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wirtschaft im blick

Ein Teil der Presse versuchte gestern den Eindruck zu erwecken, die Einigung bei Karstadt sei schlecht, weil sie Arbeitsplätze koste. Fast niemand schrieb, die Einigung sei gut, weil sie Arbeitsplätze rette: was wieder einmal zeigt, wie es um das deutsche Gemüt bestellt ist.

Freilich ist nun der Konzern gefordert: Durchschnittliche Ware zum durchschnittlichen Preis, in äußerst durchschnittlichen Umgebungen von überwiegend lustlosen Verkäuferinnen und Verkäufern angeboten, findet mit Recht kaum noch Abnehmer.

Karstadt braucht ein Konzept. Aber es muss mehr als ein Sanierungskonzept sein, denn die Kunden interessiert auf Dauer weder, was sich das Karstadt-Management denkt, mutmaßt oder verkündet, noch, was die Gewerkschaft Ver.di beabsichtigt, verwirklicht sehen will oder herausschreit. Der Kunden stimmt mit den Füßen ab, und er gibt sein Geld nur demjenigen, der ihm ausgezeichnete Qualitäten zu moderanten Preisen bei angenehmer Kaufumgebung anbietet.

Dieser Tage wird sich zeigen, ob die Gewerkschaft ver.di verantwortlich im Sinne der Beschäftigten des Warenhauskonzerns Karstadt handeln kann oder nicht. Was bisher von der als nicht eben flexiblen Gewerkschaft bekannt wurde, ist nichts mehr als die übliche Gewerkschaftspolemik (Beschäftigungssicherung in allen Bereichen des Konzerns, Standortsicherung sowie Erhalt von Tarifvertrag und -bindung in allen Karstadt-Abteilungen). Man darf gespannt sein, ob heute in Kassel so etwas wie das angekündigte „eigene Sanierungskonzept“ tatsächlich vorgestellt wird – und wenn, ob es den Namen verdient.

Freilich, verantwortlich für die Misere sind nicht die Mitarbeiter, sondern die Manager des Konzerns. Doch zwischen Vorwerfen, Anklagen und sonstigen Heißsporn-Äußerungen und dem Entwurf, der Gestaltung und der Durchführung eines neuen Konzepts liegen Welten. Man sehen, ob ver.di nicht nur etwas ankündigen, sondern auch etwas leisten kann.

Ver,di Vorstandsmitglied Franziska Wiethold machte im Spiegel-Interview jedenfalls eine bessere Figur als die üblichen Betonköpfe. Sie weiß jedenfalls, was ein Kunde ist: Er seit schnell verloren, und ihn wiederzugewinnen, brauche einen langen Atem, sagte sie dem Spiegel. Wenn nur der gesamte Handel nach diesem Motto arbeiten würde, stünde es um die Händler vermutlich nicht so schlecht.

Erotikmessen haben derzeit reichlich Zulauf – und zu meiner Freude hat sich manches gewandelt. Das Äußere zunächst: Man präsentiert luftiger, übersichtlicher. Man zeigt mehr Kleider, und dort auch bessere Qualitäten. Die Verkäuferinnen und Verkäufer sind offener und kompetenter geworden.

Die Gäste sodann: Außer den üblichen Gruppen von männlichen Jugendlichen, die mit roten Gesichtern vor allem jene Plätze aufsuchen, an denen Damen gerade ihre intimen Seiten zeigen, gibt es außerordentlich viele weibliche Besucher: Gelegentlich Einzelne, einige zu zweit oder in Gruppen, aber eben auch sehr sehr viele, die ganz deutlich als erotisch ausgerichtetes Paar auftreten: Sie will etwas von der Messe, und er auch. Sie ist nicht „nur mitgegangen“. Ganz offensichtlich nicht.

Dort, bei dem Stand, an dem die Dildoschwemme herrscht, nimmt eine Dame gerade einen Karton in die Hand – sofort ist der Verkäufer da, packt das Gerät (ein großes mit Kaninchenohren) aus und fragt sie, ob er Batterien hineintun soll. Er tut es, sie nimmt das Gerät in die Hand, schaltet es an, und ein Lächeln huscht über ihr Gesicht. Entscheiden will sie sich noch nicht. Auch an anderen Ständen werden bereitwillig Batterien in Vibratoren eingelegt, die Funktionsweise genau erläutert. Die Damen kaufen, tragen selbstsicher den eigenen schwarzen oder grünen Beutel mit den Sexklamotten und den Spielsachen.

