anstoss

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Nicht mehr ganz neu, aber dennoch attraktiv: Die Welt mal ganz anders gesehen – in diesem Fall vor allem durch eine Glasscheibe und von unten.

Wahrscheinlich haben viele Menschen „Shocking“ gesagt, als sie diese Fotos gesehen haben, über denen denn auch Shock steht. Wer zwei- oder dreimal hinguckt, findet dann aber auch noch heraus, dass sie nicht nur ganz schön schockierend, sondern eigentlich auch oft schockierend schön sind.

Das wöchentliche Geblubber aus den Algen

Diese Woche habe ich wenig Stoff vorgefunden, um die Art von Artikeln schreiben zu können, die sich so liebe: Humorvolle Nichtigkeiten von Menschen, die nicht einmal prominent sind, sondern nur etwas getan haben, was man von ihnen nicht erwartet hätte. Doch es gibt eben nicht jeden Tag eine Chinesin, die mit einem einzigen Aktfoto einen Sturm auf eine Webseite auslöst, ebenso wenig, wie es jeden Tag eine Nachrichtensprecherin gibt, die sich splitternackt auf der Bühne präsentiert – und auch keine Engländerin, die ihre Jungfräulichkeit versilbert.

Statt dessen kamen lauter Nachrichten, die mich stutzig machten: Dieser oder jene Blogger schreibt einfach viel weniger, dort gibt einer ganz auf, und am Ende fasst dann auch noch einer alles zusammen: Ja, es wird weniger.

Wir haben etwa 10.000 deutschsprachige Blogger, und sie alle buhlen um einen ganz kleinen Kreis von Lesern. Machen wir uns nichts vor: Artikel, die zehn Mal gelesen werden (oder beguckt, damit ich nicht wieder in eine Diskussion um Leser komme) zählen schon zu denen, die ein wenig populär sind. Diejenigen, deren Artikel einhundert Mal angeklickt werden, haben schon eine große Leserschaft, und wer gar 1000 oder mehr Zugriffe zählen kann, hat schon sehr, sehr viel Erfolg. Doch wir alle brauchen Leser. Niemand, es sei denn ein Hund, kläfft auf Dauer den Mond an.

Also müssen wir uns etwas einfallen lassen, und zwar etwas Gutes: Misanthropen interessieren nur andere Menschenverächter, und eigentlich sind sie zu nichts wirklich zu gebrauchen. Hier werden sie (wie überall) oft mit den Kritikern verwechselt: Ein Kritiker erkennt, dass eine Person etwas besser machen könnte und weist ihn darauf hin, ein Misanthrop sagt sich und anderen, das alles ohnehin zu nichts nütze ist.

Auch der Einfall, hier Seelenmüll abzuladen, ist nicht sehr originell: Wer wirklich Hilfe sucht, findet sie besser vor Ort im persönlichen Gespräch von Auge zu Auge. Wer bloggt und dabei ständig wieder über seinen Seelenzustand jammert, gerät in die Gefahr, dass sein Leid kultiviert wird – und trägt dabei auf Dauer Schäden davon.

Was also brauchen wir? Erstens, gute, interessante Geschichten vor allem, denn wenn sie gut erzählt sind, dann achten wir nicht mehr auf die nichtigen Anlässe, aus denen heraus sie entstanden sind. Zum Zweiten humorvolle Zeitzeugnisse, Dinge, die für das Heute wichtig sind, aber morgen noch Aufschluss darüber geben könne, was uns gerade in diesen Tagen bewegt hat. Nein, nicht denjenigen, der so etwas daheim vom Spiegel abliest, sonder denjenigen, der heute einem Bettler einen Euro schenkte. Das also brauchen wir, und das wird auch Leser bringen.

Was wird am Ende bleiben von denen, die jetzt bloggen? Drei Gruppen, denke ich: Zunächst die Geschichtenerzähler, ich erwähnte sie schon. Dann die Zeitzeugen, die über den Tag hinaus zu denken wissen. Dann diejenigen, die Nachrichten in die Welt bringen, die andere verschweigen: Noch immer werden Millionen von Menschen daran gehindert, frei und unzensiert zu sagen, was in ihrem Land geschieht. Schließlich bleiben die, die vorhandene Nachrichten sammeln, selbst wenn sie so überflüssig und nicht sagend sind, wie meine. Denn eines ist sicher: Blogs sind unglaublich interessante Archive des Zeitgeschehens – und das ist schließlich auch schon etwas.

 

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