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kommunikation

Jahrzehntelang haben uns die im familientherapeutischen Bereich tätigen Damen und Herren damit genervt, dass Kommunikation in Beziehungen so wichtig sei – und damit eigentlich nur den Wunsch mancher Frauen aufgegriffen, so genannte „Beziehungsgespräche“ zu führen – also Metakommunikation über die Kommunikation in der Beziehung.

Im Grunde hätte diesen Leuten schon damals klar sein müssen, dass Gespräche nur dann sinnvoll sind, wenn sie in einer ruhigen, warmen Atmosphäre zwischen Liebenden geführt werden, die sich gegenseitig in ihrer Entwicklung unterstützen – dieser Aspekt hatte aber offensichtlich nie eine Bedeutung in der Beratung.

Inzwischen ist ein daraus ein pausenloses öffentliches wie auch privates Intimgeplauder ohne Sinn und Ziel herausgekommen - das nach wie vor von plappernden Therapeutinnen und Therapeuten gestützt wird.

Nun macht eine Frau nicht mehr mit: Dr. J., Sexualberaterin und Bloggerin, damit Schluss: In Ihrem Blog rät sie zu einer sehr bedachten Kommunikation zwischen den Partnern – und nicht das endlose wie auch nutzlose Geschwätz, das uns die Tante Sozialpädagogin einst einreden wollte.

Kurzbeitrag in liebepur, das Original dann hier.

Gestern geriet ich zufällig in eine Diskussion hinein, in der behauptet wurde, dass Frauen und Männer unterschiedlich kommunizieren. Ich verweise dergleichen gerne in den Bereich der Binsenweisheiten - sie klingen gut und sagen doch nichts aus.

Die meisten Menschen passen ihre Kommunikation nämlich dem Kreis der Gesprächspartner an, weil sie gelernt haben, auf diese Weise das Beste für sich selbst (und manchmal möglicherweise für andere) zu erreichen – warum sollten sie sich sonst überhaupt auf Gespräche einlassen?

Zudem widersprechen Aussagen wie „(alle) Männer kommunizieren so" und „(alle) Frauen kommunizieren so" dem, was Kommunikation eigentlich ist: ein Prozess, zu dem alle Beteiligten beitragen und der sich dadurch stetig verändert. Mich erstaunt stets, wie Menschen, die nicht einmal in der Lage sind, solche Prozesse zu beobachten, zu ihren weitgehend dümmlichen Aussagen kommen.

Wer behauptet, dass Frauen und Männer „unterschiedlich kommunizieren“ könnte sich deshalb in einem Gespräch nicht, wie vielleicht erwünscht, als besonders klug, sondern als halbgebildet herausstellen – eigentlich schade, nicht wahr?

Darüber hinaus „kommunizieren“ Frauen und Männer natürlich wirklich unterschiedlich – biologisch bedingt und aus einem unterschiedlichen Verhaltensrepertoire. Doch wollte man soweit gehen, müsste man schon erhebliche Kenntnisse in der analogen Kommunikation haben – und die fehlt den Gesprächsteilnehmer, die auf Partys kühne Behauptungen aufstellen, meist völlig.

Nicht, dass es mich besonders drängen würde, wieder aktiv als Trainer tätig zu sein - es ist eben auch sehr anstrengend, acht Stunden am Tag lehren zu müssen und dabei noch unter ständiger Beobachtung zu sein.

Doch als ich vor ein paar Monaten meine alten Unterlagen wieder hervorholte und einfach wieder einstiegen wollte, erhielt ich nichts als Warnungen: In Budapest magst du ja lehren - aber komm nur nicht nach Deutschland, da wird auf dem Markt mit Hauen und Stechen gekämpft. Sehr unerfreulich, wie mir schien, denn ich habe nicht vor, mich zu prügeln. Dann bekam ich Kontakt mit Leuten von OpenBC (jetzt XING) und ich war etwas erschrocken, dass man sich dort nicht einfach fördert, sondern überwiegend versucht, einander auszustechen. Na schön - ohne mich. Schließlich verfolgte ich ein paar Diskussionen, in denen es um „Trainerverhalten" (oder heißt es nur noch „Coaches"?) ging. Eine Katastrophe, nach meiner Auffassung: Die Person ist alles, die Inhalte sind nichts. Es ist eine dieser modernen Erscheinungen, die uns vielleicht noch einmal böse zu schaffen machen werden: Wir vermitteln nicht mehr Wissen und Können, sondern verbreiten offenbar das moderne Märchen vom Prinzen, der einfach so durch die Dornen durchmarschiert. „Persönlichkeitsmerkmale" sollen ganz oben auf dem Zettel stehen, die von den Entscheidern (mangels objektiver Kriterien) genutzt werden. Nicht, dass es mir daran mangelt - aber es ist Unsinn.

