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Blogs bejubeln sich gerne gegenseitig und ab und an schreibt auch die Presse über Blogs – freilich selten und dann noch meist ohne wirkliche Neuigkeiten aus den Blogs, und wenn, dann sind es PR-Artikel von Softwareherstellern.

Doch trotz der Sommerflaute in der Presse liest man über Blogs einmal mehr fast nichts. Ich überprüfe das gerne mit den RSS-feeds, die ich abonniert habe, und stelle fest: Weitgehende Funkstille.

Das Medium, gestern noch als alternative Nachrichtenquelle bejubelt, befindet sich mitten in seiner ersten seriösen Krise. Die Wahlen, die vielfach als Motor der Blogs für diesen Sommer angesehen wurden, haben auch nicht den gewünschten Erfolg gebracht: Politiker schreiben selten und noch seltener schreiben kenntnisreiche Journalisten und andere beobachtende Zeitzeugen. Die so genannten „Kampagnenblogs“, die jetzt allenthalben hochgejubelt werden, sind Kurzstreckenläufer. Sie zählen eigentlich überhaupt nicht.

Auch die erotischen Blogs der Himbeernippelchen, Erdbeermünder und Honigtöpfchen haben sich weitgehend verabschiedet, genau wie die unterhaltsamen Blogs, in denen Menschen wahre und (meist bessere noch) erfundene Geschichten in literarischen Kurzformen erzählten.

Ich selber bemerke, wie wenig meine Artikel gelesen werden – und zwar sowohl die politischen und weltanschaulichen wie die kleinen Appetitmacher aus dem Erotikrepertoire. Freilich hat mein Blog bei Twoday immer noch weit über 200 Begucker (Leser mag ich gar nicht sagen) täglich, und es gibt Artikel, die es auf über 10.000 Begucker gebracht haben – aber das reicht nicht aus, um auch nur ein beachtetes Nischenmedium zu sein.

Was ich damit sagen will? Immer das Gleiche. Wenn wir hier und jetzt und in der nahen Zukunft eine Stimme haben wollen, dann müssen wir mehr tun als diese blöden Blogs täglich vollzukleckern. Dann müssen wir interessante Nachrichten, amüsante Unterhaltung und zu alledem etwas erotischen Pfeffer bieten.

Langeweile gibt es nämlich schon genug.

Haben sie Ideen zu wirklich modernen Kommunikationsformen im Rahmen interessanter Projekte? Möchten sie eine kleine Web-Zeitung herausgeben oder daran mitarbeiten? Suchen sie die Zusammenarbeit für ein neues Webprojekt? Wollen sie mit mir über die sterbende Bloggerszene hinauskommen? Dann schreiben sie mir, wie sie das machen wollen: sehpferd at sehpferd dot com.

Gerade habe ich von dem wieder einmal wild um sich schlagenden quirinus erfahren, dass Andreas aka Semmel das Handtuch geworfen hat.

Semmel ist nicht untypisch für den Aufstieg und Fall der Blogs. Man richtet etwas ein, man richtet sich ein, man glaubt, soziale Kontakte zu gewinnen, man wähnt sich auf dem Zenit seines Erfolges – und sieht doch, dass man mit Zitronen gehandelt hat: Blogleser sind auch nichts anderes als eine graue, anonyme Masse, und sie verhalten sich nicht anders als alle anderen Konsumenten auch.

Semmel wäre nicht Semmel, wenn er den wirklich erfolgreichen unter den Blogs nicht noch eins reingesemmelt hätte. Polemik gegen das M-E-X Blog und gegen all die anderen, die sich aufgemacht haben, dieses Medium endlich salonfähig zu machen.

Wer nicht begreifen will oder begreifen kann, dass Blogs keine Religion sind, sondern lediglich eine leidlich attraktive, preiswerte Möglichkeit, schnell von sich reden zu machen, wenn man den Kreis derer, bei denen man bekannt werden will, nicht zu weit zieht.

