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Ich bin noch zu einer Zeit aufgewachsen, als die Kulturpäpste bei weitem selbstherrlicher Waren als sie es heute sind: Musik wurde scharf getrennt in E-Musik („Ernste Musik“, gewöhnlich auch als „klassische Musik“ bezeichnet (auch dann, wenn sie gar nicht klassisch war) und U-Musik (Unterhaltungsmusik), gewöhnlich als „Schlager“ bezeichnet, was auch nicht ganz zutrifft. Dazwischen tummelten sich irgendwo die Jazz-, Blues-, Folk- und sonstigen Musikliebhaber, die dem U-Sektor zugeschlagen wurden.

Kultur? Na ja. Vom hochberühmten Mozart wissen wir, dass er für ein fragwürdiges Amüsiertheater geschrieben hat, und Verdis Arien waren einst typische Gassenhauer. Als der Jazz aufkam, wurde er erst verdammt und dann glorifiziert – beides war ein bisschen daneben, denn ursprünglich war alles nur auf „jagend“ gespielter Instrumenten-Ragtime, „Chass“ eben. Erst die Schallplattenbranche brachte das neue „allamerikanische“ Produkt unter dem Markennahmen „Jazz“ heraus. Den Beboppern hing zuletzt zum Hals heraus, was die Musikbranche daraus gemacht hatte: Swing, und sie führten alles wieder ein bisschen zurück. Seither hat Jazz Kultstatus – vor allem in Japan und Europa. In den USA müssen selbst Spitzenjazzer ihren Lebensunterhalt als Barpianisten bestreiten.

Kultur? Das Kind von Cowboyschnulzen und Boogie, Rockmusik genannt, wurde zunächst von allen bekämpft, dann aber begann sein beispielloser Siegeszug: Die neue Weltmusik „Rock“ löste die alte Weltmusik „Jazz“ ab. Rock wurde Kult, und Kult wurde Kultur. Mittlerweile ist wirklich etwas dran: Rockmusiker komponieren, texten und interpretieren. Das verdient den Namen „Kultur“ dann schon.

Apropos verdienen: Bei der Diskussion um die „Quoten“ für deutsche Schlager (ja, was sind sie denn sonst?) haben sich lauter Interpreten in die Frontlinien gestellt. Die verdienen aber (vor allem am Anfang ihrer Karrieren) kaum Geld. Richtig verdient wird bei den Produzenten und Vertreibern, und recht gut stehen auch die Komponisten und Texter da.

Quoten für Schlager? Sie würden dazu führen, dass noch mehr miserable Schnulzen erzeugt würden: Die könnten professionelle Texter und Komponisten kurzfristig in Massen produzieren, und siehe: diese würden damit kräftig absahnen. Hatten wir schon einmal, bei der „Conny und Peter“-Welle: von „Ich möchte’ mit dir träu-äu-men …“ bis zum "Schugger-Schugger-baibieh“ … na ja. Vielleicht gehört das inzwischen auch zur Kultur.
 

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