Ich staune: Ein Mathematiklehrer muss vor allem etwas von Mathematik verstehen - und ein Kommunikationslehrer von Kommunikation. Kommt eine geeignete Persönlichkeit hinzu - na schön. Dann lernt der Schüler eben mehr. Aber so gar keine Theorie? Nur der sanfte rosa Wind, der das Hirn vernebeln soll, im Überzeugungston vorgebracht?

Mitmenschen, ich habe genug von den Positivdenkern, Adepten psychreligiöser Heilslehren und esoterischen Giftküchen - ich will Fakten, Fakten und nochmals Fakten - wenigstens für mein eigenes Leben. Wenn Fakten da draußen gerade nicht gefragt sind, kann ich es nicht ändern. Aber ich kann wenigstens dies hier schreiben - und mich notfalls aus einem Geschäft zurückziehen, das nur noch von Illusionen lebt.

Je mehr ich mit Leuten rede, die (noch?) Kommunikationstrainings anbieten, um so mehr bin ich überrascht, dass der Alltag weitgehend ausgeklammert wird: kein Markt.

Kein Markt? Kein Wunder. Wird etwa in unserem Bildungswesen Kommunikation gelehrt? Seien wir ehrlich: Für die meisten Lehrkräfte besteht Kommunikation darin, mühsam Lehrinhalte an die Schüler heranzubringen. Das Wesen der Kommunikation selbst bleibt ihnen unklar.

So wird schon durch die Schule ein vernünftiger Umgang mit der Kommunikation verhindert – und die Sache wird zu einem Spielball der Eliten, die später im Berufsalltag Seminare besuchen können, auf denen sie nachlernen, was eigentlich schon die Schüler hätten wissen müssen.

Nachdem ich nun schon längere Zeit bei OpenBC wie auch hier versuche, Kontakte zu Menschen zu knüpfen, die an der Kommunikation im Alltag interessiert sind, versuche ich es heute einmal ganz einfach mit einer Frage, die ich gerade in LIEBEPUR aufgeworfen habe: Wenn ein Mensch fragt „gehst du mit mir ins Bett?" so wirbelt dies beim Befragten zumeist ein paar Emotionen auf - doch was wäre eine gute Antwort, außer einem verheißungsvollen „Ja - das wollte ich schon immer" oder einem dahingeschmetterten „Nein, was denkst du dir eigentlich?"

Haben Sie eine gute Antwort?

Manchmal denke ich, dass die alten Zeiten nie vergehen – und dann denke ich an Humpty Dumpty, nämlich an dies:

`When I use a word,' Humpty Dumpty said, in rather a scornful tone, `it means just what I choose it to mean -- neither more nor less.'
`The question is,' said Alice, `whether you can make words mean so many different things.'
`The question is,' said Humpty Dumpty, `which is to be master -- that's all.'
(From “Through the Looking Glass and what Alice found there”)


Nun haben die Humpty Dumptys in Deutschland also das Wort „Unterschicht“ neu erfunden – und beinahe die gesamte deutsche Presse plappert es munter nach. Kommunikation? Eventuell sogar kritische, intelligente Kommunikation? Offenbar sagen dazu selbst viele Journalisten „nein, danke“ – und plappern ihr Schulwissen von gestern aus Büchern von vorgestern aus.

Es ist wirklich ein Jammer mit dieser Plapperei - nur eines ist sicher: Man darf sich die Etiketten, die einem die Arroganzler aus den vorgeblichen Elitegruppen gerne aufpappen würden, gar nicht erst anheften lassen - und hat man sie bereits, so muss man sie abreißen. Nichts, aber auch gar nichts ist gefährlicher, als sich selbst als „Unterschicht" zu definieren. Wer glaubt, es zu sein, der ist es auch bald.

