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erzaehlt und geschminkt

Gramse hat mir gerade gestanden, dass er, Gramse, dabei sei, neue unerotische Geschichten zu schreiben – darunter auch solche, in der er, Gramse, persönlich gar keine Rolle spiele. Er sagte, dass er erwägen würde, insgesamt ein Dutzend derartiger Geschichten zu verfassen, die allesamt erstunken und erlogen wären, zu denen er keinerlei innerlichen Bezug habe und die, wenn ich sie nicht veröffentlichen würde, im Papierkorb landen würden.

Was soll ich nur damit anfangen? Ich habe schon einmal mit einer dieser voreilig veröffentlichten Gramse-Geschichten schrecklich Schiffbruch erlitten. Und nun, da sie das kritische Publikum vielleicht gar unter den Aspekten guter Kommunikation sieht? Sie beinhalten – wie könnte es bei Gramse anders sein – lauter miserable Dialoge, die alle irgendwie in der Hose landen – mal in seiner, mal in ihrer.

Was also raten Sie mir?

Gramse erzählte mir vor einiger Zeit eine Geschichte, dass er, Gramse, eines Tages bei einer jungen Frau aus gutem Hause eingeladen war. Im Verlauf des Abends erzählte sie Gramse, dass sie, Linda Catharina L., bei Blind Dates nun schon zum zweiten Mal eine Geschlechtskrankheit bekommen habe, worüber sie, Linda Catharina L., nicht eben erfreut war.

Befragt, aus welchem Grunde sie denn mit dem fraglichen Mann ins Bett gestiegen sei, ohne auch nur an Verhütung zu denken, sagte sie: „Weil er es doch so gerne hatte“.

Gramse beschloss, in dieser Nacht (und auch später) Linda Catharina L., nicht (mehr) beizuwohnen.

Diese Geschichte hat Gramse* mir soeben erzählt:

„Ich möchte Barbara zu der Sitzung mitnehmen“, hatte Gramse seinem Chef, dem Herrn Friedhelm Dietrich Holzeneiner, gerade vorgeschlagen. Der sah Gramse halb an, als hätte er soeben sein Weihnachtsgedicht falsch aufgesagt und halb wie die Schwester Maria aus der psychiatrischen Klinik ihre neuen Patienten immer ansieht. Schließlich holte er tief Luft und sagte: „Barbara? Aber die hat doch von deinem Projekt nicht den blassesten Schimmer, Jojo“. Das stimmte natürlich, doch Gramse hielt dagegen: „Ich hoffe, dass du dich noch an das Liebeneiner-Projekt erinnerst, FDH, da hatten wir auch Barbara mit – und sie hat ja wohl die Kohlen für dich aus dem Feuer geholt, oder nicht?“

FDH hatte keine Lust, lange mit Gramse zu streiten, und sagte schließlich: „Na, dann nimm sie eben mit“.

Man ging in die Sitzung. Nach vier Stunden war die Luft dick, die Köpfe waren verrammelt und das Projekt kurz vor dem Scheitern, als sich Barbara meldete, was alle verwunderte: Sie hatte keine Kenntnisse des Produkts, keine Fachkenntnisse und vor allem nicht die geringste Ahnung vom Projekt. Sie sagte einen Satz, dann einen Zweiten, schließlich einen Dritten, der in eine Frage mündete. Sie erhielt eine Antwort, die sie sofort noch einmal vereinfachte, stellte sie als Argument in den Raum, nahm einen zweiten Zipfel aus der Diskussion auf und stellte ihn dagegen. Es dauerte noch etwa eine Stunde und dann war die Sache unter Dach und Fach.

Gramse sagt mir noch, er wünsche sich, dass mehr Menschen erkennen würden, wie wichtig eine Barbara im Team ist, und er verriet mir auch, was Barbara getan hatte: Sie hatte den einzig wichtigen Kernsatz, der in den ersten vier Stunden mehrfach erwähnt, aber nicht ausdrücklich ausgesprochen wurde, auf ein Minimum reduziert und dann gefragt: „Habe ich dies richtig verstanden?“

* Zur Person von Gramse.

