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zeit geschehen

Sie können sich vielleicht vorstellen, dass ich bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg nicht Grün gewählt habe – ich halte diese Leute für politisch überwiegend inkompetent, und für den Wirtschaftsstandort wie auch in der Verkehrspolitik für völlig unerträglich.

Was diesen Herrn Günther Oettinger von der CDU auch bewogen haben mag, sich den Grünen zuzuneigen: Er wird es schwer haben, dies seinen Wählern und den Wählern der FDP zu erklären – diese Koalition haben wir wirklich nicht verdient.

Dies ist kein Aprilscherz: In Lörrach leuchten heute die Fastnachtsfeuer hell über der Stadt – sie wurden auf dringendes Anraten der Feuerwehr von Fastnachtsauklang, der ja im heftigen Schneetreiben endete, auf heute Nacht verlegt – auf den ersten April, eben. Die Bilder hier sind von einem älteren Fastnachtsfeuer, die Ankündigung des Sargschreiners, „Schiibe“ bereitzuhalten, aber von diesem Jahr. Die „Schiibe“ werden von Jugendlichen ins Feuer gehalten und dann glühend ins Tal geschlagen.

schibe

Vielleicht lernen wir ja doch noch etwas in diesem Land: Erstens, dass wir pragmatisch handeln müssen – das heißt, wir müssen Probleme nötigenfalls auch ohne unendliche ideologische Debatten lösen. Das Zweite schmerzt noch mehr, muss aber gesagt werden: Gewaltkriminalität ist ein ernstes Problem, und es kann nicht mit dem Mäntelchen der Liebe zugedeckt werden. Tritt Gewalt massiv an Schulen auf, so muss eben die Polizei auf die Schulhöfe, und die Staatsanwälte müssen gegen die jugendlichen Verbrecher vorgehen. Es ist kein Spaß mehr – und das Recht muss endlich ausgeschöpft werden – wenn Mahnungen nichts mehr helfen, eben notfalls auch durch Abschiebung.

Jetzt über die Hauptschule diskutieren? Sie gehört längst auf den Müll der Geschichte, ist aber in Deutschland ein Heiligtum – vor allem eines der Christdemokratie – Argumente gibt es dafür kaum, aber Ideologie zählt ja in der Republik mehr als Argumente. Wenn überhaupt, muss das deutsche Schulwesen von den Wurzeln her in Frage gestellt werden – und hier steht die Hauptschule genau so zur Disposition wie das Gymnasium – aber das nun, lassen Sie mich dies in aller Deutlichkeit sagen – ist eine Diskussion, die vor 20 Jahren hätte abgeschlossen sein müssen – jetzt hat sie gerade keinen Wert.

Die Perspektivlosigkeit? Dummes Zeug, von ein paar Schwätzern in die Welt gebracht. Wenn Eltern Perspektivlosigkeit vermitteln, kann man leider nichts dagegen tun – sie vermiesen ihren Kindern ja lediglich die Zukunft, was zwar unmoralisch ist, aber kein Verbrechen. Wenn hingegen ein paar „Offizielle“ so etwas sagen, könnte man sie des Amtes entheben – vielleicht sollte man in manchen Fällen auch rigiden Gebrauch davon machen.

Der ganze Rest? Integration misslungen? Ach nein – wie weit sind denn Deutsche in Deutschland „integriert“? Haben wir nicht eine relativ klar umrissene Gruppe von Miesmachern, die im Web und anderwärts gegen Deutschland und gegen Europa arbeiten? So weit mir bekannt, sind es alles Deutsche – und dennoch: „Ihr – ich nicht“ steht auf ihren Bannern. Nennt man das „integriert sein“? Offiziell iet es dann wieder eine dieser deutschen Rechthaberdiskussionen – angeführt von dem immer wieder vorlauten Herrn Stoiber aus Bayern, der jetzt überall herumerzählt, man müsse „völlig neu anfangen“ mit der Integration. Sollte er da nicht mit der Integration der Bayern anfangen und deutsche Sprachkurse für sie anbieten? (Bitte: Sie denken, ich meine das nicht ernst? Es ist so ernst wie deutsche Sprachkurse für Türken zu verlangen. Oder nehmen Sie das ernst?).

Doch bevor ich falsch verstanden werde; auch eine Bundeskanzlerin findet nicht immer die richtigen Worte: Sie sollte sich das nächste Mal besser überlegen, was sie sagt, bevor sie vom Nationalstolz herumerzählt. Denn eine Nationalstolzdiskussion, Frau Kanzlerin, können wir nun wirklich überhaupt nicht gebrauchen. Merkwürdig, dass die Kanzlerin in diesem Punkt so einfältig ist – sie versteht es doch sonst, sich wacker in der Politik zu schlagen.

