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Das wöchentliche Geblubber aus den Algen – (fast) immer sonntags

Die vergangene Woche war von allem anderen geprägt als von Blogs, dem World Wide Web oder dem übrigen Geschehen in Deutschland. Es war eine Zeit des Stillstandes, die ja auch immer eine Zeit der Besinnung ist, und zu mehr an Kommentar will ich mich gar nicht hinreißen lassen: nur, dass ich die Diskussionen in Deutschland gelassener sehe: Eines Tages wird wohl endlich einmal alles von allen gesagt sein, die immer schon etwas sagen wollten, aber die Regierung wird sich davon hoffentlich nicht beirren lassen.

Was viele Menschen nicht begriffen haben: Die gegenwärtige Generation darf nicht die finanziellen Ressourcen auffressen, die der Staat zur Verfügung hat. Dieser muss vielmehr darin investieren, dass kommende Generationen auf einem ähnlich hohen Niveau wie heute leben können. Sozial sein heißt nicht allein, den Armen Geld in die Taschen zu stecken – es heißt auch, die kommenden Generationen vor Verarmung zu schützen. Wer in diesem deutschen Land hat dies eigentlich schon erkannt? Die Wissenschaftler sagten es uns schon lange, die Politik begriffen es nach und nach endlich, und nun treten plötzlich in Deutschland ein paar geschwätzige Volkshelden auf und sagen, dies alles sei ja ganz anders.

Ob es nun anders ist oder nicht – die Welt dreht sich weiter, und mit ihr die neue Wirtschaftsordnung, in der Deutschland eine bedeutende Rolle spielen kann, wenn es nur will. Freilich nicht mit der PDS, nicht mit Lafontaine, und (mit Verlaub) auch nicht mit der Art von „Intellektuellen“ (das Wort steht ganz bewusst so), die sich in den letzten Wochen zu so lachhaften Themen wie der Rechtschreibreform gemeldet haben. Die bringt uns nämlich keine Ressourcen, keine Synergie und vor allem kein Geld in die Kasse – und wir brauchen nun einmal Dinge in diesem Land, die sich in Euro und Cent rechnen lassen.

Durch das steuernde Hirn scheinen sich glühende Drähte zu ziehen, während das optische System wechselnde Bilder liefert: Mal der Rechtseindruck, mal der Linkseindruck, dann wider Stereo. Die Worte anderer brauchen deutlich länger, bevor die müde Denkmaschine die Lautzeichen in Gedanken übersetzt, verarbeitet, umsetzt, wieder in Worte fasst. Ab dem Nachmittag bringt der Schlaf wirre Bilder, die wie Etiketten auf Kästchen kleben. Gelegentlich klappen sie auf und erlauben einen Blick auf ihre Inhalte: Fragmente des Lebens, der Fantasie, des Fieberwahns. Je später es wird, um so mehr rauben die nun wieder rot glühenden Drähte jeden Schlaf. Wasser trinken. Schlafen. Wasser trinken, Aspirin und doch kein Ende.

Am dritten Tag untersucht mich ein alter deutsch sprechender Professor, so, wie er die Menschen vor 40 Jahren schon untersucht haben mag: Befragen, Betasten, Erkennen. „Tut diese Stelle weh?“ „Ja.“ „Nur diese Stelle?“ „Ja“. „Diese Stelle nicht?“ „Nein.“ „Diese auch nicht?“ „Nein“. „Also nur diese?“ „Ja“.

Der Professor schreibt eigenhändig auf einer Reiseschreibmaschine, blättert minutenlang in zwei Arzneibüchern, schreibt weiter, blickt schließlich auf: „Sie bekommen eine gute Kur“ – und nach einer Weile, wie um sich zu entschuldigen: „Es ist eine gute Kur, aber eine sehr harte Kur – Sie hatten zu viel Fieber, deshalb brauchen wir jetzt schnelle Resultate“.

Drei Tage noch leide ich, teils unter der Krankheit, dann mehr und mehr unter der Therapie. Am vierten Tag kann ich wieder frei atmen, die Sonne genießen, längere Zeit spazieren gehen, Kräfte für den Alltag zurückgewinnen. Es ist mittlerweile Samstag, die Beine tragen mich wieder für ein paar Stunden, und wir haben herrlichen Sonnenschein: Heute wird richtig gegessen, abends in der Budapester Innenstadt, mitten im Leben.

 

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