Typisch deutsch: die Überflutung. So, als ob es einem Naturgesetz folgen würde, was da angeblich auf uns zurollt: eine Flut. Sie wird die dünne Moralkrume, die auf unserer Seele liegt, hinwegspülen, und zurücklassen wird sie nur noch die nackte Begierde.
Mittlerweile vergeht kein Tag, an dem sich nicht irgendein schlaues Mägdelein oder auch ein schlaues Kerlchen in der Zeitung, einem Blog oder sonst wo wichtig tut mit dieser Aussage: Die sexuelle Reizüberflutung wird dies oder jenes tun, unterlassen, zerstören oder was auch immer.
Beginnen wir einmal mit meiner Wohnung: Wo bitte, ist dort die „sexuelle Reizüberflutung“, wenn ich sie mir nicht hereinhole? Die Nachbarinnen sind entweder nicht schön oder verschließen die Fenster, wenn sie sich ausziehen, und im Frühjahr höre ich höchstens die erbärmlichen Laute rolliger Katzen, die meine Ruhe stören. In meiner Tageszeitung steht vielleicht einmal etwas von einem Lustmord, ansonsten gibt sie sich brav: Keine Chance für eine Reizüberflutung – alle Dämme sind intakt. Wenn ich fernsehe, kann ich Arte, die deutschen Regionalsender, die ARD, das ZDF, Phoenix oder meinetwegen CNN oder BBC wählen – keine sexuelle Reizüberflutung – so schön sind die Anchorwomen nun auch wieder nicht. Wähle ich hingegen einen der Sexsender oder das dümmliche Privatfernsehen, kann ich mich der Sexwerbung freilich nicht entziehen – das müssen die Leute, die so etwas sehen wollen, eben in Kauf nehmen.
Ich kann auch noch den Spiegel oder die ZEIT kaufen, ohne sexuell reizüberflutet zu werden, allerdings weder ELLE noch VOGUE. Muss ich aber nicht kaufen.
Wenn ich hinausgehe, fahre ich über Straßen, die meine ganze Aufmerksamkeit erfordern – keine erotische Reizüberflutung. Ich parke mein Fahrzeug auf dem Firmenparkplatz – nicht sehr erotisch, öffne die Tür zum Büro – die üblichen Gesichter, keine erotische Reizüberflutung, oder höchstens alle Jubeljahr einmal, wenn eine der Damen bei über 40 Grad und entsprechendem Brustumfang ein stoffarmes Sommerkleid trägt.
Wo bitte, geht’s eigentlich zur erotischen Reizüberflutung? Nicht, dass ich den Weg nicht wüsste. Aber im Alltag begegnet er mir nie.
Mittlerweile vergeht kein Tag, an dem sich nicht irgendein schlaues Mägdelein oder auch ein schlaues Kerlchen in der Zeitung, einem Blog oder sonst wo wichtig tut mit dieser Aussage: Die sexuelle Reizüberflutung wird dies oder jenes tun, unterlassen, zerstören oder was auch immer.
Beginnen wir einmal mit meiner Wohnung: Wo bitte, ist dort die „sexuelle Reizüberflutung“, wenn ich sie mir nicht hereinhole? Die Nachbarinnen sind entweder nicht schön oder verschließen die Fenster, wenn sie sich ausziehen, und im Frühjahr höre ich höchstens die erbärmlichen Laute rolliger Katzen, die meine Ruhe stören. In meiner Tageszeitung steht vielleicht einmal etwas von einem Lustmord, ansonsten gibt sie sich brav: Keine Chance für eine Reizüberflutung – alle Dämme sind intakt. Wenn ich fernsehe, kann ich Arte, die deutschen Regionalsender, die ARD, das ZDF, Phoenix oder meinetwegen CNN oder BBC wählen – keine sexuelle Reizüberflutung – so schön sind die Anchorwomen nun auch wieder nicht. Wähle ich hingegen einen der Sexsender oder das dümmliche Privatfernsehen, kann ich mich der Sexwerbung freilich nicht entziehen – das müssen die Leute, die so etwas sehen wollen, eben in Kauf nehmen.
Ich kann auch noch den Spiegel oder die ZEIT kaufen, ohne sexuell reizüberflutet zu werden, allerdings weder ELLE noch VOGUE. Muss ich aber nicht kaufen.
