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Wie schön, wenn Maren Kroymann behauptet, dass es in den modernen Volksparteien um „Weltbilder geht, die Lebensentwürfe möglich machen sollen“ – ganz schön idealistisch, die Dame. Aber der Hohn ist nun wirklich, so etwas in die Welt zu streuen: „in der CDU hat ein Lebensentwurf, wie Angela Merkel ihn als kinderlose Intellektuelle vorlebt, überhaupt keinen Platz“. Nun, die Meinung von der Dame in Ehren, doch ist mir neu, dass inzwischen eine Schauspielerin bestimmen will, welche Lebensentwürfe in Parteien Platz haben.

Man sollte Frau Kroymann mal eine Lektion in Demokratie erteilen – und die ARD mal fragen, warum sie soviel Wert auf die politische Meinung von Frau Kroymann legt – gab es keine kompetenteren Ansprechpartner?

Heute habe ich mich nach etwas Abstinenz mal wieder voll in die Wahldiskussion gestürzt – und das provozierend. Denn mich befremdet erheblich, wenn man dauernd Schattenboxen gegen Visionen veranstalten muss – good luck, Angela Merkel.

Da feiern die Blogger mal gemeinsam mit der Presse - man zählt dort nämlich gerade Paul Kirchhofs Töchter: Er selber kommt nur auf zwei, Frau Merkel hat vier gesehen. Hat sie alles doppelt gesehen? Mitnichten, mitnichten – sie habe, so korrigierte man schnell, die Schwiegertöchter mitgezählt.

So geht es einer Kandidatin, wenn sie sich auf das Niveau der Boulevard-Presse herablässt: Was nämlich die Töchter oder Schwiegertöchter des Herrn Kirchhof tun, ist alleine deren Privatangelegenheit – es hatte in der TV-Diskussion nichts, aber auch gar nichts zu suchen.

Wenn etwas passiert, was sogar ich für aktuell halte, dann vergesse ich oft, dass ich gar nicht gewohnt bin, die Dinge im gleichen Licht zu sehen wie der Rest meiner Kolleginnen und Kollegen. Also falle ich ein in ihre Pros und Kontras, sehe mir Gestik und Mimik an, bewerte mal nach diesem Kriterium und dann nach jenem – und vergesse doch eines: Das, was ich sehe, ist die Realität einer Flimmerkiste. Das stehen zwei Menschen auf einem Podium: eine Frau und ein Mann. Sie tun etwas, das man Wiener Oberkellnern nachsagt: Leidlich erfolgreich Wiener Oberkellner zu spielen. Die Dame spielt eine Kanzlerkandidatin, der Herr einen Kanzler: Sehen ganz echt aus, die beiden.

Ja, sie spielen, um uns zu gefallen. Sie denken, dass wir denken, sie würden uns gefallen, wenn sie so spielten. Warum spielen wir mit? Morgaine sagte sinnigerweise „wir wollen wissen, was die beiden Kandidaten in Wirklichkeit denken. Wir wollen wissen, ob bei ihnen Handeln und Wille, Handeln und Gefühl übereinstimmen“

Stimme ich dem zu? Was ist, wenn wir die Puppe entlarven, eine Puppe zu sein? Die meisten Menschen wissen, was dann passiert: In der Puppe ist eine Puppe ist eine Puppe ist eine Puppe. Schließlich blicken wir auf eine entblößte Kreatur, so wie wir alle eigentlich nichts als Kreaturen sind. Und? Bringt uns das weiter? Früher spielten die Anhänger eines Herrn Perls gerne „Zwiebelschälen“. Das klang gut: Schale ab, gucken, was drunter ist.

Wissen sie, was drunter war? Eine andere Schale und darunter wieder eine. Das ganze „Zwiebelschälen“ diente nicht der Wahrheit, sondern war Seelstriptease zugunsten eines Publikums, das sich zwar morgen auch schälen musste, darin aber bereits routiniert war.

Wollen wir, mit Verlaub, wirklich wissen, was Frau Merkel oder Herr Schröder „in Wirklichkeit“ denken? Ich nicht. Ich will, dass ein Arzt eine zutreffende, kluge Diagnose stellt oder ein Architekt ein schönes, aber dennoch solides Haus baut. Ich kann darauf verzichten, zu wissen, was er oder sie wirklich denkt. So ist es auch bei Frau Merkel: Ich will, dass sie eine gute Politik macht - und auf einen Blick in ihre Seelenleben verzichte ich dankend.

Die Frau wird noch oft auf der Bühne stehen, von dem Mann glaubt es kaum noch jemand. Die Dame wird nach der Kanzlerkandidatin, die eine Kanzlerkandidatin spielt, eine Kanzlerin sein, die eine Kanzlerin spielt. Ein bisschen umgewöhnen. Heute noch Kandidatin, morgen Kanzlerin. Mag sein, dass sie sogar noch lächeln lernt – das macht sich besser.

Vielen Journalisten und manchem Blogger fiel auf, dass Frau Merkel in der gestrigen Diskussion häufig das Wort „Visionen“ benutzte. Ich erinnere mich aber, dass man früher „Pläne“ oder „Zukunftspläne“ oder „über den Tag hinausgehende Vorstellungen“ hatte.

Visionen? Waren das nicht optische Wahrnehmungen, auch Sinnestäuschungen oder Halluzinationen?