Chainmail (Kettenhemden) werden viel bestaunt, und nach wie vor Leder und Latex. Gekauft werden aber auch Dessous: Ein ganzer Stand hängt von oben bis unten voll mit Dingen, die man teils auch im Miederwarengeschäft erwerben kann – doch es gibt eben auch die anderen Dinge.

Der Sexfilmhandel, der das Video nun ganz aufgegeben hat und nur noch DVDs verkauft, ist trotz vieler großer Stände schlecht sortiert – aber auch hier hat man Frauen als Kundenkreis erschlossen: „DVDs, die auch Frauen lieben“, heißt es dann, „alle mit echter Handlung“. Diese sind natürlich nicht billig, während der übliche Schund schon ab 5 Euro zu haben ist – Restposten, billig gedreht, unverkäuflich. Wer schon „alles gesehen“ hat, sucht nicht mehr nach Sensationen, sondern nach Qualität. Da übersehen die Damen einfach mal, dass auf dem Bildschirm ein Video mit einer der üblichen Spermaorgien läuft. Frau genießt, was sie will, und sieht weg, wo sie früher empört gewesen wäre.

Was wäre eine Erotikmesse ohne die Show? Auch hier hat sich die Qualität deutlich gebessert. Frauen und Männer stehen am Rand der Bühne, und immer mehr Frauen bringen auch ihre Digitalkameras mit. Die Damen auf der Bühne sind schön, gut geschminkt und frisiert und verstehen es, sich in Pose zu setzen – nichts Ordinäres, eine Show eben. Man kann immer wieder feststellen, dass auch Frauen sinnliche Augen bekommen, wenn sie sehen, wie sich die Stripperinnen auf der Bühne bewegen – schön ist eben schön – das ist bei einer Frau nicht anders als bei einem Gemälde.

Doch die Augen sollen noch größer werden: beim Men-Strip. Die Männer mit gut gebauten Körpern und sind nicht übertrieben muskulös, aber dafür ihrer Erscheinung sehr bewusst, wissen genau, dass sie vor allem für das weibliche Publikum tanzen, gehen nahe an die lüsternen blauen und grünen Augen heran, zeigen das, was noch schicklich ist in der Öffentlichkeit. Der strippende Herr lächelt, die Damen lächeln zurück. Nein, hier gibt es keinen Hühnerstall, kein hysterisches Kreischen. Wir sind auf einer Erotikmesse – da applaudiert Frau und Mann gepflegt.

sexmesse weil zusammenfassung

© Bild und Text 2004 by sehpferd

Stundelang durch Harrods in London schlendern, die Blicke mal auf die schönen Gegenstände gerichtet, die liebevoll aufgeräumt in den Regalen glitzern, das andere mal und eher verstohlene Blicke auf die schönen Prinzessinnen aus Arabien werfen – das ist für mich ein Teil des Lebens, den ich nicht missen will.

Es muss nicht London sein. In Stuttgart lädt das Kaufhaus Breuninger ein, das heute auch längst zum Warenhaus mutiert ist: Mit einem Pianisten im Foyer und einem Mineralbad auf dem Dach, in Kopenhagen ist es Illums, das fasziniert, nicht nur wegen des Wienerbrots, das ich dort regelmäßig im Restaurant esse, und selbst in Helsinki geht kein Weg an Stockmanns vorbei – meist mit einem Blick in die inzwischen integrierte „akademische Buchhandlung“.

Freilich – es gibt sie auch, die grauen Häuser mit miefiger Luft, zu engen Gängen, unfreundlichem Verkaufspersonal und lieblos voll gestellten Regalen. Durchschnittliche Waren, durchschnittliche Preise, durchschnittlicher Service. Kein Wunder, wenn diese Häuser untergehen. Die Eigentümer haben nichts Besseres verdient – das Personal allerdings schon.

Am Anfang habe ich gelächelt, dann wollte ich eine Satire schreiben und jetzt platzt mir einfach die Hutschnur: Die Interviews der grünen Abgeordneten Antje Vollmer, ihres Zeichens sogar Bundestagsvizepräsidentin, kam einer Lobbyistenveranstaltung für die deutsche Musikbranche verdächtig nahe. Wer sich so tief herablässt, muss sich einiges gefallen lassen: Schnulzen-Antje outete sich sogar noch als Zuschauerin von „Deutschland sucht den Superstar“. „Superschtar“ soll sie gesagt haben. Nun ja, nicht jeder hat sprachliche Kompetenz.

