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Die Welt-Kolumne „Echolot“ wäre ihrer Zeit weit voraus gewesen – wenn wir den 16. August 2002 schreiben würden. Doch offenbar merken Welt-Redakteure nicht, dass sich auch Blog-Beiträge eindeutig am Datum identifizieren lassen – und das korrekte verlinken muss die WELT wohl auch noch lernen. Das einzige, was richtig ist: Selten etwas Dümmeres gelesen als dieser spätpubertäre Erguss:

Unerkannt kommen wir aus der Dunkelheit, niemand weiß, wann und wo einer oder eine von uns das nächste Mal zuschlägt. Wir posten unsere Texte und verschwinden wieder in den Tiefen des Webs. Wir sind Guerilla-Publizisten. Wir sind Blogger ... Wir fliegen unterhalb des Radars der Verlage und der Meinungsindustrie.“ Ja, ja, das wäret ihr gerne, verehrte Kolleginnen und Kollegen – aber was ihr wirklich seid, wisst ihr ja selbst am besten: Nachplapperer von Nachplapperern, die Nachplapperer nachplappern. Ja, ich weiß, Sie sind die Ausnahme – sie bieten Originalität. Fall Sie das tun, sind sie garantiert nicht unter den Top 100 der deutschen Bloggerei - denn dort landen nur die, die sich ständig gegenseitig in den Armen liegen.

Die als Antwort gedachte Satire von Titanic (auch hier erwies sich die Welt beim verlinken als denkunfähig) ist ebenfalls ein WELT-Flop: Sie datiert vom Februar 2005.

Also, liebe WELT: Wenn ihr mal witzig sein wollt, könnt ihr ruhig etwas aktueller sein.

Bevor ich es vergesse, dies zu erzählen: Die Linkspresse unterstützt gerade Linksblogs, wenn sie zufälligerweise gleicher Meinung ist. In der Frankfurter Rundschau lesen wir jedenfalls, dass Michael Ridder gerade das Blog von Johnny Häusler unterstützt. Der würde, „in Bloggerkreisen kultisch verehrt“. Offenbar weil er „die Stirn besessen (habe) , in seinem Weblog spreeblick.com drei Gegenmotive (zu „Du bist Deutschland“) zu veröffentlichen“.

Ach, wie mutig, Herr Häusler – jedenfalls, wenn sie dies auf Kuba getan hätten. Hier allerdings ist die Bundesrepublik Deutschland, wie sie inzwischen bemerkt haben dürften – und da ist es nicht mutig, ein paar Witzchen zu machen. Wobei ich ihnen diese durchaus gönne, immerhin schaffen sie es mit ihren Blödeleien sogar in die Frankfurter Rundschau, was kräftig Zugriffe einbringt - und auf die kommt es Ihnen doch alleine an - oder irre ich mich?

Manchmal bemerke ich urplötzlich, dass ich verlinkt werde. Ich überlege dann immer ein wenig, ob ich rückverlinken soll und vor allem: von wo. Diesmal ist es eine Dame, die „Mädchendinger“ unter das Bloggervolk streut.

Ich beobachte das mal, wie immer, und zwar neugierig.

Erotikblogs stehen im Ruf, nur von mittlerer Haltbarkeit zu sein. Autorinnen und Autoren stecken plötzlich ihre Nase in den Wind, finden interessant, dass sich andere für ihre Lustempfindungen begeistern. Sie beginnen, ihre Intimitäten zu enthüllen, freuen sich über die Resonanz, die sie bekommen und spüren neugierig dem nach, was wohl noch daraus werden wird.

Irgendwann kommt die Zeit, da rationalisieren sie: Es ist doch gut, wenn Menschen solches tun. Andere werden offenbar angeregt, schreiben begeistern Kommentare, sagen, dass ihr Liebesleben beflügelt worden wäre. Ist das nicht wunderschön?

Mag sein, dass es eine Weile schön ist. Doch schon bald wird deutlich, dass man ein Teil der Öffentlichkeit ist. Dass Menschen nicht nur neugierig teilhaben, sondern auch real begierig werden: Dieser wunderbare Körper, der sich diesem oder jenem offenbar bereits geöffnet hat – warum sollte er nicht auch dem begierigen Leser willig offenbaren?

