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Das wöchentliche Geblubber aus den Algen

Die erotischen Sensationen dieser Welt blieben dieser Tage aus – vor allem deshalb, weil viele Blogger und artverwandte Kreaturen vorziehen, doch einmal Osterurlaub zu machen und sich dabei eher um die eigenen Belange zu kümmern.

In der vergangenen Woche wurde hier teilweise heftigst diskutiert, was Blogger zustande bringen können und was nicht. Nun hat Bloggen persönliche Aspekte, die mir aus ganzem Herzen gleichgültig sind, weil ich die Menschen und ihre Motive nicht kenne, es hat aber auch eine zeitgeschichtliche Bedeutung, und die interessiert mich wirklich, denn sie zeigt Veränderungen in der Kommunikationskultur auf. Indessen ist es unglaublich schwer, solche Veränderungen zu erkennen, denn Einsichten ergeben sich leider erst aus der Lektüre unendlich vieler Blogs.

Twoday.net ist dabei eine Ausnahme: eine technisch hervorragend durchdachter Bloggerplattform, deren einziger Nachteil ist, dass sie nur aus sich und für sich lebt: Wohl nirgendwo sonst ist der Kreis der permanent bloggenden, sich gegenseitig aber durchaus lesenden Blogger so klein wie hier, und er ist zudem äußerst einseitig auf Wien und die wienerische Lebensart ausgerichtet.

Ich habe diese Woche einen Artikel geschrieben, zudem ich noch einen kurzen Kommentar verfasste: was ist, bitte, die „Community“ hier eigentlich wert? Ich will diese Frage keinesfalls beantworten, nur muss die Frage nach meinem Dafürhalten neu gestellt werden, denn Twoday.net wurde ja nicht geschaffen, damit möglichst wenige Blogger sich gegenseitig belobigen oder je nach Gemütsverfassung auch beharken, sondern um möglichst viele neue Blogger zu gewinnen, die nun wieder möglichst viele neue Leser gewinnen.

Wenn nun eine Bloggerin fragt, ob Fremdleser die besseren Leser sind, so ist diese Frage völlig falsch gestellt: Fremdleser sind die wirtschaftlich interessanteren Leser. Das wissen die Macher von „Twoday.Net“ natürlich ganz genau, und sie wissen auch etwas anderes: Nur vielgelesene Blogger bringen viele Zugriffe, und viele Zugriffe bieten den Hintergrund für gut bezahlte Werbung – schließlich lebt „twoday.net“ nicht von Luft und Liebe. Ich denke, dass in diesem Zusammenhang viel Licht auf die ständige Selbstbespiegelung der Blogger/innen im Twoday.net fällt.

Aus dieser Sicht verwundert nicht, dass manche traditionelle Journalisten gewisse Vorbehalte gegenüber dem Bereich haben, der hier beständig in die Kategorie „Kindergarten“ fällt. Zwar ist es längst nicht so, wie die „0815-Tussi“ meint: Nein, nein, auch professionelle Journalisten glauben nicht, dass wer ein Weblog führt, auch kleine Kinder fräße. Aber sie meinen (und dies möglicherweise zu Recht) dass die Mischung von Gedöns, Klamauk, Meinung und Nachricht möglicherweise eher ein Kinderspiel ist als ein Spiel der Erwachsenen sei.

Von mir gelesen und als außerordentlich sinnreich empfunden: Ein Essay über den Elite-Blog-Leser auf Runtimerror. Nachdenken ist also möglich.

Ich trage mit Fassung, wie sich die Macher von „Twoday.net“ auf diesen Seiten selber feiern. Doch eines wende ich ein: Nicht die viel beschworene „Community“ mit ihren gegenseitigen Nettigkeiten trägt die Popularität eines Blogs, sondern die Gruppe der unermüdlichen Wortproduzenten, die etwas schreibt, das auch außerhalb von „twoday.net“ gelesen wird.

Das wöchentliche Geblubber aus den Algen

Die letzte Woche konfrontierte mich – wie so viele andere Blogger auch – mit der Frage, wie wirklich eigentlich unsere Wirklichkeit ist. Grund war weniger die deutsche „Belle de Jour“, die ja schon vor einiger Zeit bezichtigt wurde, ein Mann zu sein, sondern die Englische Prostituierte „Belle de Jour“.

Man stelle sich das Szenario einmal vor: Da wetteifern drei englische Zeitungen, unter ihnen eine angeblich so ehrbare wie die „Times“, darum, wer die bloggende Londoner Hure „Belle de Jour“ enttarnt, und es war eben jene Times, die den Vogel abschoss – nur lag sie leider falsch.

