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Ja, ein Dramatiker ist ein Stückeschreiber und ein Fanatiker ist ein Übertreiber – das wissen wir, spätestens seit Georg Kreislers Lied vom „Politiker“. Aber was ist bitte ein Fetischist? Das sonst so gut sortierte Online-Lexikon Wikipedia lässt uns Schnöde im Stich. Fetischisten? Sind das nicht jene Männer, die Gegenstände wie Frauenschuhe und dergleichen begrabbeln und dabei onanieren?

Gehen wir die Sache mal Stückchen für Stückchen an. Humpty Dumpty, der alte Mauersitzer, hat ja bereits zur kleinen Alice gesagt, worauf es ankommt: wer die Macht hat. Und die Macht haben halt die Wissenschaftler, wenn es um Fetischisten und Fetische geht.

Da wären zunächst die Psychiater. Die sagen, dass Fetischismus, wenn er denn extrem betrieben wird, schon ein Problem sein könne. Nun kann allerdings jede Neigung oder Beschäftigung, die bis extrem betrieben wird, eine Gefahr für die Person sein: von Arbeit bis Zwetschenschnaps und von Analverkehr bis Zungenfolter. Die „schrecklichen Perversionen“ (tatsächlich spricht man immer noch von „Abweichungen“ und „Perversionen“) sind also nichts anderes als Übertreibungen. Bei ihnen besteht stets die Gefahr, dass die Person in den Hintergrund rückt.

Die Psychotherapeuten geben sich natürlich nicht damit zufrieden, dass eine Sache existiert. Sie wollen eine Begründung und finden sie in ihren jeweiligen Schulen. Gemeinhin stimmen sie darin überein, dass es ein Ereignis oder deren mehrere in der Kindheit gab, die nun, im Erwachsenalter, eine fehlerhafte Reaktion auslöst: Und „fehlerhaft“ kann alles sein – von Kondomgebrauch, weil jener nicht der Fortpflanzung dient, bis zum Onanieren auf einen Frauenschuh, in dem kein Frauenbein steckt.

Generell wollen die Wissenschaftler, dass Männer und Frauen „sexuelle Funktionsstörungen“ haben, wenn sie mit der Liebe spielen – und Fetischisten, die sich dessen bewusst sind, spielen mit der Liebe. Sie spielen manchmal auch damit, mit der Liebe zu spielen. Lächeln wir doch einfach darüber. Nicht nur über die Fetischisten, sondern auch über die Wissenschaftler, die glauben, sie interpretieren zu müssen.

Frauen behaupten ohnehin, dass die meisten Männer Fetischisten seien, weil sie eine in erregende Dessous, Strapse und schöne Schuhe verpackte Frau stärker begehren als eine im zerschlissenen Morgenrock, von der Unattraktivität der natürlichen Nacktfroscherotik gar nicht zu sprechen. Aber auch Frauen sind häufig und gerne Fetischisten, wenn es darum geht, sich selbst anzusehen – mit oder ohne eines der 100 Schuhpaare, in denen man sich vor dem Spiegel ansehen kann. Von Frauen, die auf knackige Ärsche abfahren, und sich eine Bildersammlung davon anlegen, mal ganz zu schweigen.

Fetische sind bisweilen befremdlich – na klar. Wenn ich die Webseiten der Plüschies sehe, lächele ich auch. Aber Fetische sind eben auch bisweilen schön – vom Seidenschal über die Spitzenhandschuhe bis hin zu den Strapsen – und das samtige Gefühl auf der Zunge – das bekommt man eben nicht, wenn man nackten Druckknopfsex betreibt.

Fetische? Sie sind einfach wunderbar, wenn man sie genießen kann. Schon früher entrangen die Jünglinge der Geliebten einer Locke von ihrem Haar und bewahrten diese an einem geheimen Ort auf, um sie bisweilen anzuschmachten. Warum sollte ein Mann in der heutigen Zeit nicht noch eine Weile den Kissenbezug auf dem Bett lassen, an dem ihr Geruch noch lange haftet? Ach, sie meinen, das sei ja nun nicht fetischistisch. Nun gut. Sie sind ja auch kein Wissenschaftler, wie ich vermute.
 

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