anstoss

  sehpferdvs sehpferds magazin für anstöße und anstößiges
rosinentexte_500_x
Da ich von Huren keine Dienstleistungen in Anspruch nehme, könnte mir die Sache eigentlich egal sein: Siegfried Kauders neuer Gesetzentwurf nämlich. Der besagt, dass der Freier, wenn er „leichtfertig nicht erkenne“, dass die Frau, die ihm den Dienst erweise, eine zum Hurenjob gezwungene Frau sei, in den Knast gehen kann.

Was ist, bitte schön, eine Zwangsprostituierte? Eine ausländische Frau ohne Pass, die den größten Teil ihres Geldes einer Zuhälterorganisation abliefert? Mag sein – aber sehr viele Huren sind Ausländerinnen, und niemand trägt immer seinen Pass bei sich. Auch den Weg des Geldes erkennt der Freier nicht – man bezahlt bekanntlich bei der Frau selbst, und wohin das Geld wandert, kann der Hurenkunde nicht einmal erahnen.

Die Gesellschaftsordnung und der Journalismus sind immer schnell bei der Hand, wenn es darum gehr, mit Worten herumzuschmeißen: Von der „Zwangsprostituierten“ bis zur „Sexsklavin“, doch sind beide Begriffe so unscharf wie das ganze Vokabular, dass die Gesellschaft gegenüber Huren kennt: Im Grund wird die Hure verachtet, was sich schon daran zeigt, dass sich kein Journalist (oder jedenfalls kaum einer) nach deren Meinung zum Gesetz erkundigt. Ginge es um Frauen, die zum Frisieren versklavt werden, würde man natürlich sofort die Friseurinnung anrufen.

Was ist das Gesetz nun eigentlich? Ein Anti-Friedman-Gesetz, ein Gesetz also, das den vermeintlich Kundigen veranlassen sollen, keine russischen Importhuren für Partys zu bestellen? Oder ist es etwa ein Anti-Prolo-Gesetz, das die Bumsbusse nach Tschechien stoppen soll? Siegfried Kauder hat sich zwar klar ausgedrückt, bei welchem Anlass er auf die Gesetzesidee kam, doch spielt der Anlass keine Rolle: Ist es nicht in Wahrheit ein Gesetz, dass die Prostitution generell stoppen soll, weil jeder mit einem Bein im Gefängnis steht, der auch nur Kontakt mit einer Hure aufnimmt?

Ich habe den Verdacht, dass in Wahrheit Letzteres gemeint ist. Der Hurenberuf soll aufs Neue diskriminiert werden, die Ausübung erschwert oder verunmöglicht werden. Man sagt zwar „Freier“ meint aber „Huren“ – Parallelen zu Schweden werden deutlich. Dort findet die Prostitution angeblich plötzlich nicht mehr statt, seit die in der Öffentlichkeit erkennbaren Freier mit Geldstrafen bedroht werden – sagen die Befürworter. Vielleicht glauben sie auch noch an Grimms Märchen, denn wo Freier in der Öffentlichkeit bedroht werden, gehen sie eben in Untergrund-Bordelle – was dort geschehen mag, stellen wir uns lieber nicht vor. Schwedische Doppelmoral eben: Was man nicht sieht, existiert auch nicht.

Ja, man könnte eine Glosse schreiben: Wird es jetzt einen Ausweis als „zertifizierte Qualitätshure“ geben? Muss man sich die Steuernummer geben lassen, um zu beweisen, dass man sich nicht „leichtfertig“ ihrer Dienste bedient hat? Nein, nein, so etwas sollte man gart nicht erst anfangen. Lieber sollte man mal hinhören, was die Huren selber zu dem Thema sagen, doch dass tun angesehene deutsche Parlamentarier natürlich nicht – die Gesetze werden von Leuten eingebracht, die sich in der Kriminalistik auskennen mögen, denen aber die einfachen Alltagsqualitäten fehlen: Hätten sie diese, so würden sie die Frauen auf der Straße und in den Bordellen anhören, bevor solche unsinnigen Gesetze eingebracht würden.

Anstoß war ein Artikel in der TAZ
 

Add to Technorati FavoritesMy Popularity (by popuri.us)

twoday.net AGB

xml version of this page

powered by Antville powered by Helma