anstoss

  sehpferdvs sehpferds magazin für anstöße und anstößiges
rosinentexte_500_x
Wissen Sie, woran ich denke, wenn ich an „Heimat“ denke? An einen Würstchenstand. Genau an jenen auf dem Liebfrauenkirchhof zu Bremen. Man bestellte, nachdem man sich zu einer Wurstverkäuferin durchgedrängelt hatte, eine „Braaat“, soll heißen eine Bremer Bratwurst, die eigentlich eine Thüringer Bratwurst ist, aber eine Thüringer Bratwurst ist eben etwas ganz anderes, nämlich eine Thüringer – und in der Metzgerei, die hier eine Schlachterei ist, hieß sie sowieso „Bratwurst im Schäldarm“, weil man sie vor dem Braten aus eben diesem Schäldarm befreien musste.

Man beginnt sie mit schmerzverzerrtem Gesicht anzubeißen, weil man sie stets die Lippen verbrennt, was man zwar weiß, aber nicht wahrhaben will, aber dieser erste Biss lässt soviel Wasser im Mund zusammenlaufen, dass man wieder und wieder abbeißt, bis zur Mitte, wo sich das Brötchen zum Anfassen begindet.

Nachdem man die andere Seite dann genossen hat, wird der Wurstrest im Brötchen genüsslich verspeist, wobei einem bewusst wird, das alles vergänglich ist – vor allem Bratwürste. Der letzte Biss wird von vielen Bremern mit einem Teil des Brötchens verspeist, das anschließend teils in den eigenen Magen, teils in jenen der Sperlinge gelangt, die sich hier im Winter zum großen Teil von eben jenen Wurstbrötchen ernähren.

Wenn ich an meine Heimat denke, denke ich natürlich nicht immer an eben jenen Würstchenstand, sondern auch an die Mischung von WC-Reiniger und Eau de Cologne in mancher Bremer Treppenhäusern, und schließlich an die Weser – vor allem an jenes schöne Weserwehr, dessen faszinierend veraltete Technik jetzt einem dieser nichtssagenden Zweckbauten weichen musste.
 

Add to Technorati FavoritesMy Popularity (by popuri.us)

twoday.net AGB

xml version of this page

powered by Antville powered by Helma