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Als ich mich einst sehr intensiv mit Man Ray beschäftigte, fragte mich eine Kunstliebhaberin, ob ich mich denn für den Dadaismus interessieren würde. Ich antwortete der etwas perplexen Dame, mich interessiere Lichtbildnerei, und wie sie die Dinge nennen würde, sei mir letztlich piepschnurzegal.

Jetzt, da ich mich erneut mit Paul Watzlawick beschäftige, glauben manche Leute, ich interessierte mich für den „radikalen“ Konstruktivismus – und ich muss ihnen wieder entgegen. Nein, ich interessiere mich nur für menschliche Veränderungen, und sie können die Dinge weiterhin nennen, wie sie wollen.

Irgendwie erschrecke ich, wenn ich auf das Erscheinungsdatum meines mehr als zerlesenen Exemplars sehe: "Menschliche Kommunikation", zuerst erschienen in New York, Anno 1967. Tatsächlich – das Buch muss vor etwa 40 Jahren geschrieben worden sein. Ein Buch, das nie ernstlich angezweifelt wurde, und das dennoch ständig auf Kritik stieß – zumeist bei jenen, die keine neuen Erkenntnisse hatten. Seien wir mal ehrlich: wo bleiben sie eigentlich, die Forschungsergebnisse über die menschliche Kommunikation? Zusammengefasst, verständlich, in Buchform? Wo steht sie eigentlich, die neue, umfassende, bahnbrechende Theorie mit praktischen Anwendungsbeispielen, dort draußen, im ganz normalen Alltag?

Wenn ich mich dies so frage, dann erinnere ich mich an ein Gespräch mit einer Studienrätin – es ist nicht ganz vier Jahre her. Sie wollte mir imponieren, indem sie von en Unterschieden der „verbalen“ und „nonverbalen Kommunikation“ sprach. Ich entgegnete, so, wie ich es gelernt hatte, mit „analog“ und „digital“ und erntete Empörung.

Zugegeben, die Wortwahl ist nicht alles, aber es erwies sich: Sie hatte nie von diesem Buch gehört und behauptet mit Nachdruck, so etwas wie „analoge“ und „digitale“ Kommunikation existiere nicht. Bei soviel Ignoranz, denke ich, brauchen wir noch lange keine neuen Theorien – wir müssen vermutlich erst einmal die Lehren von vorgestern gegen die von gestern eintauschen.

Nachdem ich mich heute lange und ausführlich mit der Psychologie beschäftigt habe, bleibt mir eine Frage zur Nacht: Warum beschäftigen sich so viele Autoren damit, wie wir „von etwas weg“ kommen, statt sich damit zu beschäftigen, wie wir „zu etwas hin“ kommen? Was ist denn attraktiver? „Störungen in der Kommunikation zu beseitigen“ oder „durch Kommunikation das Leben zu verändern“?

Das Erste kling mir so, als würd der Rohrreinigungsdienst kommen -das Zweite so, als stünde der Frühling vor der Tür.

Um wissenschaftlich interessierten Lesern und Praktikern die Gelegenheit zu geben, Sinn und Unsinn der Kommunikationstheorien zu diskutieren, habe ich eine neue Kategorie in „Changes“ eingerichtet. Sie heißt „Im Fokus“ und wird hauptsächlich Artikel beinhalten, die sich mit den Vordenkern der Kommunikationstheorien beschäftigen.

Die Kommunikationstheorie von Paul Watzlawick steht dabei oft auf dem Prüfstand. Ist sie heute eigentlich noch aktuell? Wird sie richtig interpretiert? Was bleibt an der Theorie unklar, was muss bezweifelt werden, wie kann sie ergänzt werden?

Sie sind eingeladen, mitzudiskutieren.

 

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