Nachdem ich mich ein wenig mit Linda Boreman aka Linda Lovelace beschäftigt habe, wurde mir eines klar: Irgendwie hat jeder ein Stück Wahrheit über sie erfunden. Ihr Autobiograf, Eric Danville, muss mehr Einblick in ihr Leben gehabt haben – aber das, was in die Presse kam, war immer genau das, was die Menschen darüber hören wollten: Mal war sie das Opfer der Erziehung, mal das Produkt der Demütigung durch ihren Ehemann, mal ein typisches Beispiel für die Unterdrückung der Frau.
Was wir wirklich über ihre Einstellung wissen, ist wenig. Am Ende kommt ungefähr dies heraus: Linda Boreman, Prostituierte und Pornodarstellerin, wurde vom Leben hart angefasst – und fasste das Leben hart an, weil es nicht anders ging. Wer immer sie traf, ob der Ehemann und Produzent oder angebliche spätere Gönner, nutzten sie, um sie vorzuzeigen, vorzuführen oder einen Gewinn für die eigene moralische Auffassung aus ihr herauszuziehen. Die Person „Linda“ aber interessierte letztendlich keinen Menschen – nicht die Pornoproduzenten, nicht die Feministinnen und schon gar nicht die heutigen Schreiber. Da kann man nur Linda selbst zitieren: Alle wollten immer nur Geld aus mir herausholen.
Was wir wirklich über ihre Einstellung wissen, ist wenig. Am Ende kommt ungefähr dies heraus: Linda Boreman, Prostituierte und Pornodarstellerin, wurde vom Leben hart angefasst – und fasste das Leben hart an, weil es nicht anders ging. Wer immer sie traf, ob der Ehemann und Produzent oder angebliche spätere Gönner, nutzten sie, um sie vorzuzeigen, vorzuführen oder einen Gewinn für die eigene moralische Auffassung aus ihr herauszuziehen. Die Person „Linda“ aber interessierte letztendlich keinen Menschen – nicht die Pornoproduzenten, nicht die Feministinnen und schon gar nicht die heutigen Schreiber. Da kann man nur Linda selbst zitieren: Alle wollten immer nur Geld aus mir herausholen.
sehpferd - am Samstag, 9. Juli 2005, 22:56 - Rubrik: zeit geschehen
noch nichts dazu gesagt - etwas dazu sagen
Ich habe mich ja schon hinlänglich darüber ausgelassen, wie konservativ die Juroren der ZEIT offenbar bei ihrer Auswahl waren, oder sagen wir es umgekehrt: Wie wenig progressives, verwertbares Material zum Beispiel beim Thema „Sex“ vorlag, als man den Preis vergab – ich muss mir durchaus an die eigene Nase fassen, lediglich einen zweitrangigen Zufallsbeitrag eingesandt zu haben.
Eigentlich müssten die Damen und Herren, die erotische Blogs führen oder sich sonst wie Gedanken über die Lust machen, nun aufwachen: Erotik, Lust und Sex in Blogs sollte so interessant, so wichtig und qualitativ so hochstehend werden, dass die Lust einen höheren Stellenwert bekommt. Dann dürfte ein solcher Beitrag wie der des diesjährigen Preisträgers eigentlich nur noch unter „ferner liefen“ durchgehen – oder noch besser unter „Thema verfehlt“.
Es wird Zeit, dass wir in unseren Lebensäußerungen endlich im 21. Jahrhundert ankommen. Dem Autor des preisgekrönten Artikels ist offenbar noch nicht aufgegangen, dass zwischen „Deep Throat“ (1972) und heute mehr als dreißig Jahre liegen, in dem sich das Leben völlig verändert hat. Auch ist es ihm offenbar unmöglich, wenigstens wahrzunehmen, dass Frauen heute Produzenten pornografischer Filme sind, und dass viele Frauen durchaus Pornografie in ihrem Nachtschränkchen haben – vom Kopf einmal ganz abgesehen.
Gewiss, der Artikel ist gut recherchiert, was die Vergangenheit betrifft – es ist, angesichts der vielen englischsprachigen Quellen, auch nicht sehr schwer gewesen. Und doch haftet dem Artikel das Rasierwasser des Biedermannes an. Pornografie – das bedeutet Frauenverachtung, Drogen, Mafia und Schmutz. Wenn man es nur häufig genug verbreitet, dann wird es vielleicht sogar noch geglaubt.
