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Eines muss man diesem Müntefering lassen – er hat eine Diskussion hervorgerufen, die auch noch den kleinsten und biedersten Stammtisch erregt. Ich merke es an den Leserbriefspalten. Wenn da einmal einem Politiker zugejubelt wird, spricht wahrlich Volkes Stimme. Das Volk, bar jeder Kenntnis des Wirtschaftssystems, sieht es so: die Wirtschaft ist für den Menschen da, nicht der Mensch für die Wirtschaft“. Sehen sie, liebe Leserinnen und Leser, das ist so ein Satz, dem mal endlich alle zustimmen können. Alle diejenigen jedenfalls, die nicht eben stolzer Besitzer eines kritischen Verstandes sind.

Zunächst einmal ist dies richtig: der Mensch ist das Maß aller Dinge, und nur er bringt die Steine ins Rollen. Der Mensch ist also dazu da, zu handeln, und gleich, ob er Agrarier, Händler oder industrieller Produzent ist – er ist in jedem Fall dazu da, etwas zu erwirtschaften. Der Mensch ist also für die Wirtschaft da, denn er ist ihr Urheber – wer es nachlesen will, darf sogar die Genesis zur Hand nehmen – da steht es schon.

Die Wirtschaft, die so entsteht, ist natürlich auch für den Menschen da – für wen sonst? Jede Wirtschaftstätigkeit zielt auf den Menschen. Er ist Verbraucher, Empfänger, Nutznießer. Dennoch muss man sähen, bevor man ernten kann.

Der Mensch, der von der Wirtschaft profitiert, muss sich freilich auch wieder in eben diese Wirtschaft eingliedern. Er muss nämlich für die Wirtschaft da sein, als Arbeitskraft und potenzieller Unternehmer. Der Mensch, wir erkennen es leicht, ist in viel höherem Maße für die Wirtschaft da als die Wirtschaft für den Menschen.

Dennoch, liebe Leserinnen und Leser, ist auch solch eine Betrachtungsweise unsinnig. Seit Menschen nämlich Erfolg auf diesem Planeten haben, betreiben sie „Wirtschaft“. Ein Mensch zu sein heißt bereits seit vielen, vielen Jahrhunderten ein Teil eines Wirtschaftssystems zu sein, es ei denn, sie wären ein Einsiedler und würden sich von den Früchten des Waldes ernähren. Menschsein heißt Wirtschaft betreiben und Wirtschaft betreiben heißt Menschsein. Unser nächsten Verwandten, die Menschenaffen, betreiben keine Wirtschaft. Neandertaler haben sie auch nicht betrieben. Wir sehen, was aus ihnen allen geworden ist.

Die Wirtschaft verändert sich – und Deutschland fährt mit dem Ballast der Gutmenschenmentalität hinterher. Und die heißt: Die Wirtschaft ist für den Menschen da. Es ist, mit Verlaub, ein selten dummes Geschwätz.

Was der Kapitalismus damit zu tun hat? Gar nichts. Das Wort ist billig, denn man kann es umsonst in den Mund nehmen. Wie man sieht, kann man es sogar so verbreiten, dass ein Lauffeuer daraus wird – es gibt eben immer Dumme, die alles nachschwätzen. Gewonnen, Herr Müntefering – Volk bewegt. Nur leider mit den völlig falschen Themen.
 

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