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Wer behauptet eigentlich, Blogs seien nichts wert? Ich jedenfalls nicht. Ich nutze den Wert, den sie mir bieten. Das ist vorläufig einmal alles. Aber ich habe etwas gegen Leute, die dünnhäutige Luftballons so lange ausblasen, bis der Inhalt nicht mehr zu verbergen ist: heiße Luft - oder eben "Web 2.0".

Einer schreibt’s vom anderen ab: Social Software. Es macht sich besonders gut, wenn man Fremdwort an Fremdwort reiht und Behauptung an Behauptung.

Es handelt sich bei ihnen also um „social software“ par excellence, die auf ganz eigene Weise öffentliche (weil potenziell netzweit verfügbare) und interpersonale Kommunikation in sozialen Netzwerken unterschiedlicher Reichweite miteinander verbindet“.

Bei anderen Religionsgemeinschaften als dem Bloggertum würde man am Schluss solcher Sätze „Amen“ sagen

Im Februar/März ist „Mindestens Haltbar“ mindestens noch haltbar. Wie gewohnt ein bisschen verspielt – das ist dann auch einer der Titel. Ich mache keinen Hehl aus zweierlei: erstens, dass ich die Leute bewundere, die so etwas überhaupt auf die Beine stellen. Zweitens, dass ich es nicht mag – so eine Art Poesiealbum für Mädchen, die in die mittleren Jahre kommen.

Ob man damit Geld machen kann? Bloxbox ist ein neue Versuch, Blogs irgendwie bekannt zu machen – nicht der erste dieser Art: Man nehme Blogs, so etwas wie eine Suchmaschine, einen Haufen Empfehlungen, von denen man nicht so genau weiß, wie sie funktionieren, ein paar Artikelchen (überwiegend Blogbrimborium und Allgemeinplätze, die sowieso überall herumschwirren und fertig ist das Blogportal.

Blogger lobhudeln bereits: „Das sind - wie so oft - nette und gescheite Leute aus der Schweiz, die Sandra Lehmann um sich geschart hat.“. Fragt sich, wer Sandra Lehmann ist. Aber noch mehr, warum sie dies tut.

Blogywood, einer der fleißigsten Blogger mit einem Gemischtwarenladen, gibt auf: Er beteiligt sich offenbar an einem neuen Projekt mit dem Namen Ziever – vorläufig existiert dort nur etwas auf Niederländisch. Mal sehen, wohin den Weg ihn führt.

Angeblich gibt es abermals einen riesigen Sturm der Blogger gegen ein althergebrachtes Medium. Es geht um einen Beitrag des Schweizer Radios DRS3, und die üblichen Verdächtigen bezeichnen es als „Käse“, was dort produziert wurde.

Mir ist es eigentlich gleichgültig: ich bin ja kein Schweizer. Aber man müsste DRS3 vielleicht das gleiche Recht auf Meinungsfreiheit zusprechen, dass jeder Computerbesitzer in letzter Zeit ganz selbstverständlich wahrnimmt: Irgendeine Meinung zu publizieren.

Im Übrigen geht mir das Hurrageschrei der Blogfeldherren langsam auf den Keks. Wenn sich beispielsweise die Anzahl, der Weblogs alle fünf Monate verdoppelt, so ist dies eher kontraproduktiv – denn dadurch hat jedes Blog im Schnitt weniger Leser. Doch davon haben wir alle schon jetzt viel zu wenig - oder mit anderen Worten: Der Markt ist längst übersättigt, auf den jetzt noch ein paar weiße Glücksritter strömen. Der einzige Erfolg, über den man reden könnte, wäre, wenn es inzwischen mehr Leser pro Blog geben würde.

Doch das Nachdenken ist den Hochjublern wie beispielsweise Technorati natürlich fremd. Vielleicht sollten sie einmal einen Mathematiker konsultieren, was passiert, wenn sich die Bloganzahl tatsächlich alle 5 Monate verdoppeln sollte – aber eigentlich brächte man dazu keine Mathematik: Hirn einschalten vorm Schreiben würde schon reichen.

Nein, nein, ich schreibe keine Nachrufe mehr, schon gar nicht für verstorbene Erotikblogs. Immerhin hatte dayaneera am 12.02 um 19:17 noch einen Eintrag hinterlassen, der so gar nicht nach Bloggende aussah, und eine neue Email-Adresse gab es auch.

Es wäre doch interessant zu wissen, warum jemand den Schalter von einem Tag auf den anderen umlegt. Das Blog war bisweilen geistreich, in der Tendenz zielte es aber auf die üblichen männlichen Erotikkonsumenten ab, die mit Obszönitäten bei Laune gehalten wurden.

Bei dieser Gelegenheit fällt mir auch ein, dass Filterprogramme auch Blogs im Visier haben: Erotikblogs werden von ihnen abgefiltert und die Autoren verlieren dadurch jene Leser, die mal während der Arbeitszeit ein Auge riskiert haben. Wird das Blog dann unter anderem Namen wieder eröffnet, so dauert es eine Weile, bis die Filterprogramme fündig werden, und man kann wieder eine Weile herumschweinigeln.

