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Das wöchentliche Geblubber aus den Algen – fast immer sonntags

Diese Woche brachte nochmals (zum wievielten mal eigentlich?) zwei Diskussionen um Blogs, und ich hätte vermutlich beinahe noch eine dritte angezettelt - habe es, nach reiflicher Überlegung, aber gelassen - und schreibe statt dessen dies.

Die erste drehte sich um das „Twoday-Buch“, das eine mehr als schlechte Kritik bekommen hatte, die zweite darum, warum es möglicherweise überflüssige Nachahmer bei Blogs gibt.

Zumindest die zweite Diskussion verlief sehr eigenartig: So gute wie niemand nämlich fragt sich, warum es so viele Nachahmerinnen des sehr erfolgreiche Blogs von Miss Understood gibt, während plötzlich eine Diskussion losgetreten wird, wenn es einmal ein neues Blog nach Art des Schmuddelbloggers gibt. Dann ist man merkwürdigerweise schnell bei der Hand mit „gibt’s schon, also überflüssig“. Überflüssig? Gab es jemals im deutschsprachigen Raum ein Sexblog einer Frau, die fast jeden Abend zu einem anderen Mann ins Bett steigt? Aktuell gibt es dies bis heute nicht. Wenn ich es richtig verstanden habe, sind die neuen Erotik-Kids on the Blog Menschen, die den Schmelz ihrer Jugend auch schon hinter sich haben und teils aus der Erinnerung schreiben.

Ich meine, Konkurrenz belebt nicht nur das Blog-Geschäft, sondern zeigt auch bald Möglichkeiten und Grenzen auf. Typisches Beispiel für die schnell erreichten Grenzen: Das Beichtblog . Hätten sich ein halbes Dutzend Menschen zusammengetan, die schöne erotische Beichten aus der Erinnerung und aus Erzählungen zusammenschreiben, dann wäre es etwas geworden – doch jetzt strotz das Blog vor allem vor Langeweile – das erotische Volk will Storys, bei denen Grenzen überschritten und Abgründe aufgetan werden, aber die schreiben sich nicht aus dem leichten Händchen heraus – und Geschichten der Art „Er traf sie, sie hatten eine wilde Liebesnacht, und am morgen gingen sie wieder auseinander“ interessieren kaum noch, weil es schon zu viele davon gibt. Bitte, das ist nicht fair? Die meisten Bloggerinnen und Blogger werden gerade deshalb gelesen, weil sie nicht fair sind und die Wirklichkeit zu ihren Gunsten zu verschieben versuchen: das ist Blogging, zumindest hier und heute.

Was es noch nicht genügend gibt: Geschichten um das Spiel mit den Geschlechterrollen und mit der Macht – möglichst authentisch, versteht sich, denn Leser haben sehr wohl ein Gefühl dafür, was in der Liebe möglich ist und was frei erfunden wurde. Ein Widerspruch? Nein, es kommt nur darauf an, wo man seine Zielgruppe vermutet: Unter den Beteiligten oder unter den Voyeuren.

Muss es denn immer die Liebe sein? Wie viele Blogs gibt es eigentlich, die sich mit der realen Berufstätigkeit eines Kochs oder einer Friseurin auseinandersetzen? Wäre es nicht wichtig für die Menschen, die sich zu einem Beruf (zu welchem auch immer) entschließen wollen, einmal etwas aus der Berufswelt zu erfahren?

Freilich. Wir wissen alle, dass in Blogs nicht alles ausgeschöpft wird, was möglich und wünschenswert ist. Wir wissen, dass sich zwar sehr viele, aber oft noch nicht die richtigen Menschen damit beschäftigen. Ein bloggender Berufsberater wäre viel wichtiger als die tausendste Neuauflage von „Ichhabeliebesnschmerzholtmichhierraus“.

Nur: Diejenigen, die aus sozialer, politischer und gesellschaftlicher Verantwortung bloggen sollten, tun es nicht. Ich bin der festen Überzeugung, dass sie noch nicht einmal wissen, dass es Blogs gibt.

Ich selbst war heute auf der EROTIKA in Budapest – und sah sehr viele Männer, denen das Licht der Lust ständig in den Augen brennt. Sie scharen sich um Frauen, die sich ein bisschen ausziehen – nicht einmal so weit, dass es etwas Interessantes zu sehen gäbe. Dazwischen die üblichen Stände mit Spielzeug, Flitterklamotten und Lustfilmen – und immerhin ein einheimischer Korsettmacher. Dessen Adresse habe ich mir notiert.

 

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