Ich kann Ihnen eine interessante Neuigkeiten von Gramse berichten: ja, jenem Johann Fürchtegott Gramse, den man JoJo nennt. Sie wissen vielleicht, dass er Schriftsteller ist – sehen Sie und nun hat er eine Idee: Sein neues Buch ist nämlich das Buch über ein Blog, das ein Blog über ein Buch ist.

Das Buch, das Gramse schreibt, handelt von einem jungen Mann, der sein Erstlingswerk mithilfe eines Blogs schreibt und dabei vorgibt, eine Frau zu sein, die dieses Blog führt. Ihr erster Eintrag besagt, dass sie, nach dem sie arbeitslos geworden ist, den Beruf einer Domina anstrebt. Diese Dame nun wird nach und nach, wie es in Blogs üblich ist, beinahe täglich einen Eintrag schreiben, um dem Leser ihren Weg in die Welt der Dominanz zu beschreiben. Wir nennen die Dame mal Gisa, damit es einfacher wird für Sie, und den Autor nennen wir Günther.

Gramse erfindet nun also Günther, der täglich Gisa erfindet, wodurch die Handlung im Groben festgelegt ist. Allerdings haben beide, Gramse und Günther, mit Gisa sehr schnell ein Problem: Sie wird nämlich durch ihr Blog plötzlich Gegenstand eines gewissen öffentlichen Interesses. Sie kommt nämlich mit den Webexistenzen in Kontakt, die selbstverständlich glauben, dass Gisa eine Frau ist, die beabsichtigt, den Beruf einer Domina zu ergreifen.

Günther muss sich also nun in einen Dialog verwickeln lassen, aber nicht als Schriftsteller, sondern als die Dame, von der er vorgibt, dass sie eine Domina werden möchte und Gramse muss ihm die Worte dafür zurechtlegen.

Durch diese Dialoge der Dame Gisa mit den Webexistenzen kommt nun eine Handlung zustande, die der Mann, der das Buch schreibt, über das Gramse gerade ein Buch schreibt, so nicht geplant hatte. Zwar ist die Dame Gisa nicht existent, aber ein großer Teil der Webexistenzen sind mit ihr vernetzt und fühlen und denken mit ihr.

Dadurch ist nun eine neue Realität entstanden, dann obzwar es keine Gisa gibt, existiert sie doch als soziale Realität innerhalb eines kybernetischen Modells, das hinfort ein Eigenleben führen wird. Schon melden sich einerseits feministische Bloggerinnen, die dringend davon abraten, sich in die zwielichtige Halbwelt sexueller Ausbeutung zu begeben, während andererseits bereits die ersten Anfragen nach den Dienstleistungen kommen.

Wie soll sich Gisa nun verhalten? Wie Günther? Wie Gramse?

Dies alles, liebe Leserinnen und Leser, passierte vor einer Woche.

Vorgestern nun bekam ich einen Telefonanruf: Gramse war dran, und er befand sich in äußert schlechter Verfassung. Soeben habe Renate R., die Kulturredakteurin der örtlichen Zeitung angerufen, um anzufragen, ob Frau Gisa Gramse ihr wohl für ein Gespräch zur Verfügung stehe. Gramse sagte, ihm sei nichts anderes eingefallen als zu sagen, seine Tochter sei verreist, aber das könne er doch nächste Woche nicht auch noch behaupten.

Heute kam ein großer Briefumschlag bei mir an: Er enthielt einen Rohentwurf für ein Buch, ein paar handgeschriebene Seiten, und etliche Computerausdrucke – von Screenshots bis zu Emails, sowie handschriftlich das Passwort zu seinem Blog und den Satz: "Nimm, alter Freund, ich erhole mich in einer Klinik im Schwarzwald".

