anstoss

  sehpferdvs sehpferds magazin für anstöße und anstößiges

flat for sale

Sie haben eine Wohnung zu verkaufen?

Ja, das habe ich.

Hat die Wohnung einen Lift?

Nein leider, bedauere, keinen Lift.

Dann kommt sie nicht in Frage – vielen Dank.

Bitteschön, gerne geschehen, auf Wiederhören.


Natürlich eine berechtigte Frage – nur ist in Häusern, in denen Wohnungen um die 100.000 Euro kosten, normalerweise kein Lift - und zudem verschlingt so ein Lift eine Menge Wartungskosten.

Nächster Anruf:

Welches Baujahr?

1948, aber ausgezeichnet renoviert.

Nein, so eine alte Wohnung will ich nicht.

Bitteschön, gerne geschehen, auf Wiederhören.


Auch berechtigt, aber große Wohnungen, die hier um die 100.000 Euro kosten, sind nun mal keine Neubauten.

Nächster Anruf

Welche Adresse?

Ich nenne die Adresse.

Na, dann sehe ich mir das Haus mal von außen an.

Sehr schön, aber wollen sie sich nicht lieber die Wohnung ansehen?

Nein, nein, das Haus.

na schön, aber wenn sie wollen, können Sie jederzeit besichtigen kommen.

Nein, dann rufe ich wieder an.

Nun, darauf würde ich mich freuen - auf Wiederhören.


Na schön, des Menschen Wille ist sein Himmelreich. Nur: Als ich die Wohnung vor ca. 10 Jahren kaufte, wäre ich auch beinahe wieder umgekehrt. Erst, als ich die Wohnung sah, habe ich mich sofort in sie verliebt.

Diese 1-Zimmer-Wohnung mit EBK ist zu haben – und zwar entweder separat oder zusammen mit der darunterliegenden 3-Zimmer-Wohnung in Lörrach-Stetten, 2 Minuten von der S-Bahn-Station nach Basel.

obere_wohnung_1

Sehr interessant: bis vor einigen Jahren wohnte kein Mensch gerne in Hinterhäusern oder Wohnungen in den unteren Geschossen – sie haben nämlich allesamt wenig Licht. Jetzt wollen laut Haus- und Grundstücksmaklern jedenfalls die Leute alle in Hinterhäusern wohnen, und möglichst im ersten Stock. Haben die Leute eigentlich bedacht, dass man da auf ihnen herumtrampelt und dass sie auf jemandem herumtrampeln?

Meine Wohnungen sind beide an der Straße, klar. Im dritten OG hat man einen sehr schönen und so gut wie unverbaubaren Blick auf den Tüllinger Berg, und vorne sieht man den hellen Himmel über den Dächern. Licht durchflutet die Wohnung, und die modernen Fenster weisen den Schall ab. Zudem ist auf der Straße kein LKW-Durchgangsverkehr.

Meine Wohnung im Vierten OG? Paradiesische Ruhe dank ausgezeichneter Dämmung und geschicktem Wohnungseinbau, dazu mit übergroßen Fenstern und mit wundervollem Blick bis zur Stadt Basel.

Sehen Sie, und dann stehen die Leute davor und kommen schon gar nicht herein: Ach, Ihre Wohnung liegt ja an der Straße. Klar liegt sie dort. Und zwei Minuten Fußweg von der S-Bahn-Station. S-Bahn-Station liegen üblicherweise an Straßen.

Der Morgen beginnt mir zwei guten Nachrichten: Erstens habe ich meinen Mieter noch so lange, wie ich selbst in Lörrach wohne und zweitens gab es vor dem Frühstück bereits zwei Interessenten für das Juwel unter den Wohnungen. Die zweite Interessentin wollte allerdings wissen, ob die Einbauküche denn wenigstens Holzfronten habe – kann man bei einem Juwel, wie es scheint, voraussetzen. Nein, hat sie nicht, aber ich hatte bis vor 12 Jahren Holzfronten – da muss man eine Menge putzen, das kann ich Ihnen verraten.

Die Köchinnen und Köche unter Ihnen werden ohnehin wissen: Bei einer viel genutzten Küche kommt es nicht auf die Fronten an, sondern ob man genügend Arbeitsfläche hat – und das ist oft ein Problem für den Architekten.

Morgen kommt das Juwel unter den Wohnungen wieder in die Zeitung - und falls Ihre Tochter oder Ihr Sohnemann demnächst in Lörrach studieren sollte - ich hätte da auch noch eine verkehrsgünstige Dachgeschosswohnung.

juwel

esszimmer_kl

Ein Esszimmer gefällig? Die Vitrine gehört Ihnen, wenn Sie die Wohnung kaufen.

Ich werde nicht oft mit dem konfrontiert, was meine Landleute, die Deutschen, „Ansprüche“ nennen. – Lediglich einmal, als ich selbst erneut auf Freiersfüßen war, habe ich einige Damen kennen gelernt, die dergleichen hatten – mit ziemlich großer Wahrscheinlichkeit haben sie diese heute auch noch. Wer als Deutscher keine Ansprüche hat, kann offenbar nicht existieren.