Wie man denn überhaupt dies sagen muss: Natürlich gehört die Popmusik irgendwie zur Kultur, aber sie gehört eben in erster Linie zur Wirtschaft: Den so genannten „Künstlern“ dort geht es nämlich nicht eben schlecht – wesentlich besser als jungen Dichtern, Malern und Bildhauern zusammengenommen. Was bitte maßen sich diese elendiglichen Wichtigtuer eigentlich an? Wollen sie uns etwa erzählen, sie hätten irgendein Kulturerbe im Sack, dass für die Ewigkeit erhaltenswert wäre? Welche künstlerischen Werte bringen sie überhaupt hervor, und vor allem: Wie lange halten Schnulzen eigentlich? Tage? Wochen? Nur einige wenige Schlager erleben doch das nächste Jahr, und „Evergreens“ gibt es ganz wenige. Doch auch, wenn sie halten, die Schlager und Schnulzen, so bleiben sie eben doch zumeist nur Trällerlliedchen für den Tagesgebrauch: Ex-und Hopp-Musik.

Zudem: Die Franzosen haben eine Chansonkultur, die Skandinavier lieben ihre singenden Kleingruppen, und die Südländer haben außer Touristenfolklore auch noch häufig eine echte innere Verbindung zum eigenen Liedgut. Doch was haben die Deutschen? Irgendwie mal gehört, dass Herr Lindenberg eine Verbindung zum deutschen Volkslied hat? Das ist längst durch die lästigen Volksliedersendungen im Fernsehen zu Kitschschlagern verkommen.

Wenn die deutschen Musikerinnen, Musiker, Sängerinnen und Sänger meinen, nicht anzukommen, sollen sie doch bitte Undergroundlabels gründen, Internetradios eröffnen, sich um Sendelizenzen bemühen oder gar einen digitalen Fernsehkanal mieten: Einige von denen, die da so laut nach Quoten geschrien haben, besitzen doch wohl die nötige Kohle, um das Risikokapital beizusteuern.

Das machen sie natürlich nicht. Würde ja Aufwand bedeuten. Müsste man ja auch mal die Wahrheit gelten lassen. Da ist es schon besser, den Gesetzgeber zu bedrängen. Was ich dazu zu sagen habe: Pfui Teufel, Deutschquotenmusiker - ihr seid auf dem besten Wege, ein Kulturärgernis zu werden.

Dazu gelesen: Tagesspiegel.

Der Kulturausschuss des deutschen Bundestages wird sich heute mit einem Thema beschäftigen, dass wieder einmal so überflüssig wie ein Kropf ist und so deutsch, dass einem die Haare zu Berge stehen: Deutsche sollen mehr Deutsche Musik zu hören bekommen – man erwägt, die Sender zu einem Quotensystem zu verdonnern. Hintergrund: Die deutschen Musikproduzenten maulen, weil sie nicht genug vom Gema-Kuchen absahnen können und wollen praktisch ein Gesetz zum Schutz der einheimischen Schnulzenkultur, und, zugegebenermaßen auch einiger kleiner deutscher Musikproduktionen.

Die „Badische Zeitung“ bringt dazu „pro“ und „kontra“ – und einen Hinweis: In Frankreich sei das auch so, und alle seinen nichts als glücklich darüber. Wie schön für die Franzosen. Aber das Gesetz stammt aus dem Jahre 1986. Damals gab es Musik weder aus dem Internet noch aus der Satellitenschüssel, und auch die Musiksender im Fernsehen waren noch lange nicht so populär wie heute.

Ein Gesetz für die paar Verbliebenen, die FM im Autoradio hören? Die spinnen ja, die Deutschen.

Da fragen sich doch deutsche Einzelhändler, warum ihre Kunden immer weniger kaufen – und führen dies auf die wirtschaftliche Lage zurück, die Kaufunlust, die Käuferzurückhaltung. Doch sind dies wirklich die Gründe, warum die Kunden ihren Händlern den Rücken zudrehen? Ich hätte ein paar andere Antworten.

Erste Antwort: Weil die Geschäfte dauernd geschlossen sind.Teilweise mittwochs nachmittags, sehr oft samstags nachmittags, teilweise sogar montags. In Kleinstädten bleibt kaum ein Geschäft nach 18:30 geöffnet, und viele Geschäfte schließen mittags. Offenbar will man keine Kunden: Sie verursachen ja nichts als Kosten – falls man der Gewerkschaft Ver.di glauben sollte.