Ich habe die Unterlagen erst einmal in den Schuhkarton unter mein Bett gestellt, und Ihnen sage ich dies: Wenn sie in den nächsten Tagen ein verlassenes Erotikblog finden, dann bezichtigen Sie nicht mich, denn diese Geschichte ist erstunken und erlogen

Immer, wenn ich in die Bodega komme, fällt mein Blick wie von einem Magneten gezogen auf die altmodischen Barhocker, auf den hoch, stolz und meist kurzberockt jene Damen sitzen, die gegen kleine Geschenke durchaus bereit sind, von dort aufzustehen und in das Auto eines reisenden Herrn einzusteigen, es sei denn, sie wären fest vergeben und warteten, bis ihre Liebhaber von der Geschäftsreise zurückkamen. Ich will nicht verhehlen, dass es auch ein paar abenteuerlustige Sekretärinnen gab, die in der Mittagspause mal schauen wollten, ob sie mit den Damen hier konkurrieren konnten.

Ich setze mich dann auf meinen Stammplatz, auf den kleinen roten Hocker in jenem Winkel zur Bar, in dem ich aus einer günstigen Perspektive beobachten kann, wer heute anwesend ist – und was die Damen tragen. Es ist Tradition in diesem Haus, dass sich alle Damen einer gewissen Kleiderordnung unterwerfen – am besten, man kauft gleich bei jener bekannten Modistin, bei der nun mal eben teure Huren und reiche Bürgerfrauen kaufen – so verwischt man den Unterschied automatisch.

So tragen denn alle Damen dezente Oberteile – sie werden hier niemals einen frech hervorlugenden Nippel oder fleischige Brüste im Schaufenster eines Dekolletes sehen. Doch ein wenig erkennt man an den Röcken, Strümpfen und Schuhen, wer geneigt ist, auf Kontaktwünsche einzugehen und wer nicht.

Aus der sitzenden Position hat man einen guten Blick auf die Gesäße der Damen, erkennt ihre Beinhaltung, erhascht hier und da einen Blick auf die Dessous – so, als hätten Architekt und Innenausstatter bereits alles genau so vorgesehen. Vor allem aber bekommt man einen schönen Blick auf die Beine, die meist züchtig nebeneinander gesetzt sind.

Marlene hat heute besonders viel zu tun, ihr neues kurzes Modellkleid immer mal wieder ein wenig herunterzuziehen, wenn es gar zu hoch gerutscht ist, und netterweise dreht sie sich dazu immer ein wenig zu ihrem Publikum um. Als sie mich sieht, lächelt sie huldvoll, um sich dann abrupt wieder dem Tresen zuzuwenden. Sie weiß, dass ich als Kunde nicht so recht in Frage komme – doch wer weiß, für welchen Zweck sie mich noch einmal brauchen kann.

Ich trinke meinen Pinot, wie jeden Tag und kann die Blicke nicht von den Füßen der schwarzhaarigen Carla lassen, die in blutroten Highheels an der Bar sitzt, mit denen sie irgendeinen Takt wippt. Schöne Beine machen mich verrückt, und Highheels sowieso. Am liebsten möchte ich zu ihr hinkriechen und sie fragen, ob ich einfach so dasitzen darf, nur um sie zu betrachten. Allerdings sind nicht nur die Damen hier immer Damen, sondern die Herren sind auch immer Herren. Ich kann Carlas Beine von der Ferne bewundern und dabei brav die Hände an meinem Glas lassen oder zu ihr gehen, ihren Preis bezahlen und dann mit ihr hinausgehen. Ich werde mich hüten, es zu tun - wenn man hier einmal Kundenstatus hat, kann man kein vernünftiges Gespräch mehr führen.

Der schwere Samtvorhang, der die Tür verdeckt, teilt sich und Conny kommt herein. Sie will ein paar neue Bilder für ihre Webseite, so, wie es ihr die Herren vorgeschlagen haben, die dafür im Voraus bezahlen. Wir diskutieren die Sache einen Moment, und stellen fest, dass wir die Sache am besten sofort machen. Kein Studio. Lilly, die Barfrau wohnt gleich in der nächsten Seitenstraße. Wir lassen uns den Schlüssel von ihrer Wohnung geben und schießen ein paar Bilder in der Küche, ein paar im Bad und noch eine ganze Serie im Aufzug.