Was es politisch bedeuten könnte, beschreibe ich anderwärts – hier geht es mir um die Menschen, die als Unterschicht abgewertet wurden – von Wissenschaftlern. Es geht nicht wirklich um Unterschichten – es geht darum, den falschen Eliten auf die Finger zu klopfen – und ihnen damit die Chance, Etiketten wie „Unterschicht“ zu vergeben, endlich zu entreißen.

Soll ich mich nun amüsieren oder entsetzen, wenn eine noch sehr junge Frau sagt, dass sie niemand jemals verstanden hat – jedenfalls die Jungs und Männer nicht?

Ich sage es Ihnen hier deutlich: Wenn jemand niemals verstanden wird, sei es vom anderen Geschlecht oder von der Menschheit schlechthin, dann gibt es nur drei Möglichkeiten:

- er ist wirklich von ganz eigener Art – dann weiß er es zumeist und überwindet es durch vereinfachte Kommunikation

- er sendet vieldeutige Botschaften aus, und glaubt, dass der andere sich die zutreffenden schon herauspicken wird – tut der andere auch

- er ist gar nicht wirklich daran interessiert, verstanden zu werden, weil er völlig egozentrisch ist

Mir ist, mit Verlaub, so wurscht wie irgendetwas, was Autorinnen gerade fehlt. Mir ist viel wichtiger, was Sie dazu meinen.

Etwas über Kommunikation zu wissen und darüber zu reden ist, wie bei allen anderen Themen auch, zweierlei. Neuerdings wird der Markt der Kommunikationstrainings überschwemmt mit NLP, einer Methode, die nach einer altbekannten Masche funktioniert: Ein wenig Pseudonaturwissenschaft wird mit einer Menge von Glaubessätzen (in diesem Fall auch wissenschaftlichen Gemeinplätzen) aufgeschäumt - und fertig ist die neue Methode.

Kritik mögen an der NLP andere üben - interessant ist für mich, dass NLP die wissenschaftlich-technischen Grundlagen der Kommunikation fast völlig ignoriert und dafür das menschliche Sein neu zu definieren versucht. (Menschen sind ..., Menschen funktionieren ..., Menschen verfügen ...).

Wissen Sie, was mich an diesen Aussagen wirklich stört? Fehlende Bescheidenheit. Wir alle, die wir in der Kommunikation tätig sind oder tätig waren, wissen um das, was wir leisten können und was nicht. Aber eines maßen wir (jedenfalls diejenigen, die ich kenne) nicht an: Das Menschenbild der Zeit neu zu definieren.

Wikipedia hier.
NLP.de hier

Eine der unverschämtesten Strategien, Menschen immer mehr in die Enge zu treiben, ist die, sie zudringlich mit verletzenden Behauptungen zu überhäufen und diese in Frageform zu kleiden.

Der Schauspieler und Filmemacher Vadim Glowna, geht aber nicht auf die Unverschämtheiten der Journalistin Antje Hildebrandt ein - sondern lässt sie abblitzen. Sehr interessant für Menschen, die an Rhetorik und Kommunikation interessiert sind.

Bei allen Artikeln nüber die Liebe und allem, was ich über die Aufnahme von Partnerschaften geschrieben habe, habe ich keinesfalls vergessen, wo ich herkomme: von der Kommunikation. Am Wochenende können Sie nun in meiner Kolumne in „Die Liebe leben" lesen, dass „Nein" nur dann „nein" ist, wenn alle anderen Möglichkeiten, es weniger deutlich zu sagen, beim Empfänger der Nachricht nicht ankamen.

Ansonsten ist „nein“, insbesondere aber das an sich stärkere „niemals“ lediglich ein Hinweis darauf, dass die eigenen Emotionen und vielleicht auch die Zwiespälte gerade am Kochen sind.

Sehen sie, wir alle gehen völlig fehl, wenn wir uns an Worte klammern – wir müssen lernen, die Botschaften dahinter zu erkennen – und aus dieser Sicht heißt sowohl das „ja“ wie auch das „nein“, einfach so dahingesagt, wirklich gar nichts. Also, falls es heute Nacht „nein“ sein sollte – lassen sie sich nicht entmutigen – und vor allem beweisen Sie Humor und geben Sie nicht auf. - laden Sie die Dame bei einer neuen Gelegenheit einfach wieder ein.

 

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