"Für mich bedeutete Bloggen nur, irgendwelchen Schmarrn zu schreiben".

(Rainer Meyer, aka „Don Alphonso“, Jahrgang, 1967, Blogger), gegenüber "webwatching".

Mein einziger Kommentar: Das hätten sie nicht erst im Interview sagen müssen, Herr Meyer – man merkt es Ihrem Blog an.

Versuch einer Replik auf Dieter Rappolds Beitrag in "report.at"

Das Web ist die Nutzung kollektiver Intelligenz“ lese ich heute und reibe mir die Augen: der Autor ist KNALLGRAU-Geschäftsführer Dieter Rappold. Nun, viele werden diesen Satz einfach überlesen, andere werden ihn glauben, wieder andere werden ihm widersprechen – aber er ist so falsch, wie nur eine Behauptung falsch sein kann.

Zunächst einmal ist das Web keine Nutzung, sondern bestenfalls die Basis, um etwas Nutzen zu können. Dann besteht die Möglichkeit, dass Menschen in dieses Netz kommen, die ihre Intelligenz dort verewigen und erst dann kann man die Intelligenz nutzen. Ich habe „kann“ gesagt. Denn was da geschrieben wurde, mag für die Projekte einiger Universitäten zutreffen, sicher auch für große Teile von Wikipedia und vielleicht sogar noch für einige engagierte private Sammler von Spezialinformationen, die dort gemeinsam mit anderen gehegt und gepflegt werden – aber: Es geht natürlich auch umgekehrt.

Denn auf jeden intelligenten Beitrag im Netz kommen 1000 dümmliche, dreiste und überflüssige Beiträge, die bestenfalls noch der kollektiven Großmannssucht, der Besserwisserei, der Verbreitung von Vorurteilen, der Zunahme von Halbwissen und letztendlich auch der kollektiven Verdummung dienen.

Natürlich verstehe ich, dass man sich eine schöne neue Medienwelt nach der Art der Blogpropheten herbeireden will, und ja, ich verstehe auch, dass man dabei schönfärbt und die wenigen Glitzersteinchen wie beispielsweise „Wikipedia“ hervorholt. Nur: Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer, und bisher haben die meisten Österreichischen und schweizerischen und deutschen Blogger noch nicht einmal bewiesen, dass sie zu einer vernünftigen Recherche fähig sind – von sonstigen Mängeln einmal ganz abgesehen.

Dabei stimme ich dem Herrn Rappold im Prinzip durchaus zu – nur unter ganz anderen Vorzeichen. Wenn er, der einige Mittel dazu in den Händen hält, nämlich wirklich will, dass Blogs zu einem mächtigen Medium in deutschsprachigen Ländern werden, dann müsste er auch entsprechende Schritte in dieser Richtung unternehmen – beispielsweise, neue Strukturen zu schaffen, in denen sich Schreiber und Leser besser finden können. Blogger brauchen Markt, auch wenn das die Rebellen ohne Markt noch nicht wahrhaben wollen.

So lange dies so ist, versuchen sich andere am Erfolg. Bislang werden nämlich diejenigen, die wirklich Einsicht in Politik, Wirtschaft und Kultur haben und auch beim Recherchieren und Schreiben noch Gutes und Interessantes leisten, vor allem in der Nähe von Zeitungen und Zeitschriften gesichtet – in Blogs. Nur: das hat so gar nichts Sensationelles an sich, sondern ist einfach ein Experiment im Alltag. Von Web 2.0 und solchen Dingen ist dabei noch nichts zu spüren.

Die Erfolge im Ausgangsartikel sind lapidar. Die so genannten „Trends“, die dort beschrieben werden, sind in Wahrheit Einzelaktionen. Wo Blogs für das Marketing genutzt werden können, werden sie auch angelegt. Aber das ist ebenfalls keine Sensation und berechtigt nicht zu der unglaublichen Euphorie, die allenthalben verbreitet wird.

Warum beispielsweise, verweisen der Artikel, wie so viele andere Artikel auch, auf diese lächerlichen Strohfeuer, über die sich Bloggerinnen und Blogger gelegentlich freuen wie die Sandkastenkinder? Was ist denn so toll daran, wenn in der gesamten deutschen Blogosphäre zweimal im Jahr wegen Nichtigkeiten ein großes Feuerwerk veranstaltet wird, sei es von Jens Scholz oder auch vom Spreeblick? Wollen unsere Leser wirklich solchen Pipifax? Nun kommen sie mir bitte nicht damit, dass wir Pro(ducer)(Con)sumer wären – das sind meist nur die Blogger, die sich gegenseitig lesen und auf diese Weise ihr schräges Weltbild formen. Nein, wenn wir wichtig, wenn wir bedeutsam, wenn wir meinungsbildend werden wollen, dann brauchen wir außer erheblich höherer Qualität vor allem Leser, Leser und nochmals Leser.