Wenn ich hinausgehe, fahre ich über Straßen, die meine ganze Aufmerksamkeit erfordern – keine erotische Reizüberflutung. Ich parke mein Fahrzeug auf dem Firmenparkplatz – nicht sehr erotisch, öffne die Tür zum Büro – die üblichen Gesichter, keine erotische Reizüberflutung, oder höchstens alle Jubeljahr einmal, wenn eine der Damen bei über 40 Grad und entsprechendem Brustumfang ein stoffarmes Sommerkleid trägt.
Wo bitte, geht’s eigentlich zur erotischen Reizüberflutung? Nicht, dass ich den Weg nicht wüsste. Aber im Alltag begegnet er mir nie.
sehpferd - am Sonntag, 28. März 2004, 22:42 - Rubrik: aufgegriffen
Oh, es ist nichts ... nur ein Foto, und es heißt „Blogging“, stellt eine Bloggerin dar und sagt nichts über ihre Schreibe aus, sondern – nun ja, man muss es halt selbst sehen. Dennoch gibt es auf der Seite auch Text, nämlich auf der „Pussy Ranch“ von Diabolo.
noch nichts dazu gesagt - etwas dazu sagen
Ach wie schön kann das Leben sein, wenn man Journalistin ist: Sich mal von einem Eheinstitut einladen lassen, an einem so genannten „Blitz-Date“ teilnehmen, und dann noch darüber schreiben.
Wie es geht? Ganz einfach: Man bringt gleich viel Männer und Frauen zusammen, und dann dreht man die Sache so, dass jeder mal mit jedem darf – reden, versteht sich: fünf Minuten. Sieben Mal fünf Minuten gibt 35, dann noch ein Round-Table-Gespräch. Na bitte - da hat man ja Zeit, sich kennen zu lernen.
Eigentlich sollten es laut Webseite des Veranstalters zehn Teilnehmer gewesen sein, und dann hätte es sich wohl für das ausrichtende Heiratsinstitut gelohnt: 25 Euro nimmt man von jedem Teilnehmer – das freilich, stand nicht im Kölner „Express“ – und die Webseite des Unternehmens ist auch nicht ganz a Jour: Das nächste Treffen, so verkündet man, fände am Samstag, dem 14. Februar 2004 um 18.00 Uhr statt. Den hatten wir schon.
Die Journalistin fand es „lustig“: ihr Fazit (Zitat): Es war ein schöner Abend. Auf diese Weise kann man neue Leute kennen lernen, vielleicht ja auch den Traumpartner. Am nächsten Tag erhielt ich sogar per E-Mail die Nachricht, dass ich ein „Match“ hab.
Das hätte sie auch ohne die Agentur feststellen können.
Wie es geht? Ganz einfach: Man bringt gleich viel Männer und Frauen zusammen, und dann dreht man die Sache so, dass jeder mal mit jedem darf – reden, versteht sich: fünf Minuten. Sieben Mal fünf Minuten gibt 35, dann noch ein Round-Table-Gespräch. Na bitte - da hat man ja Zeit, sich kennen zu lernen.
Eigentlich sollten es laut Webseite des Veranstalters zehn Teilnehmer gewesen sein, und dann hätte es sich wohl für das ausrichtende Heiratsinstitut gelohnt: 25 Euro nimmt man von jedem Teilnehmer – das freilich, stand nicht im Kölner „Express“ – und die Webseite des Unternehmens ist auch nicht ganz a Jour: Das nächste Treffen, so verkündet man, fände am Samstag, dem 14. Februar 2004 um 18.00 Uhr statt. Den hatten wir schon.
Die Journalistin fand es „lustig“: ihr Fazit (Zitat): Es war ein schöner Abend. Auf diese Weise kann man neue Leute kennen lernen, vielleicht ja auch den Traumpartner. Am nächsten Tag erhielt ich sogar per E-Mail die Nachricht, dass ich ein „Match“ hab.