Womit ich beim Thema wäre. Das Internet erlaubt Millionen von Menschen, falsche Identitäten anzunehmen. Die Londoner Hure kann eine Hure oder eine Journalistin sein, oder auch nur eine begabte ältere Lady, die sich einen Spaß daraus macht, die pseudoprüden englischen Leser am Näschen herumzuführen. Es wird Zeit zu begreifen, dass jeder im Web alles sein kann: alles, wirklich alles.

Die Art, wie die vorgebliche Urheberin von „Belle de Jour“ gefunden wurde, wäre schon beinahe komisch, wenn sie nicht in einer schamlosen Persönlichkeitsverletzung geendet hätte: Eine angebliche „Autorität“ auf dem Gebiet der Textvergleiche wollte durch ein paar merkwürdig gesetzte Zeichen festgestellt haben, dass Belle eine amerikanische Schriftstellerin ist. Was mir eine Zusatzbemerkung entlockt: Wer die Literatur oder die Presse sorgfältig studiert, und dann spektakulär irgendein Blog eröffnet, kann also bewusst darauf hinführen, dass dieses Blog in Wahrheit von (na, sie wissen schon) stammt. Die Wirklichkeit kann hier, im Web, offenbar in jede beliebige Richtung ausgeweitet werden.

Das geht gerade so weiter. Die englische Ex-Jungfrau Rosie Reid existiert, so viel ist sicher. Aber ob die Geschichte stimmt, die durch sie (und allein durch sie) an die Presse gelangt ist, wirklich stimmt, ist eine andere Frage: Es kann sein – oder eben auch nicht. Wie wirklich ist die Wirklichkeit?

Für eine andere Frau ist die Wirklichkeit nun wirklich peinlich geworden: Eine amerikanische Journalistin glaubte, die Verbreitung von scheußlichen Nacktfotos stoppen zu können, die angeblich „heimlich“ von ihr aufgenommen wurde. Sie bekam in einem spektakulären Prozess Recht – allerdings nicht lange. Denn die Fotos wurden keinesfalls „heimlich“ aufgenommen, sondern von der Bühnenkamera – und wer sich bei einer öffentlichen Veranstaltung, bei der Kameras erlaubt sind, peinlich zur Schau stellt, der muss eben auch erlauben, dass diese Bilder dann gezeigt werden, wobei mindestens dies beruhigt: Ist die Wirklichkeit „wirklich“ wirklich, dann darf sie auch öffentlich zu sehen sein.

Da hoffe ich, dass mal ein wirklich lesenswerter Artikel von mir die ersten Plätze meiner Rangliste belegt, doch was passiert? Die weite Welt rennt nur auf die Ex-Jungfrau Rosie Reid zu: Von einem Tag auf den anderen kam der zusammengestoppelte Bericht auf über 4000 Zugriffe. Der eigentliche Artikel wurde von Google gerade erst entdeckt und liegt derzeit noch bei müden 820 Zugriffen – aber auch da wird sich in den nächsten Tagen wohl noch manches verändern.

Immerhin über 400 Zugriffe in zwei Tagen kamen von Heise Dabei ging es allerdings nicht um die schöne Rosie, sondern um „Dogging“. Ich wusste doch, das würde manche Menschen interessieren.

Das wöchentliche Geblubber aus den Algen

Wenn ich eines nicht mehr hören mag, dann ist es das Evangelium des Mel Gibson, besser bekannt als „Die Passion Christi“, eine Art „Oberammergauer Passionsspiele“ nach der Art Hollywoods. Der Regisseur macht derweil dicke Backen und spuckt Sätze aus wie diesen: „Ich glaube, das Leben Jesu ist noch nie so erzählt worden, noch nie so angegangen worden, wie es sein sollte“. Nein, natürlich nicht. Man brauchte erst das fünfte Evangelium des Mel.

Warum ich dazu Stellung nehme: Irgendjemand muss ja sagen, dass dieser Herr Gibson die Realität der Welt umkehrt: Hollywood bestimmt, was wahr ist, und andere haben bestenfalls noch das Recht, einen Kommentar dazu abzugeben: armes Christentum.

Szenenwechsel – die englische Studentin Rosie Reid hat das letzte Gebot ihrer Auktion tatsächlich eingelöst – wenn man in der Welt englischer Sonntagsblätter überhaupt jemals von „tatsächlich“ reden darf. Abgesehen vom vordergründigen Inhalt der Geschichte zeigt sich aber eine veränderte Denkweise: Wie von Sehpferd bereits vermutet, begann das Ganze als Witz, als Protest gegen zu hohe Studiengebühren. Doch nach und nach lockte dann eben doch der Stoff, der sinnlich macht: Geld, und so wurde aus dem anfänglichen Studentenulk dann die harte Realität. Für mein Blog bedeutete dies: Über 2000 zusätzliche Zugriffe an einem einzigen Sonntag - so schnell ist noch keine Nachricht in der Erfolgsskala meines Blogs gestiegen.

