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Vor längerer Zeit hatte ich einmal einen heftigen Disput mit einer schon etwas angejahrten Studienrätin, die sich mit ihrem Wissen über Kommunikation profilieren wollte und von „verbal" und „nonverbal" sprach. Ich wies sie zunächst freundlich darauf hin, dass wir neuerdings von „analog" und „digital" sprechen (immerhin seit 1967) und musste dann erleben, dass Studienräte oft eine eigenartige Form haben, mit neuem Wissen umzugehen: Sie kannte weder Watzlawick noch „Menschliche Kommunikation" noch die Axiome, die Watzlawick verwendet.

Nun ist es keine große Affäre, ob wir „nonverbal" oder „analog" sagen - aber wenn ich es ganz genau nehme, was mir zeitweilig schon einfällt, dann ist „analog" so falsch wie „nonverbal" auch. Denn: Anders als Watzlawick angenommen hat, steht analoge Kommunikation eben auch in Zeichen, nur eben nicht in Worten, während „nonverbale" Kommunikation eben durchaus verbal sein kann, nur eben mit jenen Untertönen, die bei uns „analog" ankommen.

Lustig ist auch, dass in Schulaufsätzen immer wieder von „einer analogen Kommunikation" gesprochen wird. Das ist insoweit falsch, als die analoge Kommunikation mehrkanalig ist, also beispielsweise über deutlich sichtbare Gesten, eine kaum wahrnehmbare Mimik und eben auch noch über Düfte, Stoffe und Töne transportiert werden kann. Solche mehrkanaligen analogen Informationen können nun durchaus miteinander im Widerspruch stehen - etwas, das uns die Psychologie meist verschweigt. Hier gilt immer noch: „Der Körper lügt nicht".

Was wir gegen all dies tun können? Nicht alles auf die Goldwaage zu legen. In vielen Situationen dringt die analoge Kommunikation gar nicht in unser Bewusstsein vor – sie findet einfach statt – und wir lassen sie geschehen, weil sie uns gut tut. Sehen Sie, das Leben ist das Leben – es findet jetzt statt, und wir sind nicht aufgefordert, dabei ständig unsere Kommunikation zu überprüfen.

In dieser Rubrik werden in loser Folge Artikel veröffentlicht, die Schülern und Studenten den Zugang zur Kommunikationstheorie erleichtern sollen. Dabei werden bekannte und unbekannte Begriffe durchleuchtet, ihre Kerne herausgearbeitet und die Begriffe selbst einer sorgfältigen Kritik unterzogen. Wo es nötig ist, wird auf andere Seiten verwiesen.

Autoren, die eigene Fachgebiete haben, die von mir nicht oder nur schwer abgedeckt werden können, bitte ich, sich mit mir in Verbindung zu setzen.

Ich weiß nicht, wie s Ihnen geht – aber für mich ist Kommunikation zunächst einmal der Dialog unter Anwesenden. Bereits bei Telefonieren gelten etwas andere regeln – doch was ist eigentlich los mit dem Chat, der Foren und nicht zuletzt den Blogs? Sie kennen meine Meinung über Blogs – aus meiner Sicht findet dort eine Kommunikation im Sinne eines zwischenmenschlichen Dialogs nicht statt. Auch in Foren muss man sich anstrengen, zwei Autoren zu finden, die wirklich aufeinander eingehen – wobei wir wohl alle schon einmal gesehen haben, dass es Diskussionsteilnehmer gibt, die andere Absichten verfolgen. Am Schlimmsten find ich die Situation in Chats: Ein furchtbares Geschnatter übelster Art, das zumeist nicht einmal den Grundüberzeugungen des sozialen Miteinanders standhält – geschweige irgendetwas mit sinnreichen Dialogen zu tun hat.

Natürlich können Sie sagen, schreiben und schnattern, was sie wollen, wie sie wollen und wann immer sie es wollen. Die Frage ist - welches Ziel verfolgen Sie damit? In Chats beispielsweise ist eines der Ziele, Aufmerksamkeit zu erregen. Hat man sie, pickt man sich Menschen zu mehr oder sinnvollen Dialogen heraus. Klar ist das auch Kommunikation aber wer will sie eigentlich? Nein, ich bin nicht verbiestert. Ich verstehe Spaß und habe Freunde an Menschen, die sich in Wortspielereien wohlfühlen - aber das deklarieren wir dann mal als Freizeitspaß.

Wir haben, wie mir scheint, eine Fähigkeit verloren: Unserer Kommunikation den Sinn zurückzugeben, den Sie für Menschen hat - gemeinsam zu empfinden (selbstverständlich auch zu lachen), gemeinsam zu denken und gemeinsam zu handeln. Alles andere ist - verzeihen Sie mir den norddeutschen Ausdruck - ein Tüdelkram für Dummbacken.

Meinen Schülern sage ich immer dies: Versucht, alles einfach zu sagen. Erklärt zunächst, worüber ihre eigentlich redet, dann führt aus, was ihr dazu zu sagen habt und schließlich erläutert ihr noch die Bedeutung, die eure Aussage für eure Zielgruppe haben könnte.

Wissen Sie, wenn mir schon jemand mit den Watzalwickschen Axiomen kommt – dann klappen bei mir schon die Ohrdeckel zu - und ich bin sicher einer der Wenigen, die Watzlawick wirklich im Original gelesen haben. Axiome sind Dinge, mit denen sich Wissenschaftler beschäftigen können – meinetwegen.

Sehen Sie mal, liebe Leserin, lieber Leser – die meisten Menschen schaffen es gerade noch, einen einzigen Gedanken zurzeit zu verfolgen. Also konzentrieren wir uns darauf: Wir wissen, was wir sagen wollen. Wir gliedern es in Teile. Wir geben jedem Teil eine neue „Überschrift“. Wir erklären bei jedem Teil, was wir sagen wollen und erläutern die Bedeutung. So machen wir es, wenn wir etwas sagen wollen.

Neben all dem, was wir da lernen müssen, um überhaupt etwas zu sagen, müssen wir auch lernen, wie man wirklich zuhören kann.

Wenn nun die Leute mit ihren Beziehungsaspekten und Vierohrenprinzipien und dem sonstigen Psychokoffer voller Bedenken kommen, dann frage ich doch einmal dies: „Was wollen sie, lieber Herr Diplompsychologe, eigentlich selber von der Kommunikation?“

Im Deutschen würden wir vielleicht die Antwort bekommen: "Verstanden werden". Es hat eine dieser Doppelbedeutungen, die es uns so schwer machen, uns überhaupt auszudrücken. Mir persönlich reicht es, wenn sie meine Worte verstehen. Ich verlange nicht, dass sie mich verstehen. Wenn Sie es aber wirklich wollen - der Weg steht Ihnen offen.

Manchmal denke ich über die Branche nach – Kommunikationsseminare – sehr schön. Doch sind wir wirklich da, wo unsere Kunden sind? Und wer sind überhaupt unsere Kunden? Sind es nicht zumeist Eliten, die ohnehin mit Bildung voll gestopft werden – und sind es nicht eben auch jene, die dazu ausgebildet werden, uns die Ohren abzureden und uns dabei einzulullen?

Fragen – nur Fragen. Die Antworten müssten eigentlich öffentliche Bildungseinrichtungen finden. Kommunikation ist eine Sache aus dem Alltag für den Alltag. Ähnliche Gedanken finden sich auch auf meiner „Wortwechsler“-Seite.

 

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