Das hätte sie auch ohne die Agentur feststellen können.
sehpferd - am Sonntag, 28. März 2004, 18:42 - Rubrik: seltsame welt
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Der Ort: Wiinipeg in Kanada. Die Sache: Man dreht Pornos, und zwar mit Ortsansässigen. Etwa drei neue weibliche Bewerberinnen habe man jeden Monat, aber massenhaft Anrufe von interessierten Männern. Dabei sei das Geschäft für Männer keinesfalls lohnend: Nur etwa 100 bis maximal tausend US-Dollar erhält ein männlicher Schauspieler von der amerikanischen Filmgesellschaft „Real Productions“, während man Frauen dort 15.000 US-Dollar zahlt: „unser Geld machen wir mit den Frauen“, sagt der Produzent – mit Männern könne man nicht werben – kein Pfifferling wäre daran zu verdienen.
Man dreht "Amateurpornos", und man erwarten von den Akteuren genau das zu tun, was sie sind und der Titel aussagt: Anfänger sein, Frischling sozusagen. Man schätze die Freiheit in Kanada, wo man an viel mehr Orten drehen könne als in den USA: zum Beispiel in Büros, Hotels und Bars.
Man dürfe sich keine Illusionen machen, sagte der Produzent der „Winnipeg Sun“: Man müsse mit den Akteurinnen vor allem reden: Manche der Frauen seien anfangs sehr zurückhaltend. Man müsse ihnen dann genau erklären, was sie erwarte: das, so meint er, sei nicht immer einfach: Sie seien ja ganz gewöhnliche Menschen, keine professionellen Darstellerinnen.
Man dreht "Amateurpornos", und man erwarten von den Akteuren genau das zu tun, was sie sind und der Titel aussagt: Anfänger sein, Frischling sozusagen. Man schätze die Freiheit in Kanada, wo man an viel mehr Orten drehen könne als in den USA: zum Beispiel in Büros, Hotels und Bars.
Man dürfe sich keine Illusionen machen, sagte der Produzent der „Winnipeg Sun“: Man müsse mit den Akteurinnen vor allem reden: Manche der Frauen seien anfangs sehr zurückhaltend. Man müsse ihnen dann genau erklären, was sie erwarte: das, so meint er, sei nicht immer einfach: Sie seien ja ganz gewöhnliche Menschen, keine professionellen Darstellerinnen.
sehpferd - am Sonntag, 28. März 2004, 18:23 - Rubrik: nachrichten
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Das wöchentliche Geblubber aus den Algen
Die letzte Woche konfrontierte mich – wie so viele andere Blogger auch – mit der Frage, wie wirklich eigentlich unsere Wirklichkeit ist. Grund war weniger die deutsche „Belle de Jour“, die ja schon vor einiger Zeit bezichtigt wurde, ein Mann zu sein, sondern die Englische Prostituierte „Belle de Jour“.
Man stelle sich das Szenario einmal vor: Da wetteifern drei englische Zeitungen, unter ihnen eine angeblich so ehrbare wie die „Times“, darum, wer die bloggende Londoner Hure „Belle de Jour“ enttarnt, und es war eben jene Times, die den Vogel abschoss – nur lag sie leider falsch.
Womit ich beim Thema wäre. Das Internet erlaubt Millionen von Menschen, falsche Identitäten anzunehmen. Die Londoner Hure kann eine Hure oder eine Journalistin sein, oder auch nur eine begabte ältere Lady, die sich einen Spaß daraus macht, die pseudoprüden englischen Leser am Näschen herumzuführen. Es wird Zeit zu begreifen, dass jeder im Web alles sein kann: alles, wirklich alles.
Die Art, wie die vorgebliche Urheberin von „Belle de Jour“ gefunden wurde, wäre schon beinahe komisch, wenn sie nicht in einer schamlosen Persönlichkeitsverletzung geendet hätte: Eine angebliche „Autorität“ auf dem Gebiet der Textvergleiche wollte durch ein paar merkwürdig gesetzte Zeichen festgestellt haben, dass Belle eine amerikanische Schriftstellerin ist. Was mir eine Zusatzbemerkung entlockt: Wer die Literatur oder die Presse sorgfältig studiert, und dann spektakulär irgendein Blog eröffnet, kann also bewusst darauf hinführen, dass dieses Blog in Wahrheit von (na, sie wissen schon) stammt. Die Wirklichkeit kann hier, im Web, offenbar in jede beliebige Richtung ausgeweitet werden.
