anstoss

  sehpferdvs sehpferds magazin für anstöße und anstößiges
Am besten ist es, sich bei der schönsten Sache der Welt gar nicht filmen zu lassen: Diese Erfahrung musste die Millionenerbin Paris Hilton jetzt in einem 30-Millionen-Dollar-Prozeß machen, den sie gegen die Vertriebsgesellschaft verlor, die ein Video von ihr vermarktet, dass sie in einer heißen Liebesnacht mit ihrem Ex-Freund Rick Salomon zeigt. Über die Gründe für den Richterspruch war nichts zu erfahren, jedoch berichteten inzwischen mehrere Zeitungen, dass an Frau Hilton eine gewisse Abfindungssumme gezahlt wurde, die sie angeblich jetzt „wieder loswerden“ will.

Falls die Presseberichte stimmen, wird dies schwierig sein, denn außer einer Einmalzahlung soll auch noch eine prozentuale Beteiligung an den laufenden Einnahmen aus dem Filmverkauf vereinbart worden sein – dies berichtete die SUN.

Inzwischen haben zahlreiche Sternchen den Rummel genutzt, der in der Presse um das Video gemacht wurde: Auf merkwürdige Arten purzelten plötzlich aus allen möglichen Regalen Videos heraus: Von der Liebesnacht mit dem Wisch-und-Weg-Liebhaber bis zu Detailaufnahmen einer Hochzeitsnacht - und immer wird aufs Heftigste beteuert, man habe das Video doch gehütet wie sein Augäpfelchen.

Falls es irgend jemand noch nicht gelesen haben sollte: An diesen Weblogs wird verdient, und zwar nicht schlecht.

Zitat: "Bei der Wiener New Media- Agentur Knallgrau sind Weblogs und weblogbasierte Anwendungen ein zentrales Geschäftsfeld geworden ... nach etwa 1,5 Jahren Aufbauarbeit nähmen Weblogs heuer schon einen zweistelligen Prozent-Anteil am Geschäft ein".

Mehr bei Medianet.at.

Heute macht die Presse aus jedem Ereignis ein Drama. Der Fall der Cap Anamur ist nur ein Beispiel von vielen, in denen das Sensationsspiel vor laufender Kamera dargestellt wird, um für die eigene Hilfsorganisation zu werben.

Dabei ist eine Meldung untergegangen, die ich Ihnen nicht vorenthalten möchte, nämlich diese:

Über 14 Millionen Kinder unter 15 Jahren haben bis heute einen oder beide Elternteile durch HIV/Aids verloren, allein 12 Millionen davon im südlichen Afrika.

Diese Kinder haben keine Schuld daran, dass ihre Eltern an Aids gestorben sind. Sie verdienen, dass wir und ihnen widmen, sie wenigstens wahrnehmen. Bitte lesen Sie dazu diesen Artikel von Worldvision.

„Die technologischen Revolutionen des Kapitalismus von der Dampfmaschine bis zum Auto sind Revolutionen, die ein verkäufliches Ding betreffen. Das Wesentliche am Computer aber ist nicht das Ding, sondern die durch ihn ermöglichte massenhafte Informations- und Wissensverbreitung.“

Vielen Dank, Manfred Sohn – ohne Sie wären wir nie im Leben auf die Idee gekommen, dass das Wesentliche am Computer nicht das Ding ist. Ich bewundere diesen bemerkenswerten Scharfsinn, und schenke meiner Leserschaft auch noch gleich den Nachsatz: „Entfalten wird sich diese Revolution daher erst wirklich in einer Gesellschaft, die sich vom alten Eigentumsbegriff zu lösen vermag“.

Ich sehe mich schon an einem Computer des sozialistischen Kollektivs sitzen und unter den Augen der Ideologieinspektoren marktwirtschaftsfreie Blogs für Volk und Vaterland verfassen. Schönen Dank, Herr Sohn, für diese Perspektive (auch wenn ich sicherlich wieder einmal alles falsch verstanden habe) – aber ich schreibe auch nicht bei Ossietzky. Niemals.

Dramen können inszeniert werden: Das wissen wir seit Biafra. Die „Neue Presse“ schreibt nun heute, was viele längst vermutet haben: Das so genannte „Flüchtlingsdrama“ vor der italienischen Küste sei nicht viel mehr als ein Medienspektakel gewesen, wörtlich:

„Fakt ist, dass das „Cap Anamur“-Team erst acht Tage nach der Aufnahme der schiffbrüchigen Afrikaner nach einem Platz für sie suchte. Denn erst musste Elias Bierdel aus Köln einfliegen – das ZDF und weitere Medienvertreter im Schlepptau.“

Für mich ergibt sich mittlerweile die Frage, wem mehr zu glauben ist: Cap Anamur oder der italienischen Polizei. Letztere bezeichnete das, was sie bei der Vernehmung der Besatzung erfahren hatte, als ,,un sacco di bugie" (einen Haufen Lügen) (Badische Zeitung).

Die Organisation Cap Anamur selbst äußerst sich zwar brüskiert, aber dennoch merkwürdig zurückhaltend über die Vorgänge auf dem gleichnamigen Schiff – zur Klärung des Sachverhalts trägt die Organisation wenig bei, statt dessen werden die bekannten Standpunkte wiederholt.

Wie lange sich noch solche beschwichtigenden, unsensiblen Presserklärungen abgeben lassen, bleibt abzuwarten: Gedruckt werden sie mit gutem Grund schon nicht mehr.

Zuvor von Sehpferd geschrieben: Schelte vom UNHCR.

Ergänzung: Pressekommentar.

Wenn wir über die blogsphäre diskutieren, dann reden wir meist nur von ein paar Dutzend Leuten, die verlinkt werden, blog-Bücher schreiben, in den Medien ab und zu auftauchen, zu blogger-Treffs gehen oder anders sich wichtig machen. 95% der blogwelt liegt im dunkeln. „ (via Blogmuell, via Jimmiz).

Normalerweise zitiere ich nicht einfach, sondern schreibe selbst, was ich denke. In diesem Fall sage ich: Dem ist wahrlich nichts hinzuzufügen. Außer, dass es mehr als 95 Prozent sind.

Wer über sich selbst lachen kann, lese bitte hier: Ein Spiegel für Bloggerinnen und Blogger.

 

Add to Technorati FavoritesMy Popularity (by popuri.us)

twoday.net AGB

xml version of this page

powered by Antville powered by Helma