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Vielleicht habe ich es schon einmal geschrieben - ich erinnere mich nicht. Aber ich mag es noch einmal schreiben: Auch während der Liebe kommunizieren wir. Ich hoffe, sie vergessen wenigstens bei der Liebe, wie sie kommunizieren soll(t)en. Es ist wichtiger, ein Kondom dabei zu haben, als die richtigen Worte zu finden.

Kommunikationstrainings dienen dazu, die menschliche Kommunikation (also ihre persönliche Kommunikation) zu verändern. Die Ansätze sind aber durchaus unterschiedlich: Wer sagt, er ginge mit traditionellen Mitteln, mit nachrichtentechnischen Methoden, mit Kybernetik oder pragmatischen Mitteln vor, will Ihnen zeigen, wie sie die Kommunikation als solche beeinflussen können.

Wer hingegen mit psychologischen (auch psychotherapeutischen) Methoden an die Kommunikation herantritt, will die Kommunikation auf eine andere Weise in Ihrer Persönlichkeit (Ihrem so genannten "Selbst"). Aus der Änderung ihres Empfindens soll dann auch eine veränderte Kommunikation stattfinden.

In der Praxis finden wir sowohl beide Formen in Reinkultur als auch Kombinationen beider. Es empfiehlt sich, sich vorher zu informieren, was der Veranstalter anbietet. Bei der Neukonzeption derartiger Seminare kann man Elemente beider Teile durchaus kombinieren. Meist sind dazu allerdings zwei Trainer mit unterschiedlichen Begabungen nötig.

Generell sind Kommunikationsseminare, die Methoden aus der Psychotherapie nutzen (basierend auf Selbsterfahrungsgruppen) psychisch belastender als solche, die irgendeinen der pragmatischen Ansätze verwerden.

Gelegentlich werde ich gefragt, was denn meine Lehren von denen Anderer unterscheidet. Ich kann es in einem Wort sagen – es ist das Wort „anders“.

Ich behaupte nämlich gar nicht erst, den Stein der Weisen zu haben – sondern ich versuche, meine Schüler dazu zu bewegen, etwas anders zu machen – eben auch anders zu kommunizieren. Nach Watzlawick, Weakland und Fisch gibt es zwei Möglichkeiten, aktuelle Probleme zu lösen: durch „mehr desselben“ oder durch „etwas anderes“.

„Etwas anderes" ist in der Regel schwerer zu verwirklichen - und deshalb will ich Sie jetzt an eine Situation erinnern, die sie möglicherweise schon einmal erlebt haben: Sie wollen eine knifflige Sache lösen, aber immer wieder tauchend Barrieren auf. Verärgert gehen Sie abends ins Bett, wo sich ihre Gedanken reinigen. Am nächsten Tag gehen Sie die Sache noch einmal an - und finden sofort die (meist einfache) Lösung. Sie haben die Dinge in einem neuen Licht gesehen - da ginge es plötzlich. Einer meiner eigenen Lehrer sagte immer: „Wenn es gar nicht weitergeht, fragen Sie den Hausmeister." Es war als Witz gemeint, hatte aber einen realen Hintergrund: Ist unser Denken zu sehr verknotet, so kann ein einfach und linear denkender Mensch oft helfen, das Problem zu lösen.

In meinen Problemlösungsseminaren verwende ich im Übrigen die Methode „etwas in einem anderen Licht zu sehen“ etwas ausgefeilter in der Problembeschreibung.

Manche Kommunikationstrainer kommen stets mit hochtrabenden Ausdrücken daher, die sie in der Welt der Psychologie, gelegentlich auch der Psychotherapie, eingesammelt haben – wobei die Frage ist, ob sie dabei nicht auch im trüben Wasser der Esoterik fischten.

Eines der viel gebrauchten Wörter ist das „Selbst“, das vielfach auch zum „inneren Selbst“ mutiert – dann kommen Sätze zustande wie „wenn unser inneres Selbst in seiner Mitte ruht“ - etwas, das mit dem "Selbst" wenig, mit religionsähnlichen Vorstellungen allerdings bereits viel zu tun hat.

Nun ist das „Selbst" zunächst nichts mehr als ein psychologischer Begriff, der zur Persönlichkeit gehört. Er beinhaltet ältere Bezeichnungen, wie „ICH", „ES" und „ÜBER-ICH", kann aber nicht problemlos als Synonym verwendet werden. Mit dem Modell eines „Selbst" können wir uns (ähnlich wie beim „ICH") von der uns umgebenden Welt unterscheiden. Durch Selbsterfahrung können wir genauer beschreiben, was unser Selbst (mitsamt dem viel zitierten Selbstwertgefühl) ausmacht. Der selbst erfahrene (oder auch wahrhaftig selbstbewusste) Mensch kann, wenn er das Wissen um sich selbst richtig anwendet, erfolgreicher sein als jemand, der nicht so viel um sich weiß - allerdings trifft dies nur auf bestimmte Kommunikationssituationen zu.

Wie alle Begriffe der Psychologie ist auch dieser umstritten. Unser eigenes inneres Weltbild besteht ja schließlich nicht nur aus unserem Selbst, sondern auch aus einem Modell der Welt, in dem neben mir selbst vor allem auch andere handeln. Kann ich ihre potenziellen Handlungen voraussehen („stimmt mein Modell") dann bin ich sicher erfolgreicher als jemand, der dies nicht kann. Die Existenz eines „Andere" wird aber oft von psychologischer Seite bestritten.

Das Selbst und das Modell der Welt gehen - neben vielen anderen Merkmalen - in die Persönlichkeit ein. Sie ist das, was nach außen gezeigt und gelebt wird. Die Frage, wie sich die Persönlichkeitsmerkmale ändern lassen, ist vielschichtig und wird sehr unterschiedlich beantwortet. Doch soviel lässt sich sagen: Das Selbst ist derjenige Teil, der am schwersten zu beeinflussen ist - ein guter Anzug, eine perfekt sitzende Kostümjacke (und das richtige Make-up) sind wesentlich leichter zu steuern - und auch die Kommunikation, die viel zu viel mit Psychologie umkränzt wird, lässt sich durch einfache, sehr praktische Maßnahmen bei weitem schneller verändern als das Selbst.

 

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