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kladde

Alle haben mal klein angefangen. Bei mir kam das Schlüsselerlebnis sozusagen mit einem dümmlichen Kindergedicht „Dunkel war’s der Mond schien helle, hell erleuchtet jede Flur“ (in manchen Versionen „schneebedeckt die grüne Flur“). Es wird gerne benutzt, um Menschen zu erklären, was Paradoxien sind – oder noch einfacher: Warum nicht eine Sache wahr sein kann und das Gegenteil davon auch wahr.

Für den Diagonaldenker ist hingegen logisch, dass der Mond nur dann hell scheinen kann, wenn es dunkel ist, weil doch am Tag die Sonne scheint – oder falls Ihre grüne Flur nicht schneebedeckt sein kann - gab es das nicht früher öfter mal im April?

Das wäre noch nicht so schlimm. Aber auf Dauer entdeckt man, dass eine Sache wahr sein kann und ihr Gegenteil auch – und dass es einer Entscheidung bedarf, zu sagen, welche Wahrheit man bevorzugen will. Sehen Sie, und dann erst beginnt die Sache richtig heikel zu werden – denn nun gäbe es noch einen dritten Weg: Weder das Eine noch das Andere für wahr zu halten, sondern sich einen Weg zu erdenken, bei dem beides gleichzeitig unwahr oder beides gleichzeitig wahr ist.

Nach und nach wird man zum Jongleur mit Wahrheiten – und wirft dann und wann auch mal eine unters Publikum. Siehe, ich schenke euch goldene Wahrheitchen – dir, du in der ersten Reihe sitzt, und dir dahinten im roten Kleid, und selbstverständlich auch dir, mit dem traurigen Gesicht in der letzten Reihe.

In den USA macht gerade ein Blog von sich reden, in dem gemischtrassige Menschen * (überwiegend natürlich wieder Frauen, wer könnte es ihnen verdenken) Bilder von sich hineinstellen können. Man darf dann raten, aus welcher Mischung das Gesicht einmal entstanden ist.

Allerdings finden Andere dies wieder pfuiteufelisch – man sieht, Bloggern gehen die Themen nie aus.

* Wer denn Ethnien sagen, will, meinetwegen.

Via Ethnoerotica

Ich amüsiere mich immer wieder über erotische Foren, und nach und nach erhärtet sich bei mir der Verdacht, dass dort zu einem Teil Scheinthemen initiiert und dann nach Kräften ausgeschlachtet werden, weil das eine Art Gratispromotion für die Webseite ist. Ich gebe ja selbst zu, dass es nicht einfach ist., sich jeden Tag neue Themen aus den Fingern zu saugen – aber im Erotikzirkus wird es nach und nach etwas langweilig, wenn die Unterschiede zwischen der Haut auf den Fußsohlen, auf dem Hinterteil und an der Pfirsichwange diskutiert werden.

Heute zehn Minuten geflirtet – und Morgen früh voraussichtlich auch. Das Objekt der Begierde ist allerdings nur begrenzt kommunikativ und nicht besonders kuschelig.

Runtimeerror lässt sich über menschliche Masken aus: Interessanter Beitrag. In Wien soll es ja sogar Kaffehauskellner geben, die glaubhaft die Maske Wiener Kaffeehauskellner tragen. Wobei dies sicher richtig ist: Menschliche Masken „fallen immer, es kommt nur drauf an, wie sie fallen“.

Wenn Sie mich fragen: Einem Priesterin steht am besten eine Priesterinnenmaske und eine Hure am besten eine Huremaske, und ich in froh, wenn beide nicht fallen – zumal, falls sich dahinter dann die jeweiles andere Identität verbergen sollte.

Wobei ich mír auch noch folgende Stelle eines Romans vorstellen könnte: "er zog ihre einer der künstlich und starr lächelnden Püppchenmasken nach der anderen herunter - doch so viel er sie auch demaskierte, darunter befanden sich nur neue Püppchenmasken, und jede schien noch künstlicher zu lächeln als die Maske zuvor".

Liebe Yester,

ich bin, wie immer beglückt aber auch verwundert, dann angesprochen zu werden, wenn ich gar nicht da bin. Nun, ich schreibe zwar selbst keine Manuskripte für Telefondamen, keine Kontaktanzeigentexte für gut getarnte Huren in Anzeigenforen, und nicht einmal glühende Liebesbriefe an Damen, die sonst niemals solche Briefe bekommen würden. Aber ich kann Ihnen versichern, dass ich, würde ich dies tun, ein Echtheitszertifikat online bereitstellen könnte. "Gefühle sind immer echt" würde dann kreisförmig um ein Emblem aus fünf verschlungenen Händen stehen, die fünf Sinne repräsentierend. (Ich muss daran denken, schon morgen den Gebrauchsmusterschutz anzumelden).

