anstoss

  sehpferdvs sehpferds magazin für anstöße und anstößiges
rosinentexte_500_x
Der Name steht für deutsche Ingenieurkunst, Präzision und Qualität ebenso wie für Überheblichkeit, Verschlafenheit und Kultgläubigkeit.

Leica, die Liebliche, eigentlich aber eine Abkürzung für Leitz Camera . Erfunden von Oscar Barnack, einem Mitarbeiter, und einem jener Leute, die Trends voraussehen konnten: Warum nicht preiswerten Kinofilm, also 35-mm-Film, für eine Standkamera verwenden? Die Gegenargumente (und davon gab es reichlich) wischte er vom Tisch: Die Filme, so hieß es, seine viel zu grobkörnig. Doch Barnack und Leitz vertrauten auf die technisch Entwicklung: Die Leica, 1925 zuerst auf einer Messe gezeigt, wurde ein gigantischer Erfolg. Sie brachte die Fotografie sozusagen auf die Straße: Kein schweres Gerät mehr, keine klobigen Kameras.

Gut, dass damals die Pragmatiker Recht beheilten, denn die Ideologen sahen die Kleinbildkameras weiter scheel von der Seite an – noch bis weit in die 50er Jahre reichte die Diskussion, so lange, bis Ilford und Kodak Emulsionen herausbrachten, die auch bei starken Vergrößerungen kein erkennbares Korn mehr zeigten.

1954 gab es noch einmal einen großen Schritt nach vorn: Das Schraubgewinde der Leica wurde durch ein Bajonett abgelöst – und durch diese und andere Neuerungen blieb man dort, wo man hinwollte. Auf Platz eines im Qualitätsbewusstsein.

Doch dann verfiel man in einen langen Dornröschenschlaf. Leitz baute weiter gute Objektive und gute Leicas, doch die Benutzer wollten Spiegelreflexkameras und preiswertere Wechselobjektive. Die bekamen sie auch – von Canon, Nikon und Ashai – die deutsche Kameraindustrie erlebte einen nie da gewesenen Niedergang. Die Contaflex (West) versank ebenso in der Bedeutungslosigkeit wie die von der Ihagee Dresden hergestellte Exakta. Als man sich seitens Leitz 1965 entschloss, eine Leicaflex zu produzieren, waren viele Kunden, darunter so gut wie die gesamte Werbefotografie, bereits auf japanische Fabrikate umgestiegen.

Dennoch schaffte man es noch einmal, ging sogar an die Börse. Der Grund: Eine Leica zu haben ist für viele Amateure ein Prestigegewinn. Manche Leute kauften sie und schossen nicht ein einziges Foto damit – der Besitz bedeutete ihnen alles. Amateure, die vor allem viel fotografieren wollten, deckten sich hingegen schnell anderwärts ein: dort entwickelte man schneller und ging auf einen sich rasch wandelnden Markt flexibler ein.

Mit einer Revolution freilich hatte niemand gerechnet, und als sie kam, mussten auch die arrogantesten Manager einsehen, dass Beharren allein nicht reicht um den Markt zu halten: Die digitale Fotografie hat über die analoge gesiegt, und dies sowohl im professionellen wie auch im Amateurbereich. Die kleine, schicke Kamera heißt nicht mehr Leica, sonder Nikon, Canon oder Sony.

Nun haben sie kalte Füße, die Leute bei Leitz. Hoffen auf die Nischen, aber auch die haben längst andere besetzt, jedenfalls, wenn es darum geht, mit fotografischem Gerät auch wirklich Bilder zu schießen. Der Markt für Leute, die sich eine Leica in die Vitrine stellen, ist hingegen nicht unendlich.

Gelesen unter anderem im Handelsblatt.
 

Add to Technorati FavoritesMy Popularity (by popuri.us)

twoday.net AGB

xml version of this page

powered by Antville powered by Helma