Das ist schon wirklich alles.

Ganz offenbar gibt es Mädchen, die Frau Merkel nicht mögen, und dies auch irgendwie ausdrücken wollen.

Die stellen dann zum Beispiel T-Shirts her: Mädchen gegen Merkel. Schade, dass es so hässlich geworden ist: Das Mädchen auf dem Shirt mit einem Micky-Maus-Ohr, Kulleraugen, Strichnase, Quetschmund und Zornesfalten sieht noch bei weitem schlimmer aus als die Frau, gegen die es gerichtet ist.

Und sowieso: „Mädchen gegen Merkel?“ Sind wir mal gegen was, oder? Früher hatten wir wenigstens noch Knöpfchen, auf denen „Bürger für Brandt“ stand, aber „Mädchen für Gerhard“ halte ich nicht für glaubwürdig, „Mädchen für Guido“ gibt nicht viel her, und „Mädchen für Joschka“? Ich meine, auch der wird schließlich älter.

Noch weiß ich nicht, ob es einen Stoff für einen Lore-Roman gibt oder ob es dem „goldenen Blatt“ als Artikelserie wohl täte. Nur eines weiß ich jetzt schon: Literatur ist es nicht.

Frauen mit Liebeskater empfehle ich dreierlei: Eine Freundin, einen Friseur und eine Psychotherapeutin. In dieser Reihenfolge.

Christian Rentrop mag private Nachrichten im Internet nicht besonders. Sein Fazit; Frauen sollten nicht bloggen – Männer auch nicht. Gemeint sind ein paar unreife Mädchen und Knaben, die über das Internet nun tatsächlich kaum mehr als Müll produzieren.

Zitat:

„Haltet Ihr euer nebensächliches Leben für so spannend, dass die Menschheit daran teilhaben sollte? ... Also bitte nehmt sie offline und überlasst denen das Feld, die wirklich was zu sagen haben. Das Internet soll ja nicht aussehen wie das Nachmittagsprogramm von Sat1.

Darauf gibt es natürlich mehrere Antworten: Die erste wäre, „ach, wenn es doch wenigstens so übersichtlich wäre wie das Nachmittagsprogramm von Sat1“, die andere, „der Mann hat wohl die falschen Blogs gelesen“.

Noch eine Antwort?

Das wirkliche Privatleben gehört überhaupt nichts ins Internet. Wer dort alle Aspekte seines wirklichen Lebens veröffentlicht, muss entweder extrem unabhängig oder aber extrem blauäugig sein (dafür gäbe es noch ein anderes Wort). Gehen wir also davon aus, dass man uns irgendwelche Storys auftischt, die wie als das lesen sollten, was sie sind: Geschichtchen und Gedichtchen. Vor allem aber ist dies wichtig: dass ich sie nicht lese. Dann hört der Spuk vielleicht bald auf.

Ja, ich habe sie gelesen, all diese Berichte, die auch in die so genannte Mainstream-Presse Eingang fanden: Blogs hätten berichtet, aus Blogs wären namhafte Informationen an eine nach Informationen lechzende Öffentlichkeit gegangen: Blogs, Blogs, Blogs.

Na schön. Es wäre ein Wunder, wenn Blogger die Gunst der Stunde nicht genutzt hätten. Aber die BBC hat sie auch genutzt, hat sorgfältig recherchiert und in der bekannten kühlen britischen Art berichtet: Hier ist die BBC und dies sind die Tatsachen.

Was wieder einmal heißt: In einem zivilisierten Land mit Pressefreiheit und guter Infrastruktur sind Blogger den Profis bestenfalls den hundertsten Teil einer Nasenlänge voraus – und auch nur dann, wenn sie in der Nähe des Geschehens waren.