Die eigenen Emotionen sind immer echt, sagen sie. Dem stimme ich zu, soweit es Rosen betrifft, die lange duften oder Dornen, die sich fühlbar in die Haut bohren – und alles, was Sie jetzt mit Duft, Haut, Lust und Schmerz assoziieren könnten. Von Liebe will ich lieber nicht reden - das ist mir zu privat. Der verbleibende Rest löst schnell einen Anflug von Gefühlen aus, so, als ob einem eben die Straßenbahn davongefahren wäre – aber sonst? Man kann man mich schnell reizen, weil ich schnell eine Erwiderung schreiben kann. Könnte ich es nicht, würde ich also Stunden oder Tage über eine Replik nachdenken, so würde ich es bleiben lassen – und mir denken, was ich hier nicht schreiben sollte: „Das Pack kann mir doch gestohlen bleiben“.

Beim Zweifel muss ich entgegen, dass ich einige Jahre lang Berufszweifler war. Ich musste die Werke anderer so lange traktieren, bis sicher war, dass wenigstens die schlimmsten Wanzen in ihnen den sicheren Tod erlitten – sie können also sicher sein, dass bei mir Zweifel zum Alltag gehört – nicht umsonst recherchiere ich auch hier manches nach – und bei meinen eigenen Artikeln betriebe ich in der Regel eine so gründliche Recherche, dass schon mancher Redakteur blass wurde. Ich muss dennoch hier loswerden, dass ich im realen Leben einen recht netten Überblick habe und nicht sehr zweifele, sondern vertraue – das spart einem manchmal viel Arbeit und bringt allerlei Gewinn gratis ins Haus.

Sie werden verstehen, Frau Yester, dass ich das Thema der Orgasmen, wenngleich es ein sehr Begeisterndes ist, nicht noch breiter trete, als dies ohnehin schon der Fall ist. Die Profis unter den Telefondamen, die nicht billigen Manuskripten für die große Lutsch- oder Dominanummer folgen, haben ja alle ihren eigenen Stil – ich habe die Möglichkeit, dies gelegentlich als Beobachter anzusehen – und sie verstehen es, dabei die richtigen Auslöser zu treffen. Wie verbreitet privater Telefonsex ist, vermag ich nicht zu sagen – immerhin bekam ich aber vor einigen Jahren einen Anruf dieser Art, in dem eine mir zwar bekannte, aber nicht sehr geläufige Dame verkündete, sie habe gerade ihre Hand „da, wo du dir denken kannst“ und um erlösende Worte bat. Ich gestehe, sie nicht gefunden zu haben.

Zum Schluss will ich Ihnen noch sagen, dass ich nicht genau weiß, wie ich zu der Ehre kam, so viele Zeilen in ihrem Magazin zu füllen, vermute aber, dass es nicht dieser kleine Wortsalat allein war, der Sie veranlasste.

In diesem Sinne wünscht Ihnen einen lustvollen Tag

Ihr Sehpferd

„Wissen Sie, es herrscht eine soziale Kälte in Deutschland“, sagte mir soeben ein junger Mann. Ja, selbstverständlich: „Es“ herrscht überall – und wir, wir sind natürlich nicht verantwortlich dafür.

Vielleicht hören wir einmal damit auf, „es“ verantwortlich zu machen? Sehen Sie in den Spiegel – da steht der Verantwortliche. So, und nun bitte: Sagen sie doch den Satz noch einmal, junger Mann: "Ich bin verantwortlich für die soziale Kälte in Deutschland". Und wenn sie nicht verantwortlich sein sollten, dann hören Sie bitte schön auf, „es“ zu verunglimpfen. Das arme „es“ hat Ihnen nichts getan.

Eine Peitsche kann sanft küssen -
Worte können Striemen hinterlassen.

Habe ich in letzter Zeit richtig gelesen, dass es uns schreckt, wenn ein Mann den Willen einer Frau bricht - aber dass es uns durchaus necken kann, wenn eine Frau den Willen eines Mannes bricht?

Nehmen Sie doch bitte einen Moment bei mir Platz.

invited

Photo: © 2005 by sehpferd- Location: Budapest Millenium Park

 

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