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Ja, ich habe sie gelesen, all diese Berichte, die auch in die so genannte Mainstream-Presse Eingang fanden: Blogs hätten berichtet, aus Blogs wären namhafte Informationen an eine nach Informationen lechzende Öffentlichkeit gegangen: Blogs, Blogs, Blogs.

Na schön. Es wäre ein Wunder, wenn Blogger die Gunst der Stunde nicht genutzt hätten. Aber die BBC hat sie auch genutzt, hat sorgfältig recherchiert und in der bekannten kühlen britischen Art berichtet: Hier ist die BBC und dies sind die Tatsachen.

Was wieder einmal heißt: In einem zivilisierten Land mit Pressefreiheit und guter Infrastruktur sind Blogger den Profis bestenfalls den hundertsten Teil einer Nasenlänge voraus – und auch nur dann, wenn sie in der Nähe des Geschehens waren.

Das Gebrabbel, das allenthalben um die Blogs gemacht wird, war mal wieder einmal verfrüht: Die Profis machen es schon. Sie informieren uns gut und facettenreich, und mit sehr, sehr viel Hintergrundwissen. Nun müssen die Blogger, die Augenzeugen waren, erst einmal beweisen, ob ihnen das Schicksal ihrer Mitmenschen wirklich etwas wert war: Die Polizei wünscht, möglichst alle privaten Videos und Fotos zu sehen – wogegen nichts spricht, denke ich.

Ich war, wie fast immer, mit der Mainstream-Presse durchaus zufrieden, und musste keine Blogs lesen, um mir ein Bild zu machen.
Marcus J. Oswald meinte am 11. Jul, 00:58:
Die Kompetenz der Mediengestalter
Das ist ein sehr weites Thema, aufgehängt am aktuellen Anlass. Ich habe mich entschlossen, darauf zu antworten.

Vorweg: Es ist herrlich, online zu sein. Das ist eine Sache, die es vor zehn Jahren nicht gab. Vor zehn Jahren war es um 0 Uhr 30 Nacht und es blieb Nacht. 1995 nannten wir in Wien Emails noch "elektronische Post". Das klang etwas befremdlich und umständlich. Bald wurde Email Alltag, dann kam der Web-Boom und die Neue-Markt-Blase (das "Handelsblatt" fasste das vor drei Wochen aus Anlass des fünften Jahrestages der "Börsenblase" auf fünf Druckseiten zusammen). Und dann kamen die Blogs. Ich kann mich noch gut erinnern, als ein Bekannter von einer österreichischen Privatuniversität im Juni 2003 in Wien eine internationale Tagung zu Weblogs organisierte - http://offenerkanal.twoday.net/stories/34118 und auch http://offenerkanal.twoday.net/stories/33362/. Wir wußten nicht so recht, was das solle. Damals wußten wirklich wenige etwas über Blogs. Wir hatten zwar alle etwas studiert, meist Kulturwissenschaften mit bescheidener Technikbegeisterung.

Doch nun der Quantensprung: Im Juni und Juli 2005 reden sehr viele über Blogs und es ist keineswegs mehr ein spanisches Dorf. In Österreich, das ergaben Zählungen, halten 20.000 Personen einen Weblog am Leben. Ich will jetzt nicht in die Theorie abgleiten (später einmal), welche Art von Medien (es gibt drei Arten) Blogs sind. Aber die Tatsache, dass allein in der kleinen Alpenrepublik Österreich, die geografisch zu 70% aus Gebirge besteht, 20.000 Personen nicht nur Medien konsumieren, sondern produzieren, ist ein Riesenschritt in die richtige Richtung.

Es gibt dieses schreckliche Wort der "Medienpartizipation". Ich mag dieses Wort nicht, es ist im erweiterten Sinn Frankfurter Schule pur und der Wurmfortsatz des alten Flügelwortes "Enteignet Springer". In Wahrheit aber ist die kürzeste Verbindung zwischen "Enteignet Springer" (1968) und "London bomb attack" (2005) der Blog. Die Medienevolution ist vollzogen: Es ist ein Unterschied wie Tag und Nacht zwischen der hilflosen Agit-Prop-Parole und dem heute selbstbewußten Auftreten der Briten nach dem Schicksalsschlag. Der Blog ist die Negierung der Akkreditierung. Partizipatives Medienverhalten bedeutet Wachsamkeit und Zivilcourage. Der Blog ist die schnellste Verbindung zwischen Wirklichkeit und Abbild.

Ob dann die finanzmarode BBC (England), die träge ARD (Deutschland) oder der schwerfällige ORF (Österreich) die Dinge zurecht rücken oder nicht. Die Botschaften sind draußen und in zehn volkstümlichen Suchmaschinen, den zentralen Achsen des Weltwissens, ohne viel Aufwand nachzulesen.

