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Maler sprechen gerne und oft darüber, dass ihre Werke eigentlich niemals wirklich vollendet sind - es gäbe, so meinen sie, eigentlich immer noch etwas daran zu verbessern. Doch letztendlich hören sie auf, weiter daran zu arbeiten: Es ist eben so geworden, wie es geworden ist - irgendwann wird man ein neues Werk beginnen - und dies wird dann vollendet werden können. Da es mit jedem Werk so geht, wird schließlich niemals ein vollendetes Bild geschaffen, und so, wie in der Malerei, ist es in der Kunst immer. Würde man ein Kunstwerk haben, das vollendet ist, man bräuchte keine Künstler mehr.

Auf der anderen Seite stehen Menschen, die stets nach Vollendung streben. Sie wollen eine Welt ohne Hunger, eine Welt ohne Drogen oder auch nur eine Welt ohne Huren. Das mag löblich sein. Doch was, bitte, wollen diese Menschen selbst auf dieser Welt? Sie wissen, dass sie nicht perfekt sein werden, nicht einmal morgen, beim Frühstück, nicht, wenn sie gerecht zu ihren Ehepartnern oder Kinder sein wollen, ja nicht einmal, wenn sie sich durch den Stadtverkehr mogeln.

Unsere Gesellschaft hat jahrelang noch Utopien gestrebt: die vollständige soziale Gerechtigkeit. Nun wird klar, dass es so etwas nicht gibt, denn die Gerechtigkeit wurde längst von Schnorrern aller Schattierungen in „Ansprüche“ umgemünzt. Denn wollten wir gerecht sein, so müssten wir einem "gewöhnlichen" Studenten spätestens mit 25 sagen, er habe sein Studium verfehlt, und ihn nicht gewähren lassen, bis er über 50 ist und alle Staatshilfen in Anspruch nahm, die man sich nur vorstellen kann. Dazu gehört auch, dass die Gesellschaft den Menschen mit Kindern, und auch solchen, die gerne Kinder hätten, dies sagt: Eltern haben auf gar nichts Anspruch – nur die Kinder dürfen Ansprüche haben – auf Zeit, auf Zuwendung und auf Bildung.

So gesehen sind wir alle auf dem falschen Weg. Ich wünsche dennoch allen ein gutes Jahr, die Ansprüche zu haben glauben - und den anderen wünsche ich alles Glück zur Erfüllung eines schönen Lebens.
 

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