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zeit geschehen

Gerade zurück aus Budapest und dort dies gelernt: Statt „hamma nich“ könnte der Kellner auch in deutschen Restaurants bei der Bitte um einen „frisch gepressten Apfelsaft“ fragen: „Wünschen Sie ihn aus roten oder aus grünen Äpfeln, meine Dame“?

Nun haben sie also die Würde des Menschen wiederentdeckt, die Gewerkschaften. Das ist neu, wenngleich es in die Zeit passt: Schließlich reden gerade alle wieder von Werten – und wer wollte sich da verschließen?

Eine Volksweisheit sagt, man rede immer von dem, was man nicht habe, und so betrachtet, scheint es mir verdächtig zu sein, wie viel derzeit von Moral geredet wird: Die Politik soll die Voraussetzungen für ein lebendiges, demokratisches, soziales und wirtschaftlich erfolgreiches Leben für uns alle schaffen – doch was tut sie? Sie beginnt von dem Gebiet zu reden, auf dem sie nicht ausreichend kompetent ist: Von der Moral. Die Familienministerin hat sich die Moral auf die Fahnen geschrieben und umrahmt sich dafür sogar mit zwei Kirchenoberen – und nun klingelt auch noch die Gewerkschaft nach: „Deine Würde ist unser Maß“.

Ach liebe Gewerkschaft – bei immer höheren Löhnen muss immer intensiver und konzentrierter gearbeitet werden – und der Unternehmer muss rationalisieren oder schließen. Das bedeutet für die Arbeiter und Angestellten, immer härteren Arbeitsbedingungen standzuhalten. Außerdem bringt der hohe Lohn – namentlich der hohe Lohn ungelernter Metallarbeiterinnen und Metallarbeiter, immer mehr Firmen auf den Gedanken, es doch mal in Ländern zu versuchen, in denen einfache Arbeiten auch von Menschen ausgeübt werden, die nicht im Metallnetz stecken – und dies diese Tätigkeiten nicht nur billiger, sondern darüber hinaus noch gerne ausführen – weil es eben Arbeit ist.

Die Würde? Wo jeder Eurocent eine Rolle in der Kalkulation spielt, wird sie eben exportiert, die Würde. Oder denken die Gewerkschaftsbosse, eine Arbeiterin oder eine Arbeiter in Polen oder Ungarn sei würdelos, nur weil er für einen geringeren Lohn arbeitet? Oder mal anders herum gefragt: Wäre es wirklich würdelos für Deutsche, auch einmal Spargel oder Erdbeeren zu ernten, Teller zu spülen oder Hotelzimmer zu reinigen?

Ach, die Würde. Große Worte aus Gewerkschaftsmund. Fragt sich, was dahinter steht. Ich vermute: Ein bisschen Zeitgeist. Macht sich eben gut, die Würde.

Wortgleich in "sehpferd.com" - und dort bitte kommentieren, falls Sie es für angebracht halten.

Zeitzeugen wie ich erinnern sich noch an die frühen 60er Jahre - und wie wir als Jugendliche von Herrn Adenauers Partei CDU und ihren Helfershelfern mies geredet wurden.

Ich habe es den alten graugesichtigen Männern in Politik, Wirtschaft, Kirche und Schule verziehen. Aber vergessen habe ich es nicht. Auch damals mit im Boot - die Kirchen. Zur moralischen Aufrüstung. Erinnert Sie das an etwas, das gerade inszeniert wird?

Mich schon.

Manchmal ist es gut, zunächst einmal durchzuatmen und sich von den herumziehenden Meinungsmeuten nicht beeinflussen zu lassen, die mittlerweile nicht nur aus der einschlägig bekannten Boulevardpresse, sondern eben auch aus einer Anzahl vorschnell argumentierender Blogger bestehen. Bloxbox nennt unter anderem: Mein Parteibuch, Bembelkandidat, Schockwellenreiter, Side Effects und Ringfahndung.

Gemeint ist der Übergriff zweier Männer auf einen Deutschäthiopier: Zwei Weiße schlagen, möglicherweise gemeinschaftlich, einen Schwarzen zusammen – und schon wird von der Presse (aber eben auch von den Bloggern) ausposaunt, es gebe einen fremdenfeindlichen Hintergrund - und dann wird seitens der Presse kräftig an einer Horrorgeschichte über Nazischläger gebastelt. Was manchem anderen Autor noch an Informationen fehlt, wird mit eigenen Vorurteilen ergänzt

Ein paar Tage später folgt die Ernüchterung: Es könnte eine ganz gewöhnliche Schlägerei unter erheblichem Alkoholeinfluss gewesen sein, bei der einer der beteiligten Täter seine Faust offenbar so kräftig nutzte, dass dem Opfer der Schädelknochen an einem Auge zertrümmert wurde. Weitere Verletzungen wurden nicht festgestellt. Schlimm genug das alles, aber eben nicht der reißerisch aufgemachte Tathergang, der von der Presse bislang geschildert wurde.