Als ich ein heranwuchs, sagte man uns Knaben noch, dass Frauen verletzliche Personen wären, an die man sich sehr vorsichtig herantasten müsse – und erst, nachdem man dies sehr lange versucht habe, wären sie vielleicht bereit, winzige Beweise ihrer Gunst zu erbringen. „Freilich“, so sagten die erfahrenen Männer dann seufzend, „freilich sind es oft nur kleine Dinge, die sie uns gestatten“- und bekamen dabei Plüschaugen, die nach innen blickten, „aber es könnte mit der Zeit mehr werden“.

Jungen Mädchen (heute würde man sagen: Teenagern, aber auch Frauen im Overteenalter) wurde geraten, den jungen Männern möglichst gar nichts zu gewähren: Sie würden nämlich nach der Salamitaktik verfahren und sich scheibchenweise holen, worauf sie Appetit hatten, wenn man ihnen denn auch nur den kleinen Finger reichte – also beispielsweise das Streicheln der Brüste oberhalb der Bluse. So ergab sich also eine Salamihierarchie: Über der Bluse streicheln – unter der Bluse streicheln – bei abgelegtem BH unter der Bluse streicheln – bei entkleidetem Oberkörper streicheln – dergleichen gab es natürlich auch für den Unterkörper. Die übliche Frage unter den jungen Männern der damaligen Zeit war: „Wie weit bist du mit ihr gekommen?“ – Das Ganze nannte sich im Übrigen „Petting“ – und obwohl es nicht halb so erregend war wie Zungenküsse, musste man durch das ganze Ritual durch – Pflichtprogramm ohne Kür, sozusagen. Ich glaube nicht, dass die jungen Frauen der damaligen Zeit viel dabei empfanden – es war nun einmal so: Jungs versuchten es, Mädchen gaben ein bisschen nach. Wer nie auch nur ein bisschen nachgab, hatte auch kaum jemals einen Freund – vielleicht ließen sich deshalb alle auf diese Weise betatschen.

Ob und wie viel gewährt wurde, war selbstverständlich abhängig vom Stadtteil, in dem das Mädchen wohnte: In Schwachhausen wurde es dem Ebenbürtigen still gewährt, wenn Aussicht bestand, dass er auch einmal eine dauerhafte Verbindung mit der jungen Dame eingehen würde – und dies wurde sogar von den Eltern still geduldet, wenn man denn Verlobungsabsichten hatte oder bereits verlobt war. Zudem kannte man im Notfall jemanden, der den größten anzunehmenden Unglücksfall, die Tochter „in Schande“ zu bringen wieder rückgängig machte – und in manchen Familien lernten die Töchter sogar, wie man sinnvoll verhüten konnte. Wer nicht ebenbürtig war, hatte ohnehin keine Chance – man blieb, wenn es ging, unter sich. Damals bestanden in den Hansestädten noch englisch anmutende Standesdünkel.

In anderen Stadteilen – in Walle, Hemelingen oder in der Neustadt beispielsweise, waren die Arbeiterinnen, Verkäuferinnen und Friseurinnen nicht so „pingelig“. Sie ließen sich nicht nur streicheln, sondern taten „es“ auch, wenn der Mann darauf bestand und viel Alkohol im Spiel war. Hier dachte man (wenngleich nicht überall) so: „Die Männer wollen es ja, also gebe ich es – wenn ich es nicht mache, macht es eine andere mit ihnen“.

(wird fortgesetzt)

Der unsinnige Streit um „Ossis“ und Wessis“ hat uns vergessen lassen, dass es außer „Ost“ und „West“ auch noch West-Berlin gab. Einst vor den Westalliierten gerettet, und von Westdeutschland über alle Maßen gefördert, wurde es nach und nach zu einer Hochburg städtischer Arroganz: Es gab eben den Westen und es gab West-Berlin, und in Berlin entwickelte sich eine Nimm-Kultur: Die "in Westdeutschland" fühlen sich immer irgendwie schuldig, also halten wir mal die Hand auf.

Früher, ja früher – da blickte man auf diese Stadt und berichtete stolz vom Überlebenswillen ihrer Bürger. Und heute? Das Land Berlin hat politisch versagt – und insbesondere seine Ex-Westberliner Bürger müssen dies wohl zur Kenntnis nehmen und einmal überprüfen, ob ihre Geisteshaltung noch stimmt. Wir schauen nämlich wieder auf diese Stadt – und erschauern über ihre marode Landespolitik.

Sehr interessant – da musste es wohl irgendwann einmal knallen, damit in Deutschland eine Debatte über die Schule beginnt – und kaum hat sie nun begonnen, da sind wir schon wieder mitten in der Sackgasse.

