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Gabriele hatte mich an diesem Tag schon häufiger gefragt, was mit mir los sei, doch ich wollte sie nicht immer wieder damit nerven. Ich hatte keine Partnerin für meine unerfüllten Lüste, fand auch keine in der Stadt, in der alles so kernseifensauber war, dass ich meine Wünsche niemandem offenbaren konnte. Gabriele kannte sie ein wenig, doch nicht genau genug, um sich ein Bild zu machen, und außerdem – mit ihr ging es nicht. Sie war eine Freundin. Wer will schon eine Freundin verlieren, wenn es um nichts als Sex geht?

Ich denke, Gabriele schenkte absichtlich immer wieder nach – sie weiß, dass ich dem Pinotage nicht widerstehen kann. Sie setzte sich so, dass ich in ihre Augen sehen muss – liebevolle hellblaue Augen, die aber messerscharf stechen können, wenn sie die Pupillen zusammenzieht. Ich weiß nicht, wie es sich genau abspielte, jedenfalls traf mich ein Blitz aus ihren Augen, während gleichzeitig eine Frage in mein Hirn schoss: „Was wünscht du dir eigentlich wirklich von einer Frau?“

Ich trank hastig einen weiteren großen Schluck und versuchte zu schweigen, doch der Satz war bereits alle im Gehirn formuliert, suchte den Weg nach draußen, und schließlich kam er heraus, fast ungewollt:. „Eine ... eine Frau, die mich ... völlig beherrscht“. Gabriele sah mich weiter durchdringend an und wollte wissen „in jeder Hinsicht?“, was ich schnell bejahte. Offenbar war ihr das Wissen noch nicht genug, und so formulierte sie für mich „die dich erniedrigen, beleidigen, fesseln und schlagen darf?“

Ich sagte matt: „Ja“, denn das war es, was ich wollte, aber ich hatte noch die Fassung, zu fragen: „Woher ... weißt du es“? Sie lächelte und sagte etwas, das ich jetzt nicht vermutet hätte: „Bist du dir sicher? Ich zögerte ein paar Sekunden, und sagte nun, mit kräftigerer Stimme: „Ja, das bin ich“. Erneut sah sie mich an, doch diesmal fragte sie nur: „Was machst du nächstes Wochenende“? Ich stammelte „Nichts“, als sie bereits zum Telefon Griff. Irgendeine Stimme, die aus der Ferne weiblich klang, meldete sie sich. „Hier ist Gaby, du, ich hätte jemanden für dich“. Sie beantwortete drei Fragen, eine mit Ja, zwei mit Nein, dann sagte sie: „Gut, also Freitag; Samstag und Sonntag. Sonntag um 16 Uhr muss er weg sein“.

Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, doch das musste ich auch nicht, denn sie sagte mir einfach, was sie vereinbart hatte: „Du kommst Freitag Punkt 20 Uhr hierher. Ich werde dann noch da sein und dir öffnen – dann gehe ich. Um 20 Uhr 30 wird eine Freundin kommen. Hier ist eine Liste von Sachen, die du mitbringen musst“. Sie übergab mir einen verschlossenen Brief.

Ich stammelte etwas zusammen, was so klang, wie „Warum machst du das, warum macht sie das?“ oder so. Gabriele antwortete mir, sie sei der Dame etwas schuldig – und damit sei die Schuld getilgt. Außerdem würde sie ja zu unser beider Wohl handeln.

Habe ich Ihnen jemals erzählt, dass Gabriele zum Wachpersonal der hiesigen Justizvollzugsanstalt gehörte, bevor es einen merkwürdigen Vorfall gab, nach dem sie ihren Dienst quittieren musste? Ich glaube nicht. Aber irgendwie ahnte ich, dass sie diesen Deal mit einer ihrer ehemaligen „Kunden“ gemacht hatte – und ich bekam Angst. „Ich werde ... die Sache doch überleben, hoffe ich“ sagte ich etwas zu hart, um ironisch zu klingen. Wieder war ich verblüfft über die offene Antwort: „Psychisch ja, JoJo“, sagte sie ernst, „psychisch wird es schwierig werden“. Ich muss sie sehr lange verständnislos angesehen haben, jedenfalls ergänzte sie nach längerer Zeit leise: „Du musst jetzt gehen, JoJo – und falls du am Freitag nicht kommen solltest ...“ sie schwieg ein wenig zu lange und sah mir auch nicht mehr direkt in die Augen, „... dann wird etwas Schlimmeres geschehen als du an diesem Wochenende erleiden musst“. Ich wollte noch etwas sagen, doch sie verschloss mir den Mund: „Wenn dir unsere Freundschaft etwas wert ist, dann komm Freitag pünktlich“.

Ich stand plötzlich im Flur. Ein warmer Frühlingstag, nichts als freundliche Menschen, helles Gelächter und das Klingen von Gläsern, eine Frau, die mir zulächelte. Ich dachte an mein Versprechen, fühlte den Umschlag in meiner Hand. Ich beschloss, ihn erst morgen zu öffnen.

Dieser Text darf frei verwendet werden, um eine eigene Geschichte zu schreiben. Weder der Inhalt noch die Personen haben irgendeinen bekannten realen Hintergrund: Sowohl der Autor „Gramse“ wie auch der Text sind reine Fantasieprodukte. "Gramse" plant keine Fortführung dieses Textes.
 

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