Das Gebrabbel, das allenthalben um die Blogs gemacht wird, war mal wieder einmal verfrüht: Die Profis machen es schon. Sie informieren uns gut und facettenreich, und mit sehr, sehr viel Hintergrundwissen. Nun müssen die Blogger, die Augenzeugen waren, erst einmal beweisen, ob ihnen das Schicksal ihrer Mitmenschen wirklich etwas wert war: Die Polizei wünscht, möglichst alle privaten Videos und Fotos zu sehen – wogegen nichts spricht, denke ich.

Ich war, wie fast immer, mit der Mainstream-Presse durchaus zufrieden, und musste keine Blogs lesen, um mir ein Bild zu machen.

Anna (24) ist eine Bloggerin – jedenfalls in der T-Online-Werbung. Dazu schreibt der Webprovider dann: „Macht doch nichts, Anna, denn Weblogs sind der neueste Trend für alle, die gern schreiben und sich mit anderen austauschen.“

Nö, macht wirklich nichts, Anna - blogg ruhig. Freilich wundert uns, was deine rechte Hand da hinten in den Jeans sucht und warum dein linker Daumen gerade im Mund ist. Nach längerem Überlegen fand ich es heraus: Mit der linken Hand saugt sie sich etwas aus dem Finger und mit der rechten zeigt sie uns, was es wert ist.

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(c) der Werbung 2005 by T-online.de

Wie meine Leser sicherlich wissen, habe ich am „Preisbloggen“ der Zeit teilgenommen und wurde immerhin nominiert – einen Preis habe ich allerdings nicht gewonnen, und ich hatte ehrlich gesagt auch nicht damit gerechnet, denn ich habe es nicht mit meinen besten, sondern eher zwei zufällig ausgewählten Artikeln versucht – hernach wollte ich es nicht mehr verändern. Genützt hat es mir dennoch – ich bekam sehr viele Besucher, die sich sonst wohl kaum zum Sehpferd verirrt hätten.

m Bereich der Sexualität hat nun zwar ein ausgezeichnet geschriebener, gut recherchierter, aber in der Aussage auch übermäßig tendenziöser Artikel gewonnen: mit Deep Throat & Koks im Hinterzimmer der Mafia. Mir ist nicht klar, ob es wirklich die Qualität der Sprache und der Recherche war, die bei der Wahl gerade dieses Artikels den Ausschlag gab, oder die Tendenz: „Pornografie ist Pfui“. Die Laudatio jedenfalls sagte aus: Die Juroren waren sich fast einig, was mich kaum verwundert. Ich, für meinen teil, beneide die Juroren nicht: Wirklich aktuelle Artikel, zum Beispiel über die neue weibliche Begierde, gab es (nach meinem Wissensstand) leider nicht – und so musste dann wohl ein eher historisches Thema herhalten.

Der in „Arm und reich“ preisgekrönte Artikel ist sehr persönlich und engagiert, und er gefällt mir persönlich sehr. Aber gerade deshalb: Ich denke, das Thema hätte mehr und vor allem Brisanteres geboten – vielleicht werde ich mal in mich gehen und ein wenig darüber nachdenken, was ich in Zukunft dazu schreiben werde.

Beide Artikel erscheinen im Übrigen bei Twoday-Autoren, was für Twoday spricht.

Über die anderen Kategorien mag jemand anders schreiben – auch bei dem, was die Deutschen morgen glauben, hätte ich eine andere Tendenz erwartet, obwohl die Sache, die da gewonnen hat, sehr witzig geschrieben war. – Vielleicht wollte man das Thema damit entschärfen? Jedenfalls gewannen Beiträge, die so auch im Feuilleton einer Zeitung hätten stehen können – etwas wirklich Neues, etwas Sensationelles, ja nicht einmal etwas Aktuelles war bei den Preisträgern auszumachen – und auch dies möchte ich nicht verschweigen: Auch wenig wirklich Originelles. Irgendwie wollten die Juroren, wie mir scheint, in keinerlei Fettnäpfchen treten.