Nun aber verkaufe ich gerade zwei Wohnungen. Vermieten wäre nicht schwer: Hier in Südbaden gibt es jede Menge Bedarf. Aber verkaufen? Im dritten Stock? Ohne Lift? Nur eine Loggia, kein Balkon? Fragt man den Deutschen, was er will, so ist es eine Wohnung mit glatten, geraden Wänden. Alles rechte Winkel – nur keine Rundungen, und schon gar kein Stuck. Wohnboxen sozusagen – gerne Beton, notfalls auch Pappe als Zwischenwände. Dachgeschosswohnungen werden gerne mit Pappe geschönt – sieht fast aus wie eine richtige Wand.

Stil? Ach du liebes Bisschen. Bei IKEA-Möbeln ja auch völlig überflüssig. MackIntosh-Inspiriert? Und das 1948? Und in diesem Stil weiter renoviert? Ach ja. Sehen Sie, vor Jahren, waren Wohnküchen der letzte Schrei in Südbaden, vor allem bei Neubauten, und das geht so: Sie kaufen eine schlüsselfertige Neubauwohnung, bei der sie eine Wand eingespart haben und so einen Kombinationsraum bekommen, in dem die Küche – wie könnte es anders sein – erstens dominiert und zweitens die Hässlichkeit der Wohnung bestimmt – und das Ganze als 3-Zimmer-Wohnung auf 65 Quadratmeter.

Ja, und dann kommen die Ansprüche. Teuer bezahlte Ansprüche, wenn Sie mich fragen: Ein Lift mag praktisch sein, aber die Kosten sind enorm, und sie zahlen ihn, ob sie nun im zweiten oder im fünften Obergeschoss wohnen – und je größer die Wohneinheiten, um so teurer werden eigenartigerweise die Verwaltungskosten. Zwei Balkons? Völlig nutzlos. Eine Loggia ist wesentlich besser verwendbar als ein Balkon – aber zwei von drei Wohnungskäufern wollen einen Balkon und nichts anderes.

So anspruchsvoll sie sind, so gedankenlos sind sie auch, die Wohnungskäufer. Die Stadtwohnung ist zwar vielleicht etwas lauter, aber dafür zentral. Die Leute, die hier die Hügelchen bebaut haben, wissen, wovon ich rede: Kein Bäcker, kein Metzger, kein Arzt, kein Apotheker – vom Supermarkt ganz zu schweigen – und zur Bahnstation beträgt der Fußweg 30 Minuten. Wer Pech hat, der besichtigt ein Haus am Vormittag – und bemerkt erst nach dem Kauf, dass nur halbtags die Sonne scheint – dann verschwindet sie hinter dem Hügelchen.

Wo meine Wohnung ist? Genau zwischen der Innenstadt und der Schweizer Grenze. Sie ist ein Juwel der Baukunst um 1948 (wo die Baukunst ansonsten nicht gerade in Blüte war, wie Sie sich denken können) und liegt heute nur 2 Minuten von der S-Bahn-Station nach Basel – und ginge ich nicht demnächst nach Budapest – ich würde sie niemals verkaufen.

Nein, nein ... keine Verlockung. Nur ein Blick in ein Bad - mein Bad - und es könnte bald Ihnen gehören.

meinbad

Nach und nach beginnen sich Makler für meine Wohnung zu interessieren. Einer war gerade da – und versuchte, die Wohnung so weit wie möglich herunterzudrücken – etwa auf den Preis, für den eine dieser Bruchbuden angeboten wird, in die man gut und gerne noch 20.000 Euro stecken muss, bevor man überhaupt drin wohnen kann.

Nun habe ich schon mit Maklern gearbeitet, und akzeptiere, wenn sie mir ehrlich gegenübertreten – aber dass ein Makler nur auf Schnäppchenjagd geht, war mir neu. Immerhin war das Gespräch äußerst erhellend – und für mich natürlich eine neue Herausforderung.

„Ich rufe an wegen der Wohnung“.
„Sehr nett von Ihnen, an welcher Wohnung sind sie interessiert?“
„Wieso an welcher?“
„Ich hatte zwei Wohnungen in der Zeitung, eine 1-Zimmer und eine 3-Zimmer.“
„Ich wollte eigentlich eine Zwei-Zimmer-Wohnung.“
„Von welcher hatten Sie denn gelesen?“
„Die für 62tausend“
„Das ist die 1-Zimmer-Wohnung.“
„Aha“
„Sie sagen, sie verkaufen wegen Auswanderung?“
„Ja, ich gehe nach Ungarn.“
„Nach Ungarn?“
„Ja, nach Ungarn“
„Ah, in die alte Heimat, vermutlich?“
„Nein, ins neue Europa“
„Sie sind aber mutig.“
„Dazu gehört nicht viel Mut – aber wollen sie noch etwas mehr über die Wohnung wissen?“

... und so weiter.

Anrufer Nummer 41 (ich hatte bereits einige Besichtigungen – darüber schreibe ich – aus den bekannten Gründen – aber nichts)“.

 

Add to Technorati FavoritesMy Popularity (by popuri.us)

twoday.net AGB

xml version of this page

xml version of this topic

powered by Antville powered by Helma