Ansonsten herrscht Ebbe an der Nachrichtenbörse der Erotik – man behilft sich mit Archivmaterial. Es sei denn, ein englischer Wissenschaftler entwickelt die „High-Heels-Formel“ mit einem Alkoholfaktor. Das muss man einfach lesen.

Heute: "Die Sinnlichste"

Was ist eigentlich sinnlich im Netz? Nun, Sehpferd befragte mal Google, und zwar zunächst nach „die Sinnlichste“. Die ersten fünf Ergebnisse sollten untersucht werden - gleichgültig, worum es ging.

Nun, die Resultate dürften überraschen: ein Artikel über Mode, zwei über Musiker, einer über eine Messe und schließlich eine blumige Pressemitteilung aus dem Hause Carl Zeiss.

Hochwertige Stoffe um einen Körper zu legen, ist die sinnlichste Sache der Welt“, sagt Giorgio Armani und kommt damit auf Platz 1 bei der Suche nach „die sinnlichste“. Schon auf Platz 2 folgt Musik: „Die sinnlichste Musik seit Erfindung des Wiedererkennungseffekts“. Man erkennt die Ankündigung eines Artikels aus der österreichischen „Jazzzeit“ über einen Akkordeonisten namens Krzysztof Dobrek – bei „Jazzzeit“ furchtbar schwer zu finden, und schließlich als pdf-Datei bei dem Musiker zu haben, der so sinnlich ist.

Sinnlich geht es auch bei Carl Zeiss zu, und wir lauschen ergriffen der Dichtung einer Pressemitteilung: „Mit dem optischen Projektor wird die Natur auf die sinnlichste und anschaulichste Art und Weise simuliert“. Na also, es geht auch ohne Mode und Musik, mit einem Projektor eben. In die höchsten Töne versteigt man sich eben immer, wenn für etwas geworben werden muss, zum Beispiel für die schweizerische Expo 2002: „Biel ist urban, Murten poetisch, Yverdon ist die sinnlichste, Neuchâtel die künstlichste aller Arteplages." Also, auf nach Yverdon, aber bitte nur zu Messezeiten, ansonsten ist die Schweiz alles andere als sinnlich.

Sinnlich kommt uns dann wieder die Musik: „Die sinnlichste Orgelmusik, die zu hören man sich wünschen kann“ – na bitte. Dabei geht es um einen Bernard Brauchli und dessen CD „The Organ of Evora Cathedral“.

Womit nun klar sein dürfte, was sinnlich ist, und ich bin ganz sicher, dass „die sinnlichste“ noch eine Fortsetzung haben wird.

Das wöchentliche Geblubber aus den Algen

Im zweiten Teil des vorigen Jahrhunderts haben wir uns daran gewöhnen müssen, dass mehrere Wahrheiten nebeneinander existieren. Seit wir uns alle im Internet bewegen, wissen wir auch, dass Menschen nicht eine, sondern vielfältige Identitäten haben können. Manche Menschen, unter ihnen auch Blogger, machen sich einen Spaß daraus: einem Namen vertreten sie den einen Standpunkt, während sie unter einem anderen Namen den entgegen gesetzten Standpunkt vertreten. Unzulässig? Aber nicht doch: Wie jeder weiß, wohnen in des deutschen Brust (ach) zwei Seelen, und die schreiben eben gelegentlich auch.

Diese Woche schien die deutschsprachige Bloggerwelt eine Sensation zu haben: Ein Mann, so schrieb ein Blogger vom anderen ab, habe doch die Frechheit besessen, als Frau zu bloggen. Wieder so ein Web-Phänomen: Hinter einem Nick wird niemals wirklich transparent, wen wir vor uns haben: Ist es ein Mann? Ist es eine Frau? Sind es mehrere Autoren, die einen Nick teilen? Wir wissen es so gut wie nie. Das einzige, was wir wirklich wissen, ist dies: Das, was der Mensch sagt, berührt etwas in mir – oder eben nicht. Insoweit dürfte es uns eigentlich einen feuchten Kehricht angehen, ob der Mensch männliche, weibliche oder andersartige Eigenschaften hat: Es sollte zählen, was der Mensch schreibt. Die Bloggerin oder der Blogger oder wie auch immer, haben im Übrigen inzwischen dementiert, dass er oder sie eine Person sind.