Erst spät bemerken die Bloggerinnen und Blogger, wie nahe ihnen die Öffentlichkeit gekommen ist – und sei der Kreis auch noch so klein. Man muss sich entscheiden. Kein Mensch kann auf Dauer authentisch erotisch bloggen, es sei denn, er oder sie wären in der Branche. Der Weg teilt sich: Entweder, man erfindet nun Geschichten, wird Autor oder Autorin. Das geht, weil man dann Abstand hat. Oder aber, man lässt sich auf die neue Öffentlichkeit ein – dann ist man Darsteller der Person, die man im Blog beschreibt.

Authentisch? Niemand, der mit seinem Intimleben in die Öffentlichkeit drängt, bleibt authentisch: Das Eine beeinflusst das Andere.

Erotikblogs, ich sagte es zu Anfang, stehen im Ruf, von mittlerer Haltbarkeit zu sein. Der Wind beginnt, einem ins Gesicht zu wehen. Der Öffentlichkeit standhalten? An ihr zerbrechen? Es gibt einen dritten Weg: aufzuhören. Früher oder später erwischt es alle – bis auf jene, die ohne Öffentlichkeit nicht leben könnten: Menschen, die auch im wirklichen Leben Autorinnen und Autoren sind – und Sexarbeiter beiderlei Geschlechts.

„Geschlossene Veranstaltung“ steht in unsichtbaren Lettern über den Webseiten, die sich „Blogs“ nennen. Überhaupt schon mal das Wort: Blogs – „Weblogbücher“ oder wie die Dinger heißen. Schon der Name ist überbewertet. Ein Weblog besteht aus Kästchen, in denen Texte stehen, und sie sind nach Datum und Zeit geordnet. Das ist alles - außer, dass man Anderen noch gestattet, ihren Senf dazu zu geben.

Da behaupten Menschen, sie fühlten sich aus Blogs „bestens informiert“. Die Wahrheit: so etwas kann gar nicht funktionieren. Die weitaus meisten Blogger haben nicht den geringsten Zugang zu authentischen Informationen und selbst Recherche ist ein Fremdwort für sie. Also sehen sie fern, kupfern Nachrichten aus erträglichen wie auch aus völlig unerträglichen Medien ab und sagen: „Schaut, wie toll informiert ich bin“.

Anderen geht es schon gar nicht mehr um Information. Sie haben ihre vorgefasste Meinung, die sie überall dort hinterlassen, wo Menschen eine ähnlich vorgefasste Meinung haben. Blogger lesen überwiegend deshalb Blogger, weil fast nur Blogger Blogger lesen wollen.

Die Öffentlichkeit? Ja, von was für einer Öffentlichkeit reden wir denn überhaupt? Ob es nun zwei Drittel der Bevölkerung sind, die nicht wissen, was ein Blog ist, spielt überhaupt keine Rolle: Wer weiß, was etwas ist, muss es noch lange nicht anwenden: Ich weiß ja auch, was Alkoprops sind und trinke dennoch keine. Unsere einzige Öffentlichkeit ist die, voneinander zu lesen – falls wir nicht das Glück haben, einmal in der richtigen Öffentlichkeit zu laden – sprich: In der Zeitung. Dann liest man uns wirklich.

Allerdings – dass wir es bisher nicht geschafft haben, heißt nicht, dass wir es nimmermehr schaffen werden. Freilich nicht, wenn wir so weitermachen: Zusammenarbeit hieße das Zauberwort, aber das ist nicht die Art Wort, die man in Blogs gebrauchen kann: Dort hat man sich inzwischen schon viel zu weit von der Realität entfernt. Sollte hingegen ein Verleger auf die Idee kommen, Blogs zu sponsern (wie es schon manchmal geschieht) dann werden unsere Chancen sprunghaft steigen – und die Öffentlichkeit, die sich viele von uns wünschen, wird dann auch tatsächlich stattfinden.

Mehr hier von Katrin Schuster.

Dass mit Blogs kein Geld zu verdienen ist, weiß ich und sie wissen es auch – weil wir alle unsere Blogs im Grunde sehr unprofessionell aufmachen, keine festen Zielgruppen haben und unsere Ideale aus Wolkenkuckucksheim hochhalten („authentische Meinungen echter Menschen“).