Jedenfalls wenn man dem Berliner Integrationsbeauftragten Günter Piening glaubt. Der ist unzweifelhaft kompetent, wenn es Migration geht – und dazu wurde er sinnvollerweise auch befragt – aber was berechtigt diesen Mann eigentlich, dies zu sagen: „Wenn etwas gescheitert ist, dann ist das eine Politik, die glaubt, wir könnten eine ganze Generation von Jugendlichen in die Perspektivlosigkeit schicken“.

Welche Politik denn nun bitte, Herr Piening? Wie man unschwer feststellen kann, stehen Sie der Grünen Partei nahe. Diese hatte ja einige Jahre Zeit, den Jugendlichen eine Perspektive zu geben, oder meinen Sie nicht? Zum Zweiten: Da steht nicht „eine ganze Generation von Jugendlichen in der Perspektivlosigkeit“ – welche kühne Behauptung, denn Herr Piening meinte ausdrücklich alle Jugendlichen, also nicht nur Migranten und nicht nur Hauptschüler..Offensichtlich glaubt er, es sei eine brauchbare Methode, die Perspektivlosigkeit erst herbeireden und sich dann wundern, dass sie auch kommt. Oder ist es die richtige Ansprache an Jugendliche „ihr habt doch sowieso keine Chance?“

Ich denke, Herr Piening sollte sich einmal informieren: Über Personalchefs, die händeringend nach guten Fachkräften in bestimmten Berufen suchen. Und selbst in Berlin werden Spüler und Zimmermädchen gebraucht, ganz zu schweigen vom Bedarf in Westdeutschland und im übrigen Europa. Wer meint, das sei keine Perspektive, der sollte sich vielleicht darüber belehren lassen, dass es zunächst einmal überhaupt darum geht, in Lohn und Brot zu kommen – denn ein guter Chef fördert seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, und aus dem Spüler wird vielleicht ein Hilskoch oder sogar ein Koch – und das Zimmermädchen kann es zur Serviererin bringen oder in die Rezeption kommen. Aber wissen Sie, ich höre schon die Reaktionen: „Hungerlöhne“ und“ lohnt sich nicht“ und „überhaupt – keine Perspektive“. Natürlich nicht. Wer keine will, der hat auch keine.

Die Diskussion im Überblick: hier.

Ich bin mehr aus Zufall auf die Seite der Gruppe „DieGesellschafter“ gekommen, die offenbar ein Ableger der „Aktion Mensch“ sind (das wieder ist der Nachfolger der „Aktion Sorgenkind“).

Die unmittelbare Ursache war ein Kommentar, den ich bei Cem abgegeben hatte, doch heute sah ich erstmals ein Plakat der Aktion. Sehen Sie, es ist nun so: Ich würde mich sehr gerne von etwas angesprochen fühlen, doch ich muss Ihnen gestehen, dass mich keines der Gesichter auf diesem Plakat anspricht, und das liegt nicht an dem rechts unten abgebildeten Kind mit dem Down-Syndrom, sondern daran, dass mir alle hier dargestellten Gesichter befremdlich vorkommen. Besteht die Welt aus Menschen, die wie Pfarrer, Magersüchtige oder Sozialarbeiterinnen aussehen? Wollte ich ernsthaft in Ihrer Gesellschaft leben, um die Frage des Plakats einmal anzunehmen?

Meine Antwort ist: nein. Und wäre ich so primitiv, wie das Plakat uns allen wohl unterstellt, dann wäre die ganze Aktion damit für mich erledigt. Doch, einen Moment mal, bitte – wie war die Fragestellung eigentlich?

In was für einer Gesellschaft wollen wir leben?

Vergessen wir mal den Schnitzer mit „was für einer?“, denn natürlich muss es „welcher“ heißen, dann unterstellt die Frage immer noch, dass es Gesellschaften zum Aussuchen gibt – oder dass sie mit einer gewissen Beliebigkeit erzeugt werden können. Das funktioniert natürlich nicht – aber das weiß die Initiatorin, die „Aktion Mensch“ so gut wie sie alle, meine Leserinnen und Leser. Nur – warum tut sie dann so, als hätten wir die Wahl?

Wer sich ein wenig einliest in das, was die Kommentatoren schreiben – nun ja, sie fordern eine bessere Welt. Diese Platte dudelt nun schon seit Jahrhunderten auf veralteten Grammofonen – doch auch die Musik der Aktion selbst ist um nichts besser: Wieder (zum wie vierten Male eigentlich noch?) wird das Ehrenamt strapaziert, das weder Ehre bringt noch ein Amt ist. Wer in solchen Ämtern tätig war, weiß dies: Er hat manchen Rüffel kassiert, ist oft auf die Füße getreten worden, hat ab und an mal ein dankbares Auge gesehen (der Betroffenen, weniger der hauptamtlichen Helfer) und muss nach Jahren erkennen: Es hat sich nicht ausgezahlt. Die sozialen Organisationen haben abgeschöpft, was ging – und der Mensch, der das Ehreamt innehatte, war eben billiges Mitarbeitermaterial von damals.