Nun, ich weiß – inzwischen haben die Neohumptydumptynisten wieder zugeschlagen: Visionen sind Vorstellungen von Zuständen, dier in der Zukunft erreicht werden sollen. Pläne sind mir, ehrlich gesagt, bei weitem lieber.

Da ich nicht immer alles doppelt schreiben will: Hier können Sie lesen, was mir zum Duell am nächsten Tag (also heute) durch den Kopf ging.

Geschafft! Eine und eine halbe Stunde Duell zwischen Angela Merkel und Gerhard Schröder durchgestanden und das Fazit gezogen:

1. Es war interessanter als gedacht
2. Frau Merkel war weitaus besser als prognostiziert
3. Herr Schröder zeigte immer wieder Schwächen
4. Die eigene Ehefrau (Schröder) kann durchaus hinderlich sein
5. Journalisten sind auch nicht mehr das, was sie mal waren

Ob es meine Wahlentscheidung beeinflusst hätte? Ja denken sie etwa, ich wäre schon so verblödet?

Das reichste Land der Erde, eine Nation, der Technologien aller Art zur Verfügung stehen, dazu die entsprechenden Ressourcen an Menschen und Geräten – so viele, dass man damit jahrelang aufwändige Kriege führen kann.

Dann kommt ein Sturm. Eine Stadt wird evakuiert, aber die Reichen der Stadt haben sich längst selbst davongemacht. Die Armen bleiben - vertrauen ihrer Regierung. Sie sind ja Amerikaner wie die anderen auch. Der Sturm kommt, und siehe – er verläuft glimpflicher, als gedacht, doch dann bricht ein Damm: Die Stadt versinkt in stinkendem Wasser: New Orleans.

Das Land, das reich ist, das über die Technologien und die Ressourcen verfügt, scheint vor dem Problem zu stehen wie ein Kaninchen vor der Schlange: Ist das Amerika? Zögern, zaudern, schlechte Ingenieur- und Logistikleistungen? Man möchte es nicht glauben, aber es scheint sehr glaubhaft zu sein. Amerikaner behaupten es, Südstaatler. Sie sehen einen hilflos wirkenden Präsidenten, schleppend anlaufende staatliche Maßnahmen, dinosaurierartig langsame Hilfsorganisationen.

Manche deutsche Medien freilich sind um nichts besser: Sie verbreiten Pessimismus, sehen in New Orleans bereits das neue Atlantis – es läge ja unter dem Meeresspiegel, und das Meer steige doch immer mehr. Das ist wahr, und sicher ist auch, dass die Situation in New Orleans mit der See, dem Mississippi und Lake Pontchartrain die Sache nicht gerade einfacher macht.

Wahr ist aber auch, dass auch andere Städte und Dörfer auf der Welt unter dem Meeresspiegel liegen, und dass es geeignete Technologien gibt, solche Städte zu schützen – man muss es vor allem wollen. Vielleicht wird es ein „New“ New Orleans geben – schöner, sturmsicherer und besser geschützt gegen die Wasserfluten des „Old man River“ ebenso wie auch gegen den Brachwassersee, dessen Deich nun gebrochen ist. Auf diese Weise könnte aus der Tragödie eine Herausforderung werden.

Unter dem Titel „Gemeinderat subventioniert Pornofirma“ veröffentlichte die englischsprachige schwedische Onlinezeitung "The Local" heute einen Artikel, der sich mit den Aktivitäten eines deutschen IT-Unternehmens in der schwedischen Gemeinde Bjurholm beschäftigte. Offenbar hatte der etwas übereifrige Vorsteher des Gemeinderats gerüchteweise gehört, dass der IT-Provider auch „Pornografieseiten“ betreiben würde.

Das Ganze verlief allerdings wie der Sturm im Wasserglas: Das Unternehmen hatte weder etwas Ungesetzliches getan noch war etwas dran an den lächerlichen Vorwürfen des Schweden – nur die Überschrift „Gemeinderat subventioniert Pornofirma“ steht immer noch über dem Artikel.

Nach „Zeitgeist“ und „Angst“ ist jetzt auch „Jammer“ fest im Vokabular der Angelsachsen verankert – „German Jammer“ steht für die verspottete Eigenschaft der Deutschen, schwarz zu sehen, pessimistisch und melancholisch oder (um Modewörter zu verwenden) frustriert oder depressiv zu sein – und darüber zu jammern, versteht sich.

Inzwischen gelten mehr als 80 Prozent der Deutschen als Jammerdeutsche. Fragt sich, wie man mit den verbliebenen 20 Prozent auskommen will, um Gesellschaft, Wirtschaft und Staat zu einem prosperierendem Leben zu verhelfen, zumal die lästigen Pessimisten auch die verbliebenen „unentschiedenen“ Deutschen noch mit ihrem lebensbedrohlichen Virus zu infizieren versuchen.

Mitmenschen, es ist nun mal so: „Der einzige Mist, auf dem nichts wächst, ist der Pessimist“ –soll Theodor Heuss mal gesagt haben. Dem kann ich nur zustimmen, und vielleicht sollte ich noch dies sagen: Bevor ihr, liebe deutsche Mitmenschen, eure Regierungen für etwas verantwortlich macht – seht bitte mal in den Spiegel. Dann seht ihr den Verantwortlichen für Wohl und Wehe dieses Landes.

 

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