Eine Art Wirtshausschlägerei mit beinahe tödlichen Folgen also? Möglich. Aber jedenfalls kein Politikum. Was nun die genannten Blogger betrifft, so kann ihnen nur geraten werden, ihre Betroffenheitskorsetts wieder auszuziehen und sich – wenn sie das überhaupt können – zu schämen. Das gilt natürlich ebenso für die Journalisten, die an der Kampagne beteiligt waren - und von denen die Blogger letztlich abgeschrieben haben.

Eine geringfügige Korrektur eingefügt am 23.04.2006 gegen 20:40.

Die vollständigen Links und Kommentare nur noch bei sehpferd.com.

In meiner Erinnerung rauschen und schwingen Sie immer noch, die steifen Unterröcke der 50er Jahre. Was ich nicht wusste, ist, dass man sie in Europa noch bekommt.

Mehr dazu hier (in englischerr Sprache und mit Fotos und dem Link).

Man kann die Initiative der Frau von der Leyen , die selbstherrlich „Bündnis für Erziehung“ genannt wird, natürlich belächeln, man kann eine Glosse darüber schreiben oder das Ganze als eine lächerliche Farce brandmarken.

Man könnte aber auch dies sagen: Es ist eine Unverschämtheit gegen Freidenker, Humanisten, Juden und Muslime, ein Rückschritt für die Demokratie, ein Angriff auf den liberalen Staat – und es kann durchaus als ein „Rückschritt ins Mittelalter“ bezeichnet werden.

Letztendlich aber ist es ein Zeichen für die Arroganz von Staat und Kirche – und genau gegen diese Arroganz, das Überhöhen des eigenen Standpunktes, die mangelnde Toleranz und die Einseitigkeit des Wertens wollte sich diese Initiative ja wenden.

Im Grunde genommen kann man nur den Rücktritt von Frau von der Leyen fordern – und wenigstens eine Entschuldigung von den beiden Kirchen, die diensteifrig dabei mitgewirkt haben.

Parallel auf: sehpferd.com

Na schön, die SPD hat ein Personalproblem – na und? Sie mag auch ein Profilierungsproblem haben - na und? Vielleicht hat sie gar ihren „Geruch“ verloren, wie ein taz-Redakteur schreibt – na und?

Der Bürger interessiert sich mit recht nicht für die Probleme der Sozialdemokratie, sondern ausschließlich dafür, welche Lösungen sie aufzeigt – und das teilt die Partei mindestens mit der CDU/CSU, den Grünen und der FDP.

Was die SPD da bewegt, scheint ein internes Problem der Sozialdemokratie zu sein. Sie definierte sich stets über die Ideologie und behauptete, für die "besseren" Werte einzutreten. Das war wohl auch einmal so – jedenfalls haben es ihr nach dem Abbröckeln der Arbeiterschaft als Wähler wenigstens die damals noch wackeren Intellektuellen und ein Teil der aufstrebenden Jugend geglaubt.

Doch heute? Wo sind sie denn, die „besseren“ Werte? Wer an das zwar ebenfalls bröcklige, aber tiefer in den Seelen verfestigte christliche Abendland glaubt, wählt ohnehin CDU/CSU oder neuerdings Grün. Auch, wer die macht des Staates gerne auf das unbedingt Nötige reduziert sehen möchte, wird niemals SPD wählen – und das gilt vor allem in den Bereichen außerhalb des Sozialen: Die SPD stand jahrelang für Bürgerbevormundung.

Früher hatte die SPD wenigstens noch die Gewerkschaftler, auf die sie sich verlassen konnte – aber die haben selber genug Probleme, um ihre Standpunkte in der Gesellschaft zu verteidigen, denn wenn es darum geht, Arbeitsplätze zu schaffen, sind Gewerkschaften denkbar schlechte Ansprechpartner: Sie leben davon, bestehende Arbeitsplätze gut auszustatten. Die Werte? Ja, welche Werte denn? Friede, Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit? Das versprechen sie alle.

Bleibt die so genannte „soziale Gerechtigkeit“ – nur, dass diese so schwammig ist wie kaum etwas sonst – denn sozial ist nur, was der Gemeinschaft dient, und gerecht ist nur, was der Auffassung der Bürger von der Verteilung der Werte nicht zuwiderläuft. Diejenigen, die gerade am lautesten nach sozialer Gerechtigkeit schreien, sind zumeist dieselben, die soziale Verantwortung am meisten scheuen – und die erträgt auch die SPD nicht auf Dauer.

