anstoss

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Ob alle Kuscheltiere reden können? Meine jedenfalls konnten es. Besonders aber eben jener Hund, von dem hier die Rede sein soll: Eine Art Hundebaby, innen Watte, außen ein billiger Plüsch, mit aufgenähten Kulleraugen, kaum mehr als Körper, Kopf und Ohren. Ich darf ihnen dies sagen: Ich habe ihn geliebt, wie ich in ähnlicher Weise kaum ein Lebewesen geliebt habe.

Ich kann mich nicht erinnern, in meinem Leben, sei es in der Jugend oder im Erwachsenenalter, so viel Dialoge mit jemandem geführt zu haben wie mit jenem Plüschtier – nicht einmal mit meinem Großvater, und dem habe ich ganz schön die Ohren voll gedröhnt.

Zu Weihnachten verschwand das Objekt meiner Liebe regelmäßig. Ihn wurde dann der Bauch aufgeschlitzt, die Watte entfernt, und der Rest des Plüschtiers wurde gewaschen – was einige Jahre gut ging, doch dann zeigte die Hülle Verschleißerscheinungen, die ich der Zeit zuschreiben will (guten Plüsch gab es damals nicht), aber sicher waren es auch Zerliebungserscheinungen, die sich am armen Tier zeigten. Jedenfalls lag der frisch gewaschene und wieder zugenähte Hund dann jeden Weihnachten wieder unter dem Weihnachtsbaum.

Am Ende der vielen Jahre mit dem Tier war es so verschlissen, dass meine Mutter es nicht mehr waschen konnte, doch glücklicherweise kam ich dann auch nach und nach in die Pubertät, so dass sich andere Objekte einstellten, denen meine Aufmerksamkeit galt.

Doch eben jenes Plüschtier, jenes mit den schwarzen Kulleraugen auf dem weißen Fell, kitschig und anatomisch inkorrekt – jenes Plüschtier also kannte all die Geheimnisse, Sehnsüchte und Wünsche des Knaben, und dies kann ich Ihnen sagen – es ist schwer, im Leben einen so geduldigen und allzeit verständnisvollen Gesprächspartner zu finden wie ein Plüschtier. Ach, sie meinen, das ergäbe keine wirklichen Dialoge? Dann hatten sie nie ein Plüschtier, das sprechen konnte – ach, sie armer, armer Mensch.

Eine Sektflasche zu öffnen, ist an sich keine Kunst – die Kellner können es immer, auch, wenn sie manchmal ein Kellnertuch zu Hilfe nehmen – denn der Feind ist der Korken und er sitzt nicht nur tief in der Flasche, sondern soll den Sekt auch dort festhalten, wo er hingehört – in der Flasche. Zu bemerken wäre, dass dies nicht nur zu Kellerzeiten der Fall sein soll, sondern auch auf dem sommerlichen Transport zum Händler.

Vor allem letztere Tatsache verführt die Sektkellereien dazu, Sektkorken aus Naturmaterial zu verwenden, die sich nach unten hin stark konisch verdicken. Durch irgendeinen Trick schafft die Kelterei wohl, den Sektkork dort hinein zu pfropfen (obwohl das physikalisch fast unmöglich erscheint) - aber hinaus?

Frohen Mutes nimmt also der Liebhaber die Flasche in die Hand. Gewohnt, dass eben jenes ungarische Fabrikat (Flaschengärung, selbstverständlich) sich besonders hartnäckig widersetzt, wenn man an sein Innerstes heran will., wird gleich einmal das Küchentuch benutzt, eine kurze Konzentration, der die Kraft auf den Punkt bringt – die entscheidende Dreivierteldrehung, nach der eigentlich alles flutschen sollte wie am Schnürchen - und nichts passiert.

Man hat, in dem Bewusstsein, dass solche Fälle wohl vorkommen können, den Notfalltrick parat (wenn niemand hinguckt): einen Sektflaschenöffner. Also angesetzt, die Hebelwirkung genutzt – und siehe – es geht ganz leicht – nur, dass man nur den oberen, globenförmigen Teil des Korks entfernt hat. Der eigentliche Kork befindet sich noch da, wo er war – und rückt keinen Millimeter. Nun ja, es guckt ja gerade Niemand. Also den Korkenzieher bemüht, um den Restkork zu entfernen. Jener lässt sich auch wirklich eindrehen, ein kurzer Ruck – und der Öffner entgleitet der führenden Hand auf seinem Flug zur Zimmerdecke, wo er in Ermanglung von Schubkraft freilich nicht ankommt, sondern sich alsbald dreht, um zur Erde zurückzukehren, was bedeutet, den Kopf einzuziehen und für den Korkenzieher einen Landeplatz auf dem Teppichboden vorzusehen.

Immerhin – und dies kann ich mit Freude melden – wurde bei der Prozedur nicht ein einziger Tropfen des edlen ungarischen Sekts verschüttet.

Ja, sie haben richtig gelesen: Ja, Sie haben nichts gelesen. Kein Kommentar am Sonntag. Was in Deutschland geschah, erschien mir nicht nur belanglos, es war auch so: Die deutschen Neidhammel fallen über Herrn Schröder her – das also soll etwas besonderes sein? Hoffentlich hält er stand und beweist, dass ein freier Mann in einem freien Land denjenigen Beruf ausüben darf, den er auch ausüben möchte. Mag ja sein, dass man „Karenzzeiten“ braucht. Dann soll man sie bitte im Gesetz festschreiben und nicht wieder diese lachhafte deutsche Neidhammelmentalität heraushängen lassen:
Ach, wie schön, wie selbstgerecht wir doch wieder sind. Was haben wir davon? Nichts. Keine Lösungen aktueller Probleme, sondern das deutsche Phänomen: An den tatsächlichen Problemen tun wir nichts, aber bei Scheinproblemen kocht die Stammtischseele – und leider schüren die Journalisten noch dieses Feuer des Hasses, dass unsere Seelen verbrennt.

Manchmal bin ich froh, dass ich im Ausland wenigstens nicht dauernd mit diesem selbstgerechten Geschwätz konfrontiert werde – und dies, obwohl insbesondere die deutschen Sender das Thema den ganzen Tag strapaziert haben – es war vielleicht interessanter, als Weihnachtsmanngeschichten aufzutischen.

 

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