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Die kampferprobte katholischen Presse hat gerade einen neuen Coup gelandet: Sie schickt ihre Chefredakteurin Petra Biermeier ins Rennen, um zu beweisen, dass der eigentliche Feminist dieser Erde der in Rom residierende Papst ist.

Der Artikel kann als unmittelbare Reaktion der katholischen Frontpresse auf zahlreiche Artikel es heutigen Tages verstanden werden, in denen unabhängige Journalisten als „Sommerloch-Agenturschreiber“ verunglimpft werden.

Die Tatsachen halten dem nicht stand: Zwar beginnt der „Brief an die Frauen“ vom 29. Juni 1995 moderat, er sagt aber letztendlich auch nichts mehr als dies: Frauen sind Randerscheinungen der Geschichte. Wer sich bemüht, sich durch das Lobgehudel der ersten Kapitel durchzuwühlen, fällt bald in die katholische Realität zurück:

„Ich denke an die lange Reihe von Märtyrerinnen, von Heiligen, von außergewöhnlichen Mystikerinnnen. Ich denke in besonderer Weise an die heilige Katharina von Siena und die heilige Theresia von Avila… und wie wäre hier sodann nicht an zahlreiche Frauen zu erinnern, die auf Antrieb ihres Glaubens Initiativen ins Werk gesetzt haben von außerordentlicher sozialer Bedeutung im Dienst vor allem der Ärmsten?“.

Frauen, erkennt eure Rolle. Der Papst hat gesprochen.

Frauen, ihr dürft euch freuen: Ihr seid die tragende Säule der katholischen Kirche. Freilich solltet ihr euch nun nicht aufschwingen, etwa Bischöfin oder gar Päpstin werden zu wollen, sondern: „Vielmehr müssten die dem fraulichen Geschlecht verbundenen Aufgaben neu entdeckt und in Gesellschaft und Kirche eingebracht werden.“

Ich dachte es mir schon. Autor ist diesmal nicht der Papst von Rom, sondern einer seiner Seelsorger: Erzbischof Ludwig Schick. In der üblichen Doppeldeutigkeit katholischer Moral weist der Bischoff zwar darauf hin, dass Maria Magdalea eine Apostelin gewesen sei (Glückwunsch zu dieser Erkenntnis, Herr Bischof), dass mehr aber nicht drin wäre:

„Die Fraulichkeit und die Mütterlichkeit müssten beim weiblichen Geschlecht gesehen, als Schatz gehoben und für die Gesamtgesellschaft und für die Kirche fruchtbar gemacht werden.“

Sehr bekömmlich klingt das nicht.

Nach mehreren Presseberichten soll der Papst von Rom jetzt den Feminismus für zahlreiche soziale Probleme der westlichen Welt verantwortlich machen. Der Staat wird demnach aufgefordert, dafür zu sorgen, dass Frauen ihre „Pflichten in der Familie“ nicht vernachlässigten.

Fragt sich, wie die Altherrengemeinschaft zu Rom so etwas beurteilen kann.

Die heimliche Gewinnerin der als „St. Pöltener Sex-Skandals“ bekannt gewordenen Affäre soll nach Presseberichten die katholische Nachrichtenagentur kath.net sein: an einem einzigen Tag besuchten jetzt 12.500 Surfer die Webseite.

Doch wie es scheint, arbeitet das „kath.net“ gerade fleißig an der Produktion von Persil-Scheinen: Schuld an dem ganzen Skandal ist nämlich (wir ahnten es) die Presse. Zitat: „Man beachte auch, dass die Fleischeslust nicht die schlimmste, sondern nur die pressewirksamste aller Sünden ist“.

Meine Leser dürfen gespannt sein, wann die katholische Presseagentur auch noch den Schleudergang einlegt, und wie sich die Webseite von Bischof Dr. Kurt Krenn weiter entwickelt.

Was haben wir uns nicht alles über den römischen Staatsmann Nero in der Schule anhören müssen: Ein Wahnsinniger auf dem Thron der Cäsaren sei er gewesen, Rom habe er angezündet und die Christen habe er in Scharen von den Hunden fressen lassen.

Wahr ist davon wahrscheinlich gar nichts. Die Christenheit hat die römische Geschichte einfach so hingedreht, wie es ihr gefiel.

Was immer in diesem merkwürdigen St. Pölten auch passiert sein mag – es ist nur ein Beweis mehr, dass die katholische Kirche in der Form, in der sie sich heute verfasst hat, nicht mehr tragbar ist. Das ist wirklich noch das Zurückhaltendste, was man dazu sagen kann.