Was dies bedeutet? Vermutlich, dass die Zeit vorbei ist, in der man eine rote Fahne hochhält und jeder weiß, was sich für eine Politik dahinter verbirgt. Die Bürger warten auf Lösungen der Probleme dieses Landes – sie wollen keinesfalls die Familieninterna morscher Parteien sehen und hören. Politiker sind dazu da, Politik zu machen – deshalb haben wir sie gewählt.

In Berliner Gymnasien wird, will man der WELT glauben schenken, nun eine "Ausländerquote" gefordert. Abgesehen davon, dass sich die Journalisten dort heute eben auch nicht scheuten, Stoibers Unwort „Ausländer“ nachzuplappern und überall herumzuschwatzen, sollte man sich vielleicht einmal Gedanken über die Gymnasien selbst machen.

Zunächst mal – bleiben wir einmal bei den Menschen, die bei uns türkisch sprechen: Um die angeblichen Probleme an den Gymnasien zu lösen, müsste man nur türkischsprachige Gymnasien gründen – so, wie Deutsche und Franzosen im Ausland eben auch „ihre“ Gymnasien haben – und diese Schulen dürften dann sogar deutsche Schüler anziehen. Wahrscheinlich wäre dann Friede, doch der Herr Stoiber wäre darüber wohl auch nicht froh: Wo bliebe denn da die Integration? Ja, wo bleibt sie denn? Sehen sie mal, liebe Oberschlaumeier: Es gibt eine deutsche Schule in Istanbul. Die leistet so viel für die Integration, wie dies bei Auslandschulen üblich ist – aber die Unterrichtssprache ist deutsch. Die Menschen überall auf der Welt begreifen, dass dies so gut ist – nur im einig bayrischen Vaterland begreifen sie es nicht? Sollte mich wundern. Schließlich gibt es in München eine französische und sogar eine japanische Schule – Unterricht in der jeweiligen Landessprache.

Die Klagen der Gymnasien haben im Übrigen einen Bart, an den sich die Bartaufwickelmaschine aus dem Jahr 1960 noch lebhaft erinnern dürfte: Damals schon erzählten elitäre Studienrätinnen und Studienräte nämlich das, was heute in der WELT zu lesen war: „Das Problem (an Gymnasien) ist die wachsende Zahl von Kindern aus sozial schwachen und bildungsfernen Schichten“. Damit wollten die Damen und Herren Lehrkräfte schon in den 50-er und 60-er Jahren Kinder aus einfachen Verhältnissen davon abbringen, in die Gymnasien einzudringen - und siehe, die Argumente haben sich nicht einen Deut verändert – nur, das Opferprofil veränderte sich. Waren es früher die Kinder der Handwerker, kleinen Angestellten und Arbeiter, die auf dem Gymnasium nur geduldet waren, so sind es heute eben „Kinder bildungsferner Schichten“ – warum nicht gleich „Underdogs“? Sehen Sie und damit ich mir nicht den einen Satz herauspicke, sondern die Ideologie mal verdeutliche: Die Kinder brächten heute „aus der Grundschule große Defizite“ mit – sehen Sie, und genau das, sogar mit gleichen Worten, sagten die Damen und Herren Elitelehrer eben 1960 auch schon zu den Schülern aus den Grundschulen der Viertel der Arbeiter und kleinen Angestellten. Es gibt Dinge, die ändern sich nie – und das ist eigentlich wirklich schade.

Die Welt: „Gymnasien fordern eine Ausländerquote

Da wollen mir doch ständig ein paar dieser von Politikfrust zersetzten, aber ansonsten verwöhnte Töchterchen und Söhnchen der 68-er mitteilen, dass Politiker immer nur an sich selbst denken – und jetzt denkt einer einmal an sich selbst – und das ist gut so. Matthias Platzeck zieht vor, lieber gesund zu bleiben als sich von den Genossen verschleißen zu lassen - da verzichten man besser auf eines seiner Ämter.

Wer möchte es ihm verdenken? Denn anders als viele der bösartigen Blogzwerge glauben, ist Politik ein Job, der nicht nur den ganzen Menschen fordert, sondern auch Verzicht auf Vieles, was für andere Menschen ganz selbstverständlich ist – und sei es nur, ein klein wenig Privatheit für sich zu haben.

Der erste Teil des Rätselratens ist vorbei: Ungarn wird nicht zur Zwei-Parteien-Republik, sondern die beiden kleinen Parteien, mit denen man gestern gegen 21 Uhr kaum noch gerechnet hatte, sind ebenfalls im Parlament vertreten: die liberale SZDSZ, die bislang mit den Sozialisten regierte, und das Demokratische Forum.

Wahlsieger aber sind bislang (in 14 Tagen werden noch Nachwahlen stattfinden) die Sozialisten (MSZP) mit etwa einem Pozentpunkt Vorsprung vor der Fidesz-Partei, die allgemein als nationalkonservativ bezeichnet wird.

Genaue zahlen: Pester Lloyd

 

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