Blogs sind das beste, was den Menschen passieren konnte. Wir leben im Zeitalter des Offenen Briefes. Alles ist offen gesagt. Natürlich brauchen die Dinge mehr Leser. Aber der erste Schritt ist getan. Und seit im Juni 2005 CNN einen ganze Stunde eine moderierte Diskussionssendung vor Publikum (!) zum Thema "Bloggen: Fünfte Macht im Staat?" brachte, ist klar, dass die Ausführenden eine wichtige Aufgabe haben und nicht locker lassen dürfen.

Marcus J. Oswald - Wien 
sehpferd antwortete am 11. Jul, 06:44:
Das muss ...
... weiter diskutiert werden, denke ich. Aber wenn der Kommentar schon länger war als der Beitrag, muss ich mich schon sehr anstrengen, nicht noch mehr als Antwort zu schreiben. Auch ein Problem dieses Mediums, wie mir scheint. Also bis (vielleicht viel) später. 
georg n antwortete am 11. Jul, 14:30:
Mir scheint allerdings "Enteignet Springer" eine sinnvollere Metapher für produktiven Bloggebrauch zu sein als tagesjournalistisches "London bomb attack", daher gebe ich sowohl dem Beitrag als auch dem Kommentar recht. Jeder blogge nach eigenem Belieben
sehpferd antwortete am 11. Jul, 19:59:
Versuch einer Entgegnung
Das Einfachste, was sich darauf antworten ließe, wäre dies: Selbst wenn es 20.000 lebendige Blogs in Österreich gäbe, wer, bitte, sollte sie lesen? Ich kann, wenn es hoch kommt, zwei bis drei Zeitungen am Tag etwas oberflächlich lesen oder mich per Google News relativ umfassend informieren, was aktuell in der Welt passiert. Bei der zuletzt genannten Methode bekomme ich eigentlich alles, was ich will – und muss dazu nicht ein einziges Blog lesen.

Die Stärke der Blogs, ihre Meinungsvielfalt, kann auch nicht verdecken, dass man es mit den Tatsachen oft nicht so genau nimmt. Von tief greifender, kompromissloser Recherche (die sie ja mir offenbar auch nicht zutrauen) kann in den meisten Blogs auch nicht im entferntesten die Rede sein – man holt sich die Tatsachen überwiegend aus den Mainstream-Medien oder nur vom Hörensagen.

Dieser Tage tut man so, als wüssten wir von der Mentalität der Londoner erst durch die Blogger. Wurde nicht bis vor einigen Jahren auf der Insel noch Kräftigste von der IRA gebombt? Hat nicht auch Manchester einen solchen Anschlag mit Würde und Kraft überstanden? Hat man das alles vergessen? Ist die Welt neu erstanden, nur weil plötzlich ein paar Leute in Blogs schreiben, die den Ereignissen beigewohnt haben?

Ich bezweifele auch, dass „enteignet Springer“ schon in „eignet euch Springers Medienmacht an“ umgeschlagen ist. Was ist denn dieses vergleichsweise lächerliche BILD-Blog schon? Das gefällt den Intellektuellen, klar. Aber glauben sie, dass BILD-Leser sich durch das BILD-Blog beeinflussen lassen? Oder dass die BILD in Zukunft vorsichtiger in ihren Äußerungen wird, nur weil BILD-Blog existiert?

Ich erkenne an, dass Nischen existieren, in denen sich eine Zeitschrift nicht lohnt, und ich weiß, dass es seit Einführung der Blogs vielleicht zwölf Dutzend Meinungsträger mehr gibt, die sich zu lesen lohnen (ich hoffe, ich bin dabei). Aber lesen sie in den Zeitungen die Kommentare zuerst und dann die Nachrichten? Ich nicht.

Was noch hinzukommt (das wissen sie so gut wie ich): Das Medium zieht auch Leute an, die man früher zu Recht ignoriert hat, und die an jedem Frühstückstisch oder Stammtisch gefürchtet waren: Phrasendrescher, zum Teil solche mit einem stark eingeschränkten Horizont. Gerade jetzt, zur Vorwahlzeit, versuchen sie überall, per cut-and-paste ihre Worthäufchen abzusetzen. Ist das die „neue Kommunikation“, die wir anstreben?

Ich denke ernstlich, dass es in einigen Jahren nur noch wenige, dafür aber sehr attraktive Blogs und Blogverbünde gibt, und die meisten von diesen werden auf einer kommerziellen Basis betrieben werden. Sollte es nicht so sein – sie dürfen mich daran erinnern. 
RokkerMur meinte am 11. Jul, 07:20:
Ein paar Vorteile welche Blogger haben:
a) sie können schreiben was sie wollen und müssen nicht über eine Heuschreckenausstellung 30 Zeilen abliefern. (Beispiel)
b) Blogs kosten nichts - ausgenommen der Internetanschluß und die (von vielen entrichtete) Gebühr für das Blog.
c) Blogs sind in erster Linie Hobby und rennen neben etwas anderem mit.
d) Blogs haben durch die Verlinkung (bei google z.B.) einen entscheidenen Vorteil.

Jeder Mensch kann täglich nur eine bestimmte Anzahl an Blogs konsumieren, normalerweise wollen die meisten Leserinnen keine überlangen Beiträge/Kommentare. 
 

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