Ich selbst wundere mich manchmal, was gelesen wird: Der absolute Renner unter meinen eigenen Artikeln des letzten Monats ist der über eine chinesische Bloggerin. Er wurde erst am 21.02.2004 geschrieben und hat dennoch schon weit über 1300 Zugriffe bekommen – und damit meine Seite gleich mehrfach unter die 10 populärsten deutschen Blogs gebracht. Da verblasst selbst Rosie Reid dahinter: das war die englische Dame, die angeblich ihre Jungfernschaft versteigert hat.

Manchmal wundert mich denn doch, wie viele Leute mich klicken, und vor allem warum. Zurzeit werden ich mit Anfragen aus Polen (ja, aus Polen) überschwemmt, in denen Verena Kerth abgefragt wird. Die Dame wäre kaum zu Ruhm gelangt, wenn sie nicht im richtigen Moment die Hand nach einem deutschen Fußballer ausgestreckt hätte. Dann hörte man von ihr, als sie Giovanni Zaccagnini für GQ (Gentlemens World) ein wenig ausgezogen abgelichtet hat – und darüber habe ich geschrieben.

Zhuying Qingtong, die schöne chinesische Bloggerin, brachte mir mittlerweile über 1200 Zugriffe. Das Interesse an ihr nahm plötzlich Mitte letzter Woche zu.

Gleich zwei Blogs aus Twoday wurden heute im ZEIT-Blog populär. Einmal tierenhelfen und dann eben auch Sehpferds sinnliche Seiten. Woran es liegt? Keine Ahnung, ehrlich. Aber herzlichen Glückwunsch an den (die?) Tierenhelfen-Blogger(in). Gute Idee.

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Das wöchentliche Geblubber aus den Algen

Diese Woche wurde heftig gestritten: Der Prozess um einen Herrn Dutroux und einige Mitangeklagte riss in Belgien bei den Betroffenen alte Wunden wieder auf – Wunden, die wohl niemals verheilen werden. Doch was nützt uns in dieser Situation, wenn es eine Fernsehanstalt gibt, deren Moderator nun bereits die gesamte Gesellschaft als „pervers“ bezeichnet? Da werden unter dem Vorwand ernster Fragen Einschaltquoten in Nischen gesucht.

Alte Wunden auch in Wien: Doch die Dinge, um die es dabei geht, liegen noch länger zurück als die Taten von Herrn Dutroux, sie sind viel weniger zu beweisen und sie stehen in einem ganz anderen Sinnzusammenhang: Es ging um den Aktionskünstler Mühl und seine Lebensweise, die von vielen seiner ehemaligen Mitstreiter als nicht tragbar empfunden wird. Vorwürfe werden laut, man bewirft sich öffentlich mit Dreck. Da verwundert freilich, warum man damals nicht laut geschrien hat, als alles noch näher an der Zeit war und man noch hätte etwas retten können.

In Zeiten wie diesen treten dann auch allerlei Moralisten auf den Plan – Menschen, die schon immer wussten, dass die neue Zeit alle Normen zerstören würde. Wir kennen sie ja aus Schankwirtschaften, Kantinengesprächen und Internet-Foren. Doch wenn die Damen und Herren auch nur ihre eigene moralische Haltung erläutern sollen, werden sie stiller, und sie schweigen vollends, wenn man sie nach vorbeugenden Lösungen fragt.

Überhaupt schweigen so gut wie alle dort, wo sanft, ernst und an der Sache diskutiert wird. Je mehr man den Gegenstand einer Diskussion aus dem Allgemeinen heraushebt, je präziser man wird und je differenzierter man schreibt oder auch nur Stellung bezieht, um so weniger Menschen sind bereit, noch mitzuziehen – das finde ich sehr, sehr schade.

Meine „Sinnlichen Seiten“ blühen – teils wegen der vielen Buhrufe aus dem Publikum, teils trotz dieser Krakeeler. Ein Oberschlaumeier schrieb gerade etwas über einen „Kommentarboykott“ gegen mich – da muss ich freilich lächeln: Während an guten Tagen etwa 100 Twoday-Co-Blogger auf mich zugreifen, sind es jedem beliebigen Tag mindestens doppelt so viele andere Interessenten.

Qualität bewirkt dabei gar nichts: Überschriften und Google-Rankings zählen. Mein bei weitem schlechtester Artikel hat die 5000-Zugriffe-Marke überschritten, und neu hinzugekommen unter den Top-25 sind immerhin zwei Artikel aus diesem Jahr, auf die bereits jetzt über 500 mal zugegriffen wurde: Ein humorvoller über ein japanisches Sexspielzeug und meine Linksammlung zu Artikeln über die junge Engländerin, die behauptete, ihre Jungfräulichkeit zu verauktionieren: Bislang ist immer noch nicht klar, ob es nicht eine bewusst inszenierte Presseaktion war, die ein bisschen heißen Sex-Wind ins kalte Bristol bringen sollte.

 

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