Da kommt die Botschaft aus den USA, dass ein gewisser Jason Calacanis 120 Blogger in 90 Blogs beschäftigt. Ja, sie lesen richtig, beschäftigt. Die Damen und Herren verdienen damit zwischen 200 und 3000 Dollar im Monat – und sie verdienen damit nach einem Pressebericht etwa ein Viertel, bis die Hälfte dessen, was Journalisten verdienen. Das Beispiel zeigt, wie weit hinter dem Mond wir in Deutschland sind – wenngleich natürlich feststeht, dass es mehr englisch sprechende Menschen auf der Welt gibt also solche, die Deutsch lesen können.


Auszug aus dem Orginaltext:

"Which led me to ask Nick Denton how much he earns from his blogs.

"We've never gotten into the numbers," he said. "We're a private company, and we prefer the focus to be on the stories (rather) than on the business model."

"Well, how much does he pay his bloggers? The amount floating around the internet is $2,500 a month per blogger plus traffic bonuses, courtesy of a talk Lockhart Steele, Gawker Media managing editor, gave at New York University last spring. "

Endlich werden Blogger mal nicht belobhudelt, sondern ins rechte Licht gerückt. Und leider stimmt auch der Kommentar dazu, auf den ich hier gestoßen bin.

„Die Blogosphäre sollte sich damit abfinden, dass sie bei sich selbst existiert ... wir Blogger existieren in einer Parallelwelt ... kommt runter von eurem Pferd und akzeptiert die Realität."

Allerdings frage ich mich, ob wir nicht wesentlich wirksamer sein könnten, wenn wir uns endlich einmal zu Themenkreisen (ich wage gar nicht, hier zu sagen: für ein Zielpublikum) vereinigen könnten. Aber mit anderen Bloggern gemeinsame Sache machen?

Ich habe gerade neulich mit einer Bloggerin darüber korrespondiert: Aussichtslos, sagt sie - und sie musse es wissen, denn sie hat es versucht. Was nicht heißt, dass ich es aufgebe: Unter all den Bloggern da draußen müsste sich ja eventuell der eine oder andere verlässliche Mensch mit Verstand und Weitblick finden lassen.

Damit ich nur nicht vergesse, Ihnen dies zu erzählen: Die Blog-Suchmaschine ist da. Nein, nicht eine dieser Amateurlösungen, die wir aus der Vergangenheit kennen, sondern eine wunderbare Google-Blog-Suchmaschine.

Listen to me. This blog is a sampler. Almost completely ripped off from the depths of the internet. Rebrewed and relaunched in my personal context. Generated by cheap tools. Reassembled ready-mades and founds. It is the new generation blog. All fake. Brilliant refinement. That's all about.“

Das steht auf Jim's neuem Blog, und es bringt mich wirklich zum Lachen – es ist einfach schön, sich selbst nicht zu ernst zu nehmen, und es erinnert mich an etwas: Immer, wenn ich Malev fliege, sagt die Dame, die man nicht mehr Chefstewardess nennen darf, dass wie in einem „new generation airplane“ fliegen.

Anyway – must we add „new generation love“ to the Cole Porter song „love for sale“?

Vielleicht sollte ich eine Satire schreiben über einen meiner Kontrahenten vom Stamm der Schuhkartondenker – jenen Leuten also, die irgendwie alles gleich „einordnen“ müssen. Also: Angela Merkel, so schreibt ein Blogger, sei eine „Vatertochter, eine falsche Schlange“ und weil das wohl noch nicht genug war, dann auch noch „Vatertöchter sind gerade im Sozialen sehr viel unerbittlicher als Männer. Das habe ich lange genug erlebt, mit meinen weiblichen Vorgesetzten“.

Man beachte den überaus intelligenten Rückschluss: Er hatte mal eine Vorgesetzte, die er für eine Vatertochter hielt, (was immer dieses populärpsychologische Kauderwelsch bedeuten mag) ist Angela Merkel ähnlich, weil er sie auch für eine Vatertochter hält.

Sag noch einer, Männer wären logisch.

Diese sind es auch nicht:

" Die Vatertochter will sich aber auch von ihrem Vater emanzipieren, deshalb kämpft sie symbolisch einen Kampf gegen 'die Männer' ...Die Vatertochter ist daher häufig Feministin, ... Vatertöchter finden wir im großen Maße bei den Grünen."

 

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