Solange sich daran nichts ändert, das heißt, so lange der, der Hilfe gibt keinen Lohn in irgendeiner Form davonträgt – solange ist es absolut sinnlos, über das Ehernamt noch weiter zu reden – denn so wenig, wie ein Hartz IV-Empfänger freiwillig Papier von der Straße aufpickt, so wenig sind Wohlfahrtsorganisationen freiwillig bereit, ihren ehemaligen Helfern im Alter eine besser dimensionierte Unterstützung anzubieten. Falls ich mich irre – bitte schön. Es gibt die Möglichkeit, Kommentare zu hinterlassen. Nicht nur hier. Auch bei „Die Gesellschafter“.

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Bild: Pressematerial © 2006 by Aktion Mensch

Wem soziale Innovationen in einer Gesellschaft am Herzen liegen, die immer mehr ihre Maßstäbe verliert, dem wird bei solch einer Initiative ganz schwummerig: Hätten Sie’s nicht ein bisschen Kleiner, ein bisschen Überschaubarer und mit weniger großen Worten, Galaveranstaltungen und vor allem – nicht immer mit denselben ausgetretenen Pfaden?

Und vor allem bleibt Cem’s Frage offen: „Was könnten die Blogger eigentlich tun, um Schritte gegen die Armut zu unternehmen?“ Ich würde die Frage dennoch gerne erweitern: „Was können Blogger eigentlich dafür tun, um irgendetwas nachhaltig Positives in die Welt zu bringen“? Alles, was ich von Bloggern höre (im Sinne von: "zurückhallen höre"), ist weder nachhaltig noch positiv.

Es schlug wie eine Bombe ein: Schüler haben die Macht in einer Berliner Schule übernommen. Sie respektieren keine Lehrer mehr, ja, sie bedrohen diese sogar permanent, schlagen Mitschüler zusammen und werfen Steine auf sie.

Alltag einer Hauptschule in Berlin. Die Rektorin zu jetzt die Notbremse: Die einzige Lösung sei, die Schule aufzulösen – so gehe es nicht mehr weiter. Die Reaktion der Politik, bevor die Presse Wind davon bekam: Lässig-arrogant - und auch jetzt noch bestreitet der Berliner Bildungssenator Böger, dass sein Eingreifen nötig gewesen wäre, wiegelt ab, will Sozialarbeiter schicken.

Vorläufig aber schickt der Senator mal Polizei, die verhindern soll, dass die Schüler Waffen in die Schule tragen – wie nett von ihm. Die Opposition sagt indessen, aber auch aus sicherer Distanz, die Wahrheit: „Gewalt, Ausgrenzung und Terror gegen Lehrer und Mitschüler gehören seit Jahren zum Alltag an vielen Berliner Schulen“.

Wann wird die Berliner Landesregierung handeln, wie wird sie handeln, und bis wann wird sie den Frieden in den Schulen wiederhergestellt haben? Die Bürger dieses Landes erwarten Antworten von Senator Böger. Sollte er sich nicht als fähig erweisen, das Problem zu lösen, das ihn in die Weltpresse zerrt – der Weg hinaus ist durch die Tür.

Der Schockwellenreiter begeistert seine Fans ja allwöchentlich mit einem Artikel darüber „ wie Kapitalismus funktioniert“. Ich revanchiere mich hier mal mit einem, wie Sozialdemokratie funktioniert: Man nehme eine ungeeignete Kandidatin, die sich auch noch vor den Karren der Gewerkschaft Verdi spannen lässt und dabei verkündet, dass sie den bei den Bürgern verhassten Streik im öffentlichen Dienst gut findet. Die Kandidatin fährt ihre Partei bei der Landtagswahl frontal gegen die Wand.

Statt sich zu ihrem persönlichen Versagen zu bekennen und auf jede weitere Kandidatur zu verzichten, stellt sie sich sofort wieder ins Rampenlicht und wird von ihren Kameraden Sozialdemokraten auch gleich wieder aufs Schild gehoben: „Das Präsidium der SPD in Baden-Württemberg hat Landeschefin Ute Vogt mit sechs zu zwei Stimmen als Vorsitzende der neu gewählten Landtagsfraktion vorgeschlagen.“

Sehen Sie, so funktioniert Sozialdemokratie: Verlierer helfen Verlierern, damit am Ende wenigstens alle verlieren.

 

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