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Es wär ja schön, wenn Blogger manchmal wenigstens ein klein wenig nachdenken würden, bevor sie schreiben. Ja, ich rede abermals von angeblicher „Sozialer Software“, wobei ich gerne zugebe, dass nicht alle den dummdeutschen Begriff übernehmen. Das englische Wort „social“ hat nämlich mit dem deutschen „sozial“ wenig zu tun und bezieht sich ehr auf den Wortursprung: „Gemeinschaftlich“.

Worte sind eben nur Schall und Rauch. Als Lotus Notes erfunden wurde, betonte man schon die Möglichkeit gemeinschaftlichen Handelns, und als die Foren dann überall hervorbrachen, herrschte eine ähnliche Euphorie. Sehen sie sich heute die unredigierten Foren an und sie wissen, was davon geblieben ist, und vielen Blogs geht es keinesfalls besser. Wer nicht wagt, die Kommentatoren hinauszuschmeißen, die an die Hauswand des eigen Blogs pinkeln, wird nicht lange Freude am Blog haben – er wird nämlich durchaus mit dem Mob verglichen, der sie dort angesiedelt hat. Sozial? Ist noch niemandem aufgefallen, dass viele Menschen (unter ihnen auffällig viele erwachsene Frauen) ihre Blogs wieder aufgegeben haben, weil sie sich nicht mehr als Herr(innen) der Lage fühlten?

Es sind Blogs dabei, die fünf Dutzend Kommentare bekamen – also angeblich Blogs, die einen „sozialen“ Nutzen hatten. Gerade habe ich wieder so einen „Sozialblogger“ ausgemacht, der sich seine Emails an spam @ schicken lässt – wahrhaftig ein widerwärtiges Beispiel für gute Kommunikation.

Liest man nun genau nach, wo das Gemeinschaftliche in der Kommunikation liegen soll, so findet man die Begründung im „Handelsblatt“: Wenn mehrere Leute glauben, wegen ihres Interesses am gleichen Filmstar, des gleichen Erfrischungsgetränks oder themenähnlicher Bücher eine „soziale Kommune“ zu bilden, dann kann mit geschickt eingesetzter Werbung viel Geld verdient werden. Neu ist das nun überhaupt nicht. In dieser Weise sind bereits die ehemaligen Kommunen von Geocity, Tripod oder Fortunecity entstanden, die homepagebasiert waren. Auch sie behaupteten, durch die Nähe zueinander „sozial“ zu sein.

Wer nicht so oberflächlich daherschreibselt, wie das viele Blogger tun (und eben auch das Handelsblatt), der wird bald dies merken: Wirkliches soziales Handeln und denken entseht durch Blogs und andere „soziale“ Software nicht. Blogger, Forumsteilnehmer und Chatter leiden einsam, haben einsam Herzinfarkte und sterben einsam. Ihren oberflächlichen Kommunen mit all den Kommentatoren, von dümmlich-dreisten Besserwissern bis zu „Hi“-Mädchen. und „Lol“-Knaben ist doch größtenteils scheißegal, was einen Menschen wirklich bewegt.

Sozial? Im Gegenteil. Es ist eine Barnum-und-Bailey-Welt da draußen im Web, in der „sozial“ nichts als ein postpubertäres Schlagwort ist. Diejenigen, die es besser wissen und den Hintergrund vieler Blogger kennen, schweigen lieber – sie wissen ja, wes Geistes Kind die Bloggergemeinde ist, und warum diejenigen gegangen sind, die nun nicht mehr bloggen: Zumeist aus einer wiedererwachenden Liebe zur Realität. Die „soziale Revolution im Netz“ des Handelsblattes ist in Wahrheit eine neue Marketingstrategie auf der Basis einer Gemeinschaft von Menschen mit ähnlichen Interessen, ein offener Buchclub, sozusagen.

Wenn sie mich jetzt fragen, warum ich blogge – ich habe niemals gebloggt. Ich führe ein kleines, querdenkerisch ausgerichtetes Journal mit gelegentlichen frivolen Inhalten hier im Web.

Das ist wirklich alles.

 

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