Wie wir alle wissen, fallen die nicht vom Himmel. Der Leser interessiert sich aber nur dann für uns, wenn wir uns als verlässliche Produzenten von Nachrichten und Kommentaren erweisen – und vielleicht sogar von Sensationsberichten über Stars und Sternchen. Sehen Sie, wir können die Boulevardpresse beschimpfen und sogar ein leidlich erfolgreiches (Anti-)BildBlog aufbauen – aber all das ist lediglich Reaktion. Wann beginnen wir, ein besseres Boulevard zu machen? Sie kennen die Antwort. Die großen Macker in der Bloggerszene wollen es nicht, die anderen können es nicht, weil sie allein zu schwach sind.

Wir tun uns keinen Gefallen, wenn wir Popanze verehren, wie etwas die „Macht der Blogosphäre“. Wir täten alle besser daran, am langfristigen Erfolg neuer Medien zu arbeiten – ohne Euphorie, aber mit Augenmaß und Sachverstand – vor allem aber mit einer neuen Orientierung an den Konsumenten, denn eines wissen die Macher der neuen Medien doch genau: Web 2.0 unterscheidet sich von Realität 2006 in fast gar nichts. Wie schreibt Herr Rappold doch? „Es wird entscheidend sein, die digitalen Welten dieser Zielgruppen zu verstehen und entsprechende Angebote liefern zu können“. Dafür erwarten wir Perspektiven, die auch dann noch gültig sind, wenn sich Weihrauchschwenker wie auch Nebelkerzenwerfer um das angebliche „Web 2.0“ einmal verzogen haben.

Wie man einen unendlichen langen Artikel aus Versatzstücken schreiben kann und dennoch nichts zu sagen weiß, beweist die Redaktion von „Choices“. Die neuen Medien sind es, namentlich die Blogs – eine „wunderbare Entwicklung“. Natürlich sähen es die „etablierten Medien“ nicht gerne, fühlten sich gar „von der Konkurrenz bedroht“ und das Einzige, was ihnen einfiele, sei, die neuen Medien zu geißeln und lamentieren.

Was fällt einem da ein, wenn man so etwas liest? Dem Kundigen wird klar, dass die Redaktion offenbar an Realitätsverlust leidet, doch vielleicht glaubt es einer der Leser wirklich – und um dies zu unterstützen, wird gleich der (sehr ungeeignete) Fall des in den Blogs mit Häme bedachten – Jean Remy von Matt. Zwar wurden seine Klowände außerhalb eines harten Kerns der deutschen Bloggerei nirgendwo bekannt – doch wer will das schon noch glauben, wo die Sache doch angeblich im Spiegel Furore machte? Die Mücke ward zum Elefanten – für einen kurzen Moment. Heute ist sie wieder Mücke. Mehr verdient sie auch nicht zu sein.

So schafft man eine Pseudorealität, die mal so, mal anders untermauert wird: Mal sind Leser wichtig, gar solche, die ausdrücklich als „Konsumenten“ bezeichnet werden, mal sind sie offenbar doch nicht so wichtig: „Es käme nicht auf die bloße Zahl der Leser“ an, wird der SPIEGEL orakelnd zitiert,

Wer so hoch pokert, um sich wichtig zu tun, dem fällt offenbar schon gar nicht mehr auf, dass die Wahrheit, zwischen die Zeilen gebracht, ernüchternd ist: Zitat „Uns erwartet ein neues goldenes Medienzeitalter. Nicht unähnlich der Zeit, als … Journalisten an jeder Straßenecke auf eine neue Story lauerten. Nur mit dem Unterschied, dass die Journalisten heute nicht mehr an der Straßenecke, sondern am Computerbildschirm lauern müssen.“

Genau so ist es nämlich. Die so genannten „Journalisten“ sitzen vor Computerbildschirmen und schreiben ab, was andere in der Welt gefunden und recherchiert haben – und dann lamentieren nämlich genau sie, und verbreiten Meinungen und Vorurteile jedweder Geschmacksrichtung. Rebellen ohne Moral zusagen, aber mit dem festen Glauben in ihren Köpfen, dass sie – und nur sie – Zugang zu den allein selig machenden Wahrheiten hätten.

Wir paradox die Situation in Wahrheit ist, hat „Choices“ in einem Nebensatz aufgedeckt. Dort steht nämlich: „Wer immer die Inhalte bietet, die der Konsument wünscht, wird prosperieren“ – also werden die meisten der deutschen Blogs, über die heute noch diskutiert wird, wohl verschwinden, denn sie fürchten den Nachrichtenkonsumenten wie der Teufel das Weihwasser. Und wenn „Choices“ Recht behält, dann profitieren sie auch nicht: Sie gehören nämlich nicht zu denen, die sich mutig den Herausforderungen des neuen Mediums stellen, sondern eher zu den dort genannten „Selbstbemitleidern und Anklägern“, die in Wahrheit nicht weiter wollen, als die ausgelutschten Ideologien der 68er auch noch ins 21. Jahrhundert zu retten.

 

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