Bevor ich es vergesse: Das BILD-Blog ist zwar ein viel gelesenes Blog, und sicher verdient es manche Auszeichnung – aber bitte nicht ständig. Hier will ich präziser werden: Das BILD-Blog lebt von der allzeit miesen Berichterstattung der BILD-Zeitung, aber miese Berichterstattung gibt es überall – sogar gelegentlich in der ZEIT und im SPIEGEL, und vor allem in der extremen Linkspresse. Warum kümmert sich eigentlich niemand darum? Und warum kritisiert eigentlich niemand die Blogs, die ständig linke Phrasen in das Web schleudern? Hier zeigt sich die Fragwürdigkeit im Wechselverhältnis zwischen Journalismus und Blogs: Im Grunde müssten Blogs viel stärker kritisiert werden, und eigentlich müssten Blogger auch ihre eigenen Preise (und Zitronen) vergeben.

Fragt sich noch, was eigentlich von einem Land zu halten ist, in dem in „Politik und Wirtschaft“ das BILD-Blog das beste Blog ist. Da muss man schon fragen, ob es denn keine anderen gab.

(Der Artikel erscheint gleichlautend auf Twoday und auf Blogg.de)

Wenn Blogs wirklich das kulturelle Phänomen wären, das Blogger daraus zu machen versuchen, denn wäre die Kulturkritik voll von Artikeln über das Medium.

Jeder, der die Presse täglich auf Blogs durchsucht, weiß, dass dies nicht so ist. Kulturkritiker nehmen Blogs so gut wie überhaupt nicht wahr. In „aller Munde“ sind Blogs nur, weil sich inzwischen ein paar clevere Kerlchen gefunden haben, die ein Geschäft daraus machen wollen oder schon eines daraus gemacht haben. Sie allein verbreiten die Nachrichten darüber, wie unglaublich wichtig Blogs angeblich für die Kundenzufriedenheit sind.

Blogs haben es, wie wir unschwer täglich feststellen können, aus den Hobby-Zeitschriften der PC-Benutzer in den Wirtschaftsteil geschafft. Zum Kulturteil lässt sich zweierlei sagen: Erstens sitzen in den Feuilletons zumeist Leute, die mit modernen Mitteln der Information und Kommunikation überhaupt nicht mithalten können, und deren Großteil aus selbstherrlichen Ignoranten besteht – und zum Zweiten sind Blogs nicht wirklich so interessant, dass sie nun gerade die Revolution auslösen.

Über den Sinn und Unsinn von Blogs wird in letzter Zeit viel geschrieben – selten etwas wirklich Sinnvolles, wie ich meine.

Dies hier ist eine Ausnahme:

„ich mag diese rolle der in die leere schreibenden und lesenden nicht länger ausfüllen. Blogs bieten eine menge ungewöhnlicher kontaktebenen, aber wenn sie ungenutzt bleiben und lediglich unverbindlich smallgetalkt wird, befriedigt mich das nicht“.

Was bedeutet: Die Möglichkeiten, die es tatsächlich gäbe, werden kaum genutzt, und ich möchte ergänzen: Fragen sie sich doch selbst einmal bitte, in welchem Verhältnis das Geschwafel vom sozialen Nutzen des Bloggens zum tatsächlich erlebten sozialen Nutzen steht.

Was bleibt? Eine Peep-Show, oder, wie ich meine, eine Barnum-und-Bailey-Welt, ein grandioser Zirkus mit vielen Bühnen, auf die man guckt und dann nach Hause geht – uns sich manchmal hernach freut, dass man nicht so leben muss wie die Zirkusleute.

Bleibt dies Problem: Der Zirkus bekommt wenigstens Eintritt, die Peepshowdame einen anständigen Stundenlohn.

Nur die Blogger singen am Ende den „Angeschitten-and-Gelackmaiert“-Blues: Sie bekommen von ihren Lesern nicht einmal eine Rose – oder etwa doch?

zirkus

Hingucken und nach Hause gehen : © 2005 by sehpferd

 

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