anstoss

  sehpferdvs sehpferds magazin für anstöße und anstößiges
rosinentexte_500_x
Ich mache keinen Hehl daraus, zwei Mal geschieden worden zu sein. Das erste Mal gingen die Lebenswege generell auseinander, was ich nicht hätte verhindern können, das zweite Mal war ich leichtfertig in der Wahl meiner Partnerin, was ich hätte verhindern können. Ich hatte in beiden Ehen Eheverträge – die haben manches Schlimme verhindert. Aber ich darf Ihnen dennoch sagen: Die Absicht war, mit meiner ersten Frau bis ins Alter zusammenzubleiben. Nur: Was nicht geht, geht eben nicht.

Heute wird jede dritte Ehe geschieden – in den Städten jede Zweite. Das ist wirklich kein positives Zeichen für die Gesellschaftsordnung. Nur – wie kann man dies verändern? Ich denke, dass es eine Fülle von Maßnahmen gibt, aber ich hege außerordentlich große Zweifel daran, dass die Psychotherapie Lösungen bringt – Menschen, die sich nicht (mehr) verstehen, sind nicht krank in dem Sinne, dass sie emotional wieder „eingerenkt“ werden müssen.

Gelegentlich liest man dann Lustiges: Die FAZ schreibt von einer „noch jungen Verhaltenstherapie“, die vielleicht helfen könnte. Nun, wenn die Urgroßmutter alt ist, dann ist die Großmutter natürlich jung, doch eines ist richtig: Hier, im psychotherapeutisch ultrakonservativen Deutschland, mag Verhaltens- wie auch Paartherapie natürlich zu den jüngsten Errungenschaften des Genres gehören.

Doch die FAZ weiß einen Rat. Ein Schweizer Fachmann kommt ins Spiel: Guy Bodenmann von der Universität in Freiburg in der Schweiz. Der macht Seminare, wie ein paar andere Leute und Institutionen auch: das Wochenende zu etwa 500 Euro. Reich werden die Leute nicht dabei: Die Seminare sind wenig begehrt. Sie sollen erfolgreich sein: 70 Prozent Quote – sagt eben jener Guy Bodenmann, doch er hat noch einen Nachsatz und zieht ein paar Prozent ab – übrig blieben, so schätzt er, 40 bis 50 Prozent. Damit man die Zahlen richtig interpretieren kann, hier die Relation: Von den Menschen, die sich in so schweren Ehekrisen befinden, dass sie Seminare besuchen, könnten bis zu 50 Prozent nach dem Seminar besser miteinander umgehen“.

Lassen wir die Psychologen mal reden: jede Ehe verändert sich mit den Jahren, sei sie kinderlos oder durch Kinder angereichert. Es liegt in der Verantwortung beider Ehepartner und des sozialen Umfeldes, die Ehe so zu stützen, dass ein Leben in ihr angenehmer ist als ein Leben draußen – und das muss für beide Partner gelten.

Gilt es für beide? Männer galten schon immer als leichtfertig, und Frauen sind esimmer mehr. Nach der Emanzipationsbewegung haben sie sich das Recht auf außereheliche erotische Kontakte genommen, wie es zuvor die Männer taten. Aus diesen Kontakten entstehen auch Scheidungen: Das Leben der frisch verliebten ist immer rosiger als das Leben einer Ehefrau. Ich weiß, was sie jetzt sagen werden: Der Partner ist schuld. Mag sein. Ich sehe auch die generelle Problematik. Doch glauben sie, dass eine frisch verliebte Eheausreißerin durch Therapie in den Schoß der Ehe zurückzubringen ist? Ich nicht.

Zurück zur FAZ, und zurück zu Herrn Bodenmann. Der kann sich „gut vorstellen“, dass man die „hilfreichen Kurse“ einfach zur “gesetzlichen Pflicht“ macht. Vielleicht sollten wir Herrn Bodenmann mal daran erinnern, dass die Schweiz, aber auch andere Länder mit westlichen Kulturen, Demokratien sind? Ja, ja, man könnte den „Besuch einer Eheberatung auch zu einer Bedingung für eine Scheidung machen“. Natürlich – man kann alles, aber auch alles staatlich regulieren. Eheberechtigungsscheine? Zeugungsberechtigungsscheine? Scheidungsberechtigungsscheine? Warum eigentlich keine Sterbeberechtigungsscheine?

Irgendetwas muss durcheinander geraten sein in der Psychotherapie – aber neu ist das eigentlich auch nicht. Der FAZ muss man attestieren, dass sie auch noch eine andere, abweichende Meinung veröffentlichte: die des Psychologen Notker Klann, der darauf baut, dass man lernen müsse, auf die Signale des Partners zu hören – und das soziale Umfeld in die Verantwortung nimmt.
 

Add to Technorati FavoritesMy Popularity (by popuri.us)

twoday.net AGB

xml version of this page

powered by Antville powered by Helma