Eigentlich müssten die Damen und Herren, die erotische Blogs führen oder sich sonst wie Gedanken über die Lust machen, nun aufwachen: Erotik, Lust und Sex in Blogs sollte so interessant, so wichtig und qualitativ so hochstehend werden, dass die Lust einen höheren Stellenwert bekommt. Dann dürfte ein solcher Beitrag wie der des diesjährigen Preisträgers eigentlich nur noch unter „ferner liefen“ durchgehen – oder noch besser unter „Thema verfehlt“.
Es wird Zeit, dass wir in unseren Lebensäußerungen endlich im 21. Jahrhundert ankommen. Dem Autor des preisgekrönten Artikels ist offenbar noch nicht aufgegangen, dass zwischen „Deep Throat“ (1972) und heute mehr als dreißig Jahre liegen, in dem sich das Leben völlig verändert hat. Auch ist es ihm offenbar unmöglich, wenigstens wahrzunehmen, dass Frauen heute Produzenten pornografischer Filme sind, und dass viele Frauen durchaus Pornografie in ihrem Nachtschränkchen haben – vom Kopf einmal ganz abgesehen.
Gewiss, der Artikel ist gut recherchiert, was die Vergangenheit betrifft – es ist, angesichts der vielen englischsprachigen Quellen, auch nicht sehr schwer gewesen. Und doch haftet dem Artikel das Rasierwasser des Biedermannes an. Pornografie – das bedeutet Frauenverachtung, Drogen, Mafia und Schmutz. Wenn man es nur häufig genug verbreitet, dann wird es vielleicht sogar noch geglaubt.
sehpferd - am Samstag, 9. Juli 2005, 16:19 - Rubrik: wundersames
Ich sehe, dass hier ab und an neue, lustvolle Autorinnen und Autoren auftauchen. Wenn ihr denn vorhabt, länger hier zu bleiben, was in der Tat eine Herausforderung ist, bin ich ja durchaus bereit, euch zu verlinken, und zwar mehrfach. Wer dies will, und vor allem, wer darüber hinaus gehende Ideen hat, die uns allen nützen, mag schreiben an: sehpferd at sehpferd dot com.
sehpferd - am Samstag, 9. Juli 2005, 15:49 - Rubrik: wundersames
noch nichts dazu gesagt - etwas dazu sagen
Wie meine Leser sicherlich wissen, habe ich am „Preisbloggen“ der Zeit teilgenommen und wurde immerhin nominiert – einen Preis habe ich allerdings nicht gewonnen, und ich hatte ehrlich gesagt auch nicht damit gerechnet, denn ich habe es nicht mit meinen besten, sondern eher zwei zufällig ausgewählten Artikeln versucht – hernach wollte ich es nicht mehr verändern. Genützt hat es mir dennoch – ich bekam sehr viele Besucher, die sich sonst wohl kaum zum Sehpferd verirrt hätten.
m Bereich der Sexualität hat nun zwar ein ausgezeichnet geschriebener, gut recherchierter, aber in der Aussage auch übermäßig tendenziöser Artikel gewonnen: mit Deep Throat & Koks im Hinterzimmer der Mafia. Mir ist nicht klar, ob es wirklich die Qualität der Sprache und der Recherche war, die bei der Wahl gerade dieses Artikels den Ausschlag gab, oder die Tendenz: „Pornografie ist Pfui“. Die Laudatio jedenfalls sagte aus: Die Juroren waren sich fast einig, was mich kaum verwundert. Ich, für meinen teil, beneide die Juroren nicht: Wirklich aktuelle Artikel, zum Beispiel über die neue weibliche Begierde, gab es (nach meinem Wissensstand) leider nicht – und so musste dann wohl ein eher historisches Thema herhalten.
Der in „Arm und reich“ preisgekrönte Artikel ist sehr persönlich und engagiert, und er gefällt mir persönlich sehr. Aber gerade deshalb: Ich denke, das Thema hätte mehr und vor allem Brisanteres geboten – vielleicht werde ich mal in mich gehen und ein wenig darüber nachdenken, was ich in Zukunft dazu schreiben werde.
Beide Artikel erscheinen im Übrigen bei Twoday-Autoren, was für Twoday spricht.
Über die anderen Kategorien mag jemand anders schreiben – auch bei dem, was die Deutschen morgen glauben, hätte ich eine andere Tendenz erwartet, obwohl die Sache, die da gewonnen hat, sehr witzig geschrieben war. – Vielleicht wollte man das Thema damit entschärfen? Jedenfalls gewannen Beiträge, die so auch im Feuilleton einer Zeitung hätten stehen können – etwas wirklich Neues, etwas Sensationelles, ja nicht einmal etwas Aktuelles war bei den Preisträgern auszumachen – und auch dies möchte ich nicht verschweigen: Auch wenig wirklich Originelles. Irgendwie wollten die Juroren, wie mir scheint, in keinerlei Fettnäpfchen treten.
