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Vermutlich heute, am 29. Oktober vor 46 Jahren wurde zu Frankfurt die Hure Rosemarie Nitribitt, in Branchenkreisen besser bekannt als „Rebecca“, in ihrer Wohnung ermordet. Einziger Zeuge war ihr Pudel „Joe“.

Ihr Tod wurde am 1. November 1957 bemerkt. Der längst überalterte Bundeskanzler Konrad Adenauer (81) hatte gerade mit seiner zynischen Parole „keine Experimente“ erneut die Bundestagswahl gewonnen, und sein Wirtschaftsminister versprach endlich „Wohltand für alle“ – das war auch nötig, denn diejenigen, die bisher vom Wirtschaftswunder profitierten, waren keinesfalls die Arbeiter und Angestellten.

Die Hure, die an jenem regnerischen Novembertag aufgefunden wurde, hatte ihren Anteil des Wirtschaftswunders längst in trockenen Tüchern: Ihr Jahreseinkommen betrug etwa 50.000 Euro, die sie mit Hilfe ihres „Dienstwagens“, eines Mercedes 190SL mit roten Ledersitzen, für ihre Liebesdienste erhielt.

Die Meldung verbreitete sich wie ein Lauffeuer, denn die Adenauer-Republik, wie man damals sagte, galt als grau, fromm fleißig und gerecht. Arbeiter und Angestellte mussten angeblich Lohnverzicht üben, damit die Unternehmer fleißig in ihre Betriebe investieren konnten - doch nun, da ruchbar wurde, dass sie offenkundig auch in Huren investiert hatten, platze manchem der Kragen: Wenn schon eine Hure 50000 Euro im Jahr „machen“ konnte, was wurde dann erst für andere Vergnügungen ausgegeben? Auch der hauchdünne Schleier des katholischen Moralgehabes fiel plötzlich: die Doppelmoral, von der schon jahrelang gemunkelt wurde, trat nun offen zu Tage.

Nun, es kam noch schlimmer: Der Autor Erich Kuby schrieb eine fiktive Geschichte zum echten Mord, in der die Marode Gesellschaft von 1957 und ihr arroganter Herrschaftsklüngel vorgeführt wurde: „Das Mädchen Rosemarie“ hatte zwar mit der Nitribitt nichts gemein, aber mit der maroden Nachkriegsrepublik schon: Die Politik versuchte sogar, dem Film von der Biennale fernzuhalten: Das ansehen der jungen Republik würde angeblich geschädigt.

Das echte „Mädchen“ Rosemarie geriet noch als Leiche in die Hände einer sensationsgierigen und verlogenen Presse, die sich die mit sexueller Neugier gepaarte Pseudoempörung der Bürger zu Nutze machte, um die Auflage zu steigern.

Dichtung und Wahrheit vermischten sich bald so sehr, dass niemand mehr genau wusste, wer die Nitribitt eigentlich war: Eine äußerst geschäftstüchtige Frau einfachster Herkunft, die aus den Lügen der Adenauer-Ära ihren finanziellen Profit mit Hilfe des bezahlten Geschlechtsverkehrs zog.

Die Legende will wissen, dass sie es „schon für 40 Euro (80 Mark) tat“, und dieses Argument wurde später genutzt, um zu erklären, wie "gewöhnlich" diese Hure war. Doch wer so redet, verkennt, dass eine „Nummer“ für 80 Mark damals etwas war, das sich nur ganz wenige leisten konnten: es entsprach in etwa der monatlichen Kaltmiete für eine Dreizimmerwohnung. Heute würde eine halbe Stunde in ihren Armen also mindestens etwa 500 Euro kosten.

Derweil gammelt auf dem Friedhof zu Derendorf (einem Stadtteil von Düsseldorf) auf dem Nordfriedhof ein Grabstein vor sich hin, auf dem die Worte stehen: „Nichts Besseres darin ist, denn fröhlich sein im Leben“. Wie wahr.

nitribitt rosemarie grabstein

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