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Das wöchentliche Geblubber aus den Algen – meist sonntags

Nichts ist schwerer als umzudenken – man muss das, was einem lieb geworden ist, aufgeben, muss den Karawanen folgen und nicht mit den Hunden bellen. Aber kaum etwas ist schwieriger, als den Wandel zu vermitteln. Was die politischen oder weltanschaulich orientierten Blogger betrifft, so bellen sie ohnehin lieber mit den Hunden. Da muss man schon nichts aufgeben.

Der Wandel? Erstens – pragmatischer werden. Ideologien über Bord werfen und statt dessen nach möglichen Lösungen suchen – und dies konsequent. Zweitens: Mehr Gemeinsinn entwickeln. Nicht die Hand aufhalten, damit der Staat Geld hineintut, sondern Ideen entwickeln, damit durch das eigene Handeln alle zu Arbeit und Wohlstand kommen. Drittens: Sich der Welt öffnen und sehen, wie es andere machen – und von dem, was sie tun, lernen, wenn es Erfolg bringt. Viertens: Schnell und flexibel handeln – nicht warten, bis das fünfte oder sechste Gutachten nebst Gegengutachten vorliegt, sondern mutig politisch handeln. Vor allem aber fünftens: Sich bewusst werden, dass diese Welt nicht durch andere, sondern nur durch jeden Einzelnen von uns verändert werden kann – und heute damit beginnen. Ja, jetzt, sofort.

Die Spinner dieser Gesellschaftsordnung – gleich ob sie auf der rechten oder auf der linken Seite stehen, zeichnen sich all dadurch aus, dass sie auf „den großen Wurf“ warten: Nein, nicht „eines Tages wird mein Prinz kommen“ und nicht „im Wartesaal zum großen Glück“, aber durchaus ähnlich – im Grunde Politikkitsch. Die Grünen scheinen gerade ein wenig damit aufzuräumen - jedenfalls scheinen sie von ihrer Integrationsromantik Abschied zu nehmen.

Es wird Zeit, ein Wort wie „Verantwortung“ ins Spiel zu bringen. Bürger einer Stadt ist nur, wer sich auch für die Belange der Stadt einsetzt, die ihm ein freies, unabhängiges, vielfältiges Leben ermöglicht. Doch viele der Bewohner der Städte sind gar keine Bürger, sondern „Stadtkonsumenten“. Gerade sieht man es in Freiburg, wo sich Bürger hinter ihren Wohnungen wie auch hinter ihren Ideologien verschanzen – aber auf der anderen Seite weder mit Geld noch mit Ideen dazu beitragen wollen, ihre Stadt wieder lebensfähig zu machen – denn Freiburg ist hoffnungslos überschuldet.

Ich weiß, was ich schreibe, interessiert kaum jemanden. Wer will sich schon den Pelz waschen lassen? Wenn ich in das Gejammer um das Arbeitlosengeld-II einstimmen würde, hätte ich mehr Leser. Wenn ich sagen würde, dass man Familien viel mehr Geld geben muss, damit es mehr Kinder gibt, auch. Wenn ich gar in das derzeitige evangelisch-gutmenschlich geprägte Lamento über angebliche 40.000 Sexsklavinnen mitsingen würde, sicher ebnenfalls. Aber ich habe nicht vor, die BILD-Zeitung der Blogs zu werden. Sieht man sich an, was die angeblichen Topdogs der Szene schreiben, so muss man sich als Autor eigentlich schämen.

Ich habe letzte Woche ein heißes Eisen augegriffen: Ein junger Mann hatte offenbar beschlossen, mit Hilfe einer Feuerwaffe in Antwerpen so viele Ausländer umzubringen, wie er Munition hatte. Er wurde von einem mutigen Polizisten in Zivil gestoppt, nachdem er bereits zwei Menschen umgebracht hatte. Die Sache wird heiß gekocht, weil Verwandet von ihm einer rechtsextremitsischen Partei angehören - und weil ein belgischer Blogger in Verdacht geraten ist, die Sache indirekt unterstützt zu haben.

Blogs haben in Europa kaum noch eine Zukunft – daran ändert auch nichts, dass immer wieder Leute in Hurrageschrei verfallen. In Wahrheit werden mehr und mehr Homepages, die ansonsten ein tägliches Update erfahren müssten, auf Blogs umgestellt – und Web 2.0 interessiert ohnehin nur als Ideologie, nicht aber für die Praxis. Wer glaubt, dass Blogs gute und wichtige Informationen enthalten müssten, sieht sich ohnehin getäuscht: Das beliebteste Blog in Deutschland ist das „BILD-Blog“, das ja nichts tut, als auf Probleme und Irrtümer der BILD-Zeitung zu reagieren, mit 1,3 Millionen Zugriffen pro Monat. Wer von hohen Zugriffszahlen träumt, sollte, wissen, dass sich sogar die Blogger, die sich gegenseitig hochjubeln, im Schnitt auf etwa 50.000 Zugriffe pro Monat kommen – während die Einzelkämpfer nur sehr selten mehr als 3.000 Zugriffe pro Monat erreichen – und das läge eigentlich schon unterhalb der Grenze, bei der man von „Popularität“ sprechen kann.

Ich liege – im Übrigen – (in meinem neuen Blog) auch noch unterhalb dieser Grenze – und ich sehe kaum einen Weg, um wesentlich populärer zu werden, als ich es hier bei twoday war: Gegen 10.000 Zugriffe pro Monat waren da schon drin. Doch immerhin lesen mich ein paar Redakteure – und das ist mir oftmals wichtiger, als dass eine Google-Suche mit „Severina Vuckovic“ bei mir landet – davon hätte ich inzwischen über 42.000 zu bieten.

Ich wünsche Ihnen vor allem einen schönen Sonntag – und etwas Sonne.

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