Bevor ich es vergesse: Das BILD-Blog ist zwar ein viel gelesenes Blog, und sicher verdient es manche Auszeichnung – aber bitte nicht ständig. Hier will ich präziser werden: Das BILD-Blog lebt von der allzeit miesen Berichterstattung der BILD-Zeitung, aber miese Berichterstattung gibt es überall – sogar gelegentlich in der ZEIT und im SPIEGEL, und vor allem in der extremen Linkspresse. Warum kümmert sich eigentlich niemand darum? Und warum kritisiert eigentlich niemand die Blogs, die ständig linke Phrasen in das Web schleudern? Hier zeigt sich die Fragwürdigkeit im Wechselverhältnis zwischen Journalismus und Blogs: Im Grunde müssten Blogs viel stärker kritisiert werden, und eigentlich müssten Blogger auch ihre eigenen Preise (und Zitronen) vergeben.
Fragt sich noch, was eigentlich von einem Land zu halten ist, in dem in „Politik und Wirtschaft“ das BILD-Blog das beste Blog ist. Da muss man schon fragen, ob es denn keine anderen gab.
(Der Artikel erscheint gleichlautend auf Twoday und auf Blogg.de)
m Bereich der Sexualität hat nun zwar ein ausgezeichnet geschriebener, gut recherchierter, aber in der Aussage auch übermäßig tendenziöser Artikel gewonnen: mit Deep Throat & Koks im Hinterzimmer der Mafia. Mir ist nicht klar, ob es wirklich die Qualität der Sprache und der Recherche war, die bei der Wahl gerade dieses Artikels den Ausschlag gab, oder die Tendenz: „Pornografie ist Pfui“. Die Laudatio jedenfalls sagte aus: Die Juroren waren sich fast einig, was mich kaum verwundert. Ich, für meinen teil, beneide die Juroren nicht: Wirklich aktuelle Artikel, zum Beispiel über die neue weibliche Begierde, gab es (nach meinem Wissensstand) leider nicht – und so musste dann wohl ein eher historisches Thema herhalten.
Der in „Arm und reich“ preisgekrönte Artikel ist sehr persönlich und engagiert, und er gefällt mir persönlich sehr. Aber gerade deshalb: Ich denke, das Thema hätte mehr und vor allem Brisanteres geboten – vielleicht werde ich mal in mich gehen und ein wenig darüber nachdenken, was ich in Zukunft dazu schreiben werde.
Beide Artikel erscheinen im Übrigen bei Twoday-Autoren, was für Twoday spricht.
Über die anderen Kategorien mag jemand anders schreiben – auch bei dem, was die Deutschen morgen glauben, hätte ich eine andere Tendenz erwartet, obwohl die Sache, die da gewonnen hat, sehr witzig geschrieben war. – Vielleicht wollte man das Thema damit entschärfen? Jedenfalls gewannen Beiträge, die so auch im Feuilleton einer Zeitung hätten stehen können – etwas wirklich Neues, etwas Sensationelles, ja nicht einmal etwas Aktuelles war bei den Preisträgern auszumachen – und auch dies möchte ich nicht verschweigen: Auch wenig wirklich Originelles. Irgendwie wollten die Juroren, wie mir scheint, in keinerlei Fettnäpfchen treten.
Bevor ich es vergesse: Das BILD-Blog ist zwar ein viel gelesenes Blog, und sicher verdient es manche Auszeichnung – aber bitte nicht ständig. Hier will ich präziser werden: Das BILD-Blog lebt von der allzeit miesen Berichterstattung der BILD-Zeitung, aber miese Berichterstattung gibt es überall – sogar gelegentlich in der ZEIT und im SPIEGEL, und vor allem in der extremen Linkspresse. Warum kümmert sich eigentlich niemand darum? Und warum kritisiert eigentlich niemand die Blogs, die ständig linke Phrasen in das Web schleudern? Hier zeigt sich die Fragwürdigkeit im Wechselverhältnis zwischen Journalismus und Blogs: Im Grunde müssten Blogs viel stärker kritisiert werden, und eigentlich müssten Blogger auch ihre eigenen Preise (und Zitronen) vergeben.
Fragt sich noch, was eigentlich von einem Land zu halten ist, in dem in „Politik und Wirtschaft“ das BILD-Blog das beste Blog ist. Da muss man schon fragen, ob es denn keine anderen gab.