Zweite Antwort: Weil die Auswahl wie auch die Qualität des Warenangebot zum großen Teil so erbärmlich schlecht ist, dass sich der Besuch kaum lohnt. Bücher und CDs kaufe ich schon lange nicht mehr beim Fachhandel – warum auch? Die Leute müssen ohnehin alles erst bestellen. Da brauchen sie natürlich keine längeren Öffnungszeiten: Aber auf Dauer werden sie wohl gar keine Öffnungszeiten mehr brauchen, weil sie pleite gehen werden.

Dritte Antwort: Weil immer noch zu viel Händler glauben, mit den Kunden umspringen zu können, wie es ihnen gerade passt. Beispiel Möbelhandel: Nur Muster am Lager, unglaubliche Lieferzeiten, aber Festpreise mit Handelsspannen, die Käufer vergraulen. Oder auch so herum: Da kostet ein Sofa 3000 Euro, und die Leute machen es einem auch noch schwer, es zu bestellen – wenn es nämlich nicht gefällt, kann man nicht vom Kauf zurücktreten.

Das, freilich, sind nicht die Argumente, die Ver.di kennt. Dort spricht man vom Kostendruck und der Verlagerung auf die grüne Wiese, vom Schutz der kleinen Händler und dem Wohl der weiblichen Angestellten. Ich kenne ein paar „kleine Händler“ – handeln mit Frischgemüse und Spezialitäten, verdienen ein Heidengeld und arbeiten dafür 14 Stunden am Tag. Wer dort kauft, dem würde nicht im Traum einfallen, seine Tomaten beim Einkaufszentrum auf der grünen Wiese zu kaufen.

Merkwürdig, wie unterschiedlich die Meinungen sind – doch eines wird deutlich: Die Meinung der Gewerkschaft Ver.di interessiert den Kunden nicht die Bohne. Er macht es sich viel einfacher: In Grenznähe kauft man im Ausland, auf dem Land sowie in Klein- und Mittelstädten im Internet. Ohne Ver.di, selbstverständlich, und auch ohne die Kirchen: anderwärts hat man sonntags geöffnet.

Rätselhaft, warum heise.de ausgerechnet dem eigenbrötlerischen Weltverbesserer Norbert Rost das Wort gibt. Nicht dass er nicht seine Meinung verbreiten dürfte, aber das tut er schon seit einiger Zeit mit immer dem gleichen Tenor: Schafft regionales Geld. Nur, dass er diesmal Hartz IV als Basis für seine immer wiederkehrende Grundaussage nimmt.

Ach, Herr Rost: Gab es alles schon mal. Nicht nur in dem Beispiel, das sie erwähnen - es ist von 1932/1933 und damit nicht gerade sehr aktuell. Inzwischen gab es zahllose Experimente mit alternativen Tauschmitteln: Sie sind alle wieder sang- und klanglos von der Bildfläche verschwunden. Zwar kommen auch Neue hinzu, wie der "Justus", aber dessen Scheitern ist auch schon programmiert. Der Grund ist einfach: Die Tauschmittel sind nicht frei verwendbar. Die Bäurin auf dem Markt will halt Bargeld.

Ich mag noch hinzufügen, dass ich dies nicht verstehe: Der auf innovative Technologien ausgerichtete „Schockwellenreiter“, von dem ich den Rost-Link habe, bejubelt wirtschaftlich die neue Linke – wenn das man gut geht, Herr Schockwellenreiter.

Calvin Klein macht bekanntlich Jeans, und dafür muss man schließlich Werbung machen – am besten so sexy wie irgend möglich. Die neueste Variante: Eine halb nackte, offenbar verschwitzt aussehende Frau zieht einem halb nackten Mann die Jeans aus und leckt ihm dabei gleichzeitig die Hinterbacken. Gelesen habe ich das Ganze bei den Leuten von Fleshbot, die es wiederum von Bloggern haben (mit großem Foto). Wer die Calvin-Klein-Jeanswerbung über die Jahre sucht, wird hier fündig.

Was macht man gegen die Einzelhandelflaute? Zum Beispiel jemanden finden der sich auszieht – mindestens oben herum. So jedenfalls geschehen in Berlin, wo zwischen weißer und brauner Ware zwei schwarzhaarige junge Frauen ihre nackten, gleichwohl züchtig bemalten Brüste vorstreckten.

Die Kunden sollen sich als schüchtern erwiesen haben, wie die BZ schreibt – und wer eigentlich eher gerade eine neue Kaffeemaschine braucht, nimmt die Brüste bestenfalls als Beigabe. Dennoch: Der Berliner Händler will es wieder tun. Immerhin brachte ihn die Aktion kostenlos in die Zeitung.

 

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