Das geht gerade so weiter. Die englische Ex-Jungfrau Rosie Reid existiert, so viel ist sicher. Aber ob die Geschichte stimmt, die durch sie (und allein durch sie) an die Presse gelangt ist, wirklich stimmt, ist eine andere Frage: Es kann sein – oder eben auch nicht. Wie wirklich ist die Wirklichkeit?
Für eine andere Frau ist die Wirklichkeit nun wirklich peinlich geworden: Eine amerikanische Journalistin glaubte, die Verbreitung von scheußlichen Nacktfotos stoppen zu können, die angeblich „heimlich“ von ihr aufgenommen wurde. Sie bekam in einem spektakulären Prozess Recht – allerdings nicht lange. Denn die Fotos wurden keinesfalls „heimlich“ aufgenommen, sondern von der Bühnenkamera – und wer sich bei einer öffentlichen Veranstaltung, bei der Kameras erlaubt sind, peinlich zur Schau stellt, der muss eben auch erlauben, dass diese Bilder dann gezeigt werden, wobei mindestens dies beruhigt: Ist die Wirklichkeit „wirklich“ wirklich, dann darf sie auch öffentlich zu sehen sein.
Die letzte Woche konfrontierte mich – wie so viele andere Blogger auch – mit der Frage, wie wirklich eigentlich unsere Wirklichkeit ist. Grund war weniger die deutsche „Belle de Jour“, die ja schon vor einiger Zeit bezichtigt wurde, ein Mann zu sein, sondern die Englische Prostituierte „Belle de Jour“.
Man stelle sich das Szenario einmal vor: Da wetteifern drei englische Zeitungen, unter ihnen eine angeblich so ehrbare wie die „Times“, darum, wer die bloggende Londoner Hure „Belle de Jour“ enttarnt, und es war eben jene Times, die den Vogel abschoss – nur lag sie leider falsch.
Womit ich beim Thema wäre. Das Internet erlaubt Millionen von Menschen, falsche Identitäten anzunehmen. Die Londoner Hure kann eine Hure oder eine Journalistin sein, oder auch nur eine begabte ältere Lady, die sich einen Spaß daraus macht, die pseudoprüden englischen Leser am Näschen herumzuführen. Es wird Zeit zu begreifen, dass jeder im Web alles sein kann: alles, wirklich alles.
Die Art, wie die vorgebliche Urheberin von „Belle de Jour“ gefunden wurde, wäre schon beinahe komisch, wenn sie nicht in einer schamlosen Persönlichkeitsverletzung geendet hätte: Eine angebliche „Autorität“ auf dem Gebiet der Textvergleiche wollte durch ein paar merkwürdig gesetzte Zeichen festgestellt haben, dass Belle eine amerikanische Schriftstellerin ist. Was mir eine Zusatzbemerkung entlockt: Wer die Literatur oder die Presse sorgfältig studiert, und dann spektakulär irgendein Blog eröffnet, kann also bewusst darauf hinführen, dass dieses Blog in Wahrheit von (na, sie wissen schon) stammt. Die Wirklichkeit kann hier, im Web, offenbar in jede beliebige Richtung ausgeweitet werden.
Das geht gerade so weiter. Die englische Ex-Jungfrau Rosie Reid existiert, so viel ist sicher. Aber ob die Geschichte stimmt, die durch sie (und allein durch sie) an die Presse gelangt ist, wirklich stimmt, ist eine andere Frage: Es kann sein – oder eben auch nicht. Wie wirklich ist die Wirklichkeit?
Für eine andere Frau ist die Wirklichkeit nun wirklich peinlich geworden: Eine amerikanische Journalistin glaubte, die Verbreitung von scheußlichen Nacktfotos stoppen zu können, die angeblich „heimlich“ von ihr aufgenommen wurde. Sie bekam in einem spektakulären Prozess Recht – allerdings nicht lange. Denn die Fotos wurden keinesfalls „heimlich“ aufgenommen, sondern von der Bühnenkamera – und wer sich bei einer öffentlichen Veranstaltung, bei der Kameras erlaubt sind, peinlich zur Schau stellt, der muss eben auch erlauben, dass diese Bilder dann gezeigt werden, wobei mindestens dies beruhigt: Ist die Wirklichkeit „wirklich“ wirklich, dann darf sie auch öffentlich zu sehen sein.
noch nichts dazu gesagt - etwas dazu sagen