überhaupt noch für Bademoden geworben werden dürfe, oder auch nur für Abendkleider. Das Ziel war freilich, auf der Autobahn für „Sitte und Anstand“ zu sorgen: Ein neues Gesetz sollte eigentlich verhindern, dass all diese „unanständigen“ Leute aus Pornoshops und Stripklubs die Männer von der Autobahn weglocken.

via Dazereader

Die meisten Männer geben wenig Einblicke in ihr tatsächliches Liebesleben, das auch ab und an nicht ganz so positiv verläuft, wie sie es sich wünschen. Inzwischen soll sich männliche Offenheit allerdings auch positiv auf die Eigenwerbung auswirken: Der „Schmuddelblogger“ nämlich hat einen weiblichen Fan, der sich jetzt geoutet hat (Zitat):

Nachdem (meine Freundin) sie sich HIER mal in Ruhe alles durchgelesen hat meinte sie eben:" ach übrigens, das HIER ist ja übrigens genial. Wenn der Typ so f***t wie er schreibt, dann will ich den f****en.

Gelesen habe ich es in der Schreibblogkade, nachdem es dem Schmuddelblogger auffiel.

In den letzten Monaten habe ich sehr oft gehört und gelesen, dass unsere Werte nach und nach verfallen würden. Dies hätte eine erhebliche Auswirkung auf die Moral, und davon betroffen sei auch die Sexualmoral. Ein Redakteur von „3Sat“ verstieg sich sogar in die Behauptung, die ganze Gesellschaft sei pervers und titelte einen Beitrag des Senders entsprechend – nun die Sendung „delta“ ist noch neu und muss ins Gespräch gebracht werden.

Tatsächlich verfallen innerhalb der Kulturen tägliche „Werte“ – das ist im Grunde genommen nichts Besonderes und darf auch nicht verwundern – schließlich wurden sie ja auch einmal von diesen Kulturen definiert. Viel wesentlicher ist die Frage, ob es in bestimmten Bereichen überhaupt Werte gab, und wenn ja, ob sie auch eingehalten wurden. Was oft vergessen wird: Die Gesellschaftsordnungen der Vergangenheit liebten es, über viele Übertretungen sittlicher Grenzen das „Mäntelchen der Liebe“ zu hängen: Erst, wenn die gesellschaftliche Gruppe, in der die Übertretungen stattfanden, selber im Kreuzfeuer der Kritik stand, wurden Verfehlungen zugegeben – und erst dann wurden die Täter auch vorgezeigt.

Wer Werte verfallen lassen kann, muss freilich zunächst welche haben. Das Christentum, auf den man sich gerne in Sonntagsreden beruft, beinhaltet zwar eine umfassende Sozialmoral, die sich sogar noch auf Moses zurückführen lässt, enthält aber kaum Leitlinien für den alltäglichen Umgang mit der Sexualität – es scheint fast so, als seien diese bewusst ausgespart worden. Ein winziger Hinweis in den 10 Geboten ist nun einmal keine Sexualmoral: „Du sollst nicht unkeusch sein“ (später interpretiert als „Du sollst nicht Ehebrechen“). Freilich kann eine so genannte „implizite“ Sexualmoral sowohl aus dem alten wie auch aus dem neuen Testament herausgelesen werden: doch wo interpretiert wird, beginnt bereits die Beliebigkeit.

Nun wird schnell klar, dass die eigentlichen „Werte“, die angeblich verloren gingen, gar keine sind: Sie entstammen auch nicht dem Christentum, sondern sind Bestandteile einer Mogelpackung, auf der „Bürgerliche Wohlanständigkeit“ steht: Mit dem Verfall des Bürgertums steht sie zur Disposition. Wichtig wäre nun, den Teil zu retten, den man als „Schutz der Schwachen und Unmündigen“ bezeichnen könnte, doch dies wird selten versucht: Es ist den meisten Menschen schlicht zu kompliziert. Doch über Sexualmoral kann jeder reden: Stammtische und Fernsehdiskussionen unterscheiden sich ja heute kaum noch voneinander.

Fragt sich, woher wir „neue Werte“ beziehen könnten, wenn wir sie denn wollten: Viel Auswahl scheinen wir nicht zu haben, und so bleibt wohl nur die Grundforderung: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“. Damit fange ich etwas an: mit dem „Verfall der Werte“, wie er jetzt oft in der Diskussion ist, nicht: Das wurde schon um die vorletzte Jahrhundertwende geschrieben.

 

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