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Nik Cohn, Jelly Roll Morton, Charles Mingus und schließlich - ich

Der Autor Nik Cohn enthüllt, wer sein Vorbild war, als er zu schreiben begann: Jelly Roll Morton. Im englischen GQ (July 2005). „Wer“, werden nun die Connaisseure der Literatur entsetzt fragen, „wer um des Himmels willen war dieser Jelly Roll Morton?“, und wenn sie so fragen, dann mag ich ihnen vielleicht antworten: „Ein Puffmusiker“, was mindestens nicht gelogen ist.

Jelly Roll Morton? Ein Genie, ein begnadeter Komponist, Arrangeur, Pianist und Leiter eines kleinen Orchesters, der “Red Hot Peppers”, einer von vielleicht einem Dutzend wirklichen Genies der Jazzgeschichte, jemand, dem die Realität nie gut genug war: Fantasie musste sie ergänzen, um strahlende Bilder der Wirklichkeit entstehen zu lassen, die es so jedenfalls in jeder faden Wirklichkeit, in der andere lebten, nie gab.

Ich selbst erkenne mich darin wieder. Die Wirklichkeit? Nun ja. Sie wissen ja vermutlich selbst, was sie alles brauchen, um ihr Ego aufzupolieren: Taschen, Kugelschreiber, Schuhe, Manschettenknöpfe, Ohrringe, vielleicht einen Sportwagen. Und wissen sie, was passiert? Dann haben sie alles und liegen nachts allein in einem Bett und wünschen nichts mehr, als dass sich jemand zu ihnen legt. Freilich, auch das können sie kaufen – ist aber netter, wenn man ein bisschen Vertrauen zueinander hat und hinterher vielleicht noch kuscheln kann.

Ach ja, die Wirklichkeit? Wissen sie, diese Wirklichkeit ist ja ab und an ganz nett, aber langfristig ist sie – nun ja, sie ist einfach so langweilig, wie die Wirklichkeit eben ist. Also beginnen sie zu malen, oder zu schreiben, oder meinetwegen ein Schloss zu renovieren.

Vor Jahren las ich noch sehr viel Paul Watzlawick: „Wie wirklich ist die Wirklichkeit?“ Seither ist mir klar, dass ich in meiner Wirklichkeit leben kann, solange ich will, aber dass meine Wirklichkeit eben viel wirklicher wird, wenn ich auch nur einen einzigen Menschen finde, der mit mir in die gleiche Welt ziehen will: Wir bauen die Wirklichkeit. Wir bauen sie durch Kommunikation.

Ich, für meinen Teil, habe noch die alte Art von Fantasie, die den Nachkriegskindern eigen ist: Ein Stückchen Butterbrot ist kein Stückchen Butterbrot, sondern ein Auto, ein Schiff, ein Flugzeug: Ich will, dass es etwas ist, und also ist es das. Die Wirklichkeit ist bei mir im Kopf und nirgendwo sonst.

Bei mir war es – sie lesen es im Titel – nicht Jelly Roll Morton sondern ein Mann namens Charles Mingus. „My Jelly Roll Soul“ hieß eines seiner Stücke, und er war – wie Jelly Roll Morton – ein Genie der Neuzeit, ein Mann, der komponierte, arrangierte, einen Kontrabass mit kräftigen Finger spielte, sodass es den Leuten in den Ohren dröhnte, jemand, der einem Kritiker auch schon mal die Faust ins Gesicht schlug, wenn er zu dämlich kritisierte, ein Förderer junger Talente, ein feinsinniger Mensch, der nie verwand, vielleicht eine Mitschuld am frühen Tod von Charles „Bird“ Parker gehabt zu haben.

My Jelly Roll Soul, my Charles Mingus Soul. “Du verhältst dich so eigenartig, wenn du seine Musik hörst”, sagten die Leute, schüttelten den Kopf und meinten, ich würde schon auch noch anders denken lernen. Damals schrieb ich viel – Dinge, die niemand verstand. Ich machte einen Fehler: Ich hörte auf zu schreiben. Ich wusste nicht, dass ich hätte weiterschreiben müssen, weil mich niemand verstand. Dann wäre ich vielleicht einer dieser neuen deutschen Schriftsteller geworden. Es dauerte lange, bis ich wieder zu Schreiben begann. Geschichten wie diese, zum Beispiel.

Wenn Sie bis hierher nichts verstanden haben, dann haben sie mich nicht verstanden. Haben Sie Geduld mit sich. Vielleicht lernen sie es ja noch.

Im Bereich „Information“ erhielt das Bildblog den diesjährigen „Grimme Online Award“. Herzlichen Glückwunsch, Bild Blog.

Männer, so heißt es in dem Blog einer Dame der einschlägigen Zunft, würden sich oft scheuen, von ihren Frauen Oralsex zu bekommen. Die Begründung: „Ihh gitt, und wenn sie nachher mit diesen Lippen meine Kinder küsst“.

Irgendwie denke ich, Zähneputzen ist billiger als der Besuch bei einer Hure, aber vielleicht gibt es für die Saubermänner dieser Art ja auch noch andere Gründe. Zu einer Hure zu gehen – sie wissen schon, die alte Moderegel: Es ist nicht so sehr der Stoff, es ist die Machart.

Eine Hure hat offenbar in Indien einen Marxisten im Wettkampf um das meistverkaufte Sachbuch geschlagen. Ziemlich ungleicher Kampf, wenn sie mich fragen.

Die Ungeheuer von Loch Ness im Erotik-Bereich haben viele Köpfe. Einer davon ist „Pornografie für Frauen“. Typische Artikel: Sie sucht etwas, das sie gewaltig anmacht, findet aber irgendwie nur Schwanzparaden, die sie nicht so toll findet.

Die gegenwärtige Autorin landete bei einem Film, der ihr zu zahm war: Von Frauen für Frauen nach der Art „Er kam in meine Wohnung und dann trieben wir es überall“.

Ach, lesen sie doch selbst.

 

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