(Der Artikel erscheint gleichlautend auf Twoday und auf Blogg.de)
sehpferd - am Samstag, 9. Juli 2005, 13:06 - Rubrik: blog nachrichten
sehpferd - am Samstag, 9. Juli 2005, 10:33 - Rubrik: papierkorb nachrichten
noch nichts dazu gesagt - etwas dazu sagen
Ohne es zu wollen, hat mich gerade ein Kommentator an die „gute alte Zeit“ erinnert. Wie auch immer: Hier ist von einem Buch die Rede. Der Autor Eric Berne, der Titel „Games People Play“. Wann es geschrieben wurde, ist unbekannt – jedenfalls erschien es 1964 in einem Privatverlag. Da es witzig und ausgezeichnet geschrieben war, gelangte es bald in die Presse – und schaffte es schon 1965 ins Life-Magazin, nachdem bereits 41.000 Exemplare verkauft waren.
Das Buch, das allein in englischer Sprache in über 5 Millionen Exemplaren verkauft wurde, ist eines der erfolgreichsten populärwissenschaftlichen psychologischen Bücher aller Zeiten. Der Grund ist sehr simpel: Leute erkennen sich darin sehr leicht wieder, fühlen sich deshalb angesprochen und akzeptieren deshalb die etwas windige Theorie, die dahinter steht.
Berne interpretiert in seinem Buch die Transaktionale Analyse (TA), die ein Bild popularisiert, dass noch von Sigmund Freud stammt: Wenn das ICH schon als Ich, Es, und Über-Ich existiert, so folgerte Berne, dann könnte es doch auch sein, dass diese drei ICH’s munter miteinander kommunizieren würden. Darauf basiert im Wesentlichen die ganze Theorie, die deswegen auch begehrlich von Kommunikationstrainern aufgenommen wurde und seither fast kritiklos verbreitet wird.
Für die Theorie von Berne spricht, dass man sie leicht in Alttagssituationen nachverfolgen kann, dagegen, dass unser „internes Modell“ weit mehr von der so genannten „Wirklichkeit“ abbildet als diese primitiven Muster.
Doch in einer Zeit, in der man wieder deutlich auf „einfache Lösungen“ setzt, hat Eric Berne wieder eine unglaubliche Popularität erreicht.Warum? Weil den Menschen die Welt und auch ihr eigenes Sein, als viel zu kompliziert erscheint, und weil sie sich erst gar nicht mehr die Mühe machen wollen, die verwundenen Pfade der Wahrheit zu suchen.
Eine ähnliche Literatur ist aus der Feder des britischen Psychiaters Ronald D. Laing bekannt: Sie wurde aber bei weiterhin nicht so populär, da sie differenziertere Denkprozesse voraussetzt.
Deutsch – Amazon: „Die Spiele der Erwachsenen“ Neuauflage 2002
Das Buch, das allein in englischer Sprache in über 5 Millionen Exemplaren verkauft wurde, ist eines der erfolgreichsten populärwissenschaftlichen psychologischen Bücher aller Zeiten. Der Grund ist sehr simpel: Leute erkennen sich darin sehr leicht wieder, fühlen sich deshalb angesprochen und akzeptieren deshalb die etwas windige Theorie, die dahinter steht.
Berne interpretiert in seinem Buch die Transaktionale Analyse (TA), die ein Bild popularisiert, dass noch von Sigmund Freud stammt: Wenn das ICH schon als Ich, Es, und Über-Ich existiert, so folgerte Berne, dann könnte es doch auch sein, dass diese drei ICH’s munter miteinander kommunizieren würden. Darauf basiert im Wesentlichen die ganze Theorie, die deswegen auch begehrlich von Kommunikationstrainern aufgenommen wurde und seither fast kritiklos verbreitet wird.
Für die Theorie von Berne spricht, dass man sie leicht in Alttagssituationen nachverfolgen kann, dagegen, dass unser „internes Modell“ weit mehr von der so genannten „Wirklichkeit“ abbildet als diese primitiven Muster.
Doch in einer Zeit, in der man wieder deutlich auf „einfache Lösungen“ setzt, hat Eric Berne wieder eine unglaubliche Popularität erreicht.Warum? Weil den Menschen die Welt und auch ihr eigenes Sein, als viel zu kompliziert erscheint, und weil sie sich erst gar nicht mehr die Mühe machen wollen, die verwundenen Pfade der Wahrheit zu suchen.
Eine ähnliche Literatur ist aus der Feder des britischen Psychiaters Ronald D. Laing bekannt: Sie wurde aber bei weiterhin nicht so populär, da sie differenziertere Denkprozesse voraussetzt.
Deutsch – Amazon: „Die Spiele der Erwachsenen“ Neuauflage 2002
sehpferd - am Samstag, 9. Juli 2005, 09:11 - Rubrik: zeit geschehen
noch nichts dazu gesagt - etwas dazu sagen