Priestern muss ein normales Sexualleben so offen stehen wie jedem anderen Gläubigen auch. Das würde die katholischen Seelsorger glaubwürdig machen. Dass in der Bibel kein Sterbenswörtchen von der Ehelosigkeit der Priester steht, brauche ich wohl nicht zu erwähnen.

Nachtrag: Da über dieses Thema bereits anderwärts genug geschrieben wird und ich meine Meinung klar gesagt habe, hier der Link, der zur Vielfalt der Meinungen führt.

Nun haben wir es schriftlich, von einem Bundesgericht: Die Bevorzugung der christlichen Kulturwerte in Baden-Württembergs Schulen bedeutet nicht, dass die christliche Religion bevorzugt wird, sonder das Gesetz betreffe „alle Religionen und Weltanschauungen“.

Wenn es denn alle Religionen und Weltanschauungen beträfe, dann müssten Nonnen wohl demnächst in ordentlicher Schulkleidung zum Unterricht erscheinen, und sämtliche Fische und Christenkreuze wären vor der Tür des Klassenraums abzulegen.

Freilich ist daran überhaupt nicht gedacht: Mit dem Schwabenstreich, die christlich-abendländischen Kulturwerte in das "Kopftuchgesetz" hineinzuschreiben, wird letztendlich das gesamte Gesetz zu einer Farce: Es gibt keine verbindlichen abendländisch-christlichen Kulturwerte. Sie sind eine Erfindung der bundesdeutschen CDU-CSU und gehören damit in den Bereich der Ideologie, und damit der Beliebigkeit.

Wahrscheinlich wird die CSU nie verstehen, dass die Verfassung eines freiheitlichen Europas keinen „Gottesbezug“ verträgt. An den Haaren herbeigezogen sind allerdings die Argumente: Jetzt wird eine angeblich 2000-jährige „christliche Geschichte“ als neues Argument eingebracht. Ware es gestern nicht noch die christlich-jüdische abendländische Kultur?

Vielleicht können sich Bayerns Christsozialisten einmal für eine Version entscheiden. Und erst dann den europäischen Staatschefs vorwerfen, sie würden die Sache nicht begreifen.

Die beiden großen Kirchen in Deutschland bemühen sich um reuige Rückkehrer: Wiedereintritt ohne Bürokratie heißt das Zauberwort, von dem sich die Kirchen neben dem Seelenheil der Schäfchen wohl auch bessere Kirchensteuereinnahmen versprechen: In Deutschland kassiert der Fiskus nach wie vor die Kirchenbeiträge, die man hier ganz einfach „Kirchensteuer“ nennt und die Deutsche, wie es scheint, für ganz normal halten.

Schon heute will die evangelische Kirche etwa „ein Drittel“ der Austritte durch Wiedereintritte kompensieren. Dazu hat man in verschiedenen Kirchen „Wiedereintrittsstellen“ eingerichtet. Die katholische Kirche hingegen will die Schäfchen mit einer Internetseite zum Hirten zurückholen.

Fragt sich nur, ob die Wiedereintrittswelle durch eine neue spirituelle Erweckung ausgelöst wurde oder durch eine wiedererstandene Verbürgerlichung: Weiß zu heiraten gilt ja wieder als schick.

Der Papst von Rom durfte noch einmal glänzen: In Bern jubelten ihm 10.000 Jugendliche zu. Da frage ich mich allerdings, was diese Jugendlichen sowohl vom Papst als auch vom Katholizismus noch erwarten. Wahrscheinlich mehr als die Mahnung, auf Konsum und Sex weitgehend zu verzichten.

Und auch dies fiel mir auf: Auch Zeitungen, die nicht im Ruf stehen, übertriebene katholische Berichterstattung zu verbreiten, sprachen vom “Heiligen Vater“. „Heilig“ ist der Papst aber nur für Katholiken, für den Rest der Welt ist er so weltlich wie jeder andere Priester auch. Richtig wäre: „Das Oberhaupt der katholischen Kirche“. Manche Zeitungen habe dies noch bemerkt und den „Heiligen Vater“ aus der Berichterstattung herausredigiert – so muss es auch sein. Wir sind keine Katholikenrepublik, sondern ein freiheitlicher Rechtsstaat. Fragt sich nur, wes Geistes Kind eine Presseagentur ist, die so etwas verbreitet.

Anke Engelke, ohnehin gerade nicht auf dem Zenit ihrer Erfolge, hat dagegen etwas getan, was man besser nicht täte: Den greisen Papst als Tattergreis dargestellt. Auch einem Papst sollte man das Menschenrecht zugestehen, alt zu werden. Anke Engelke wird auch einmal alt.

 

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