Wir gehen zurück in die Bar, zeigen der Barfrau kurz die Bilder, ich gebe Conny den Datenträger, sie küsst mich auf die Wange und sagt im Hinausgehen: Was bekommst du dafür? „Wie immer, ist das in Ordnung?“, schlage ich vor. Sie lächelt, „du machst schlechte Geschäfte, JoJo“, ruft sie mir noch durch den Samtvorhang nach.

Ja, wahrscheinlich, und außerdem war Carla jetzt weg. Jemand hatte offenbar Gefallen an ihren Füßen gefunden – aber vielleicht war es auch etwas anderes. Sie hat auch wunderschöne schwarze Mandelaugen, in die ich dann und wann heimlich sehe, wenn ich doch die Bar wähle, um meinen Beobachtungen nachzuhängen. Doch mir war jetzt ohnehin nur nach einem schwarzen Kaffee - und außerdem hatte Lilly noch einen Job für mich. Bezahlung nicht "wie üblich", sondern in bar. Eine falsche Biografie einer 40-Jährigen, die sich gerade mit einer neuen Erotik-Idee slbstständig macht – alles für das Internet, mit stark geschönten Fotos. Na also.

Diese Geschichte ist, wie alle Gramse-Geschichten, erstunken und erlogen.

preisbloggen

Eine Fingerspitze berührt die Haut – frag jetzt bitte nicht, welchen Teil der Haut. Du wirst es spüren, später. Im Moment darfst du raten. Kannst du hören, wo mein Finger sich gerade befindet? Kannst du schon die Wärme fühlen, die von ihm ausgeht? Oder fürchtest du schon die Stelle, an der mein spitzer Nagel deine Haut berühren wird? Ich weiß, du fürchtest dich, denn du zuckst jedes Mal zusammen, wenn sich mein angespitzter Fingernagel in deine Haut eingräbt, um langsam sichtbare Kreise zu ziehen.

Du fragst immer noch, auf welchem Teil deiner Haut das kleine, stechende Insekt landen wird, das jetzt noch in der Luft über dir schwebt? Ach, die Nacht ist noch sehr lang – und ich habe sehr, sehr viel Zeit für dich.

Nachtfalter fragt sich, wer diese Geschichte wohl aufnehmen wird.

Die Nacht war schwül und wild gewesen. Mein Schlafzimmer roch dementsprechend. Ein wenig nach den Früchten der Liebe, ein wenig nach abgestandener Luft und ziemlich viel nach Schweiß, der sich langsam zersetzte. Charly war wach, schnüffelte erst einmal in die Schlafzimmerluft hinein und dann an mir herum: „Ich glaube, deinen Duft würde ich aus tausenden von Frauen herauskennen“.

Das mag ein Kompliment für eine Wurstverkäuferin sein, aber nicht für mich, und ich wollte ihm gerade irgendetwas in der Richtung von „dann geh doch zu deinen tausend Tussen“ sagen, als mir eine Geschichte einfiel, und ich sagte statt dessen: „Mir reicht, wenn du meinen Duft aus drei Frauen herausfindest“.

Er stutze. „Aus drei Frauen“, fragte er mit einem etwas dümmlichen Grinsen. „Ja, aus drei“, erwiderte ich: „Schlag etwas vor, was ich bekomme, wenn du es nicht schaffst“. Er grinste noch ein bisschen breiter und sagte schließlich: „Darauf, dass ich dich erkenne, verwette ich sogar meinen Hintern“. Ich konnte gar nicht schnell genug einschlagen – den hatte er schon jetzt verloren. "Und was bekomme ich von dir, wenn du verlierst?" „Dann gehöre ich dir für eine Nacht, und ich darf mich gegen nichts wehren, was du von mir verlangst“. Sein falsches Grinsen wandelte sich schnell in ein breites Jungenlachen: Er glaubte offenbar, schon gewonnen zu haben.

Seine Chancen waren so groß wie die eines dummen Touristen beim Hütchenspiel in der Fußgängerzone. Seinen Hintern hatte er schon verloren. Fragte sich bloß noch, was ich mit meinem Gewinn anstellen würde.

Diese Geschichte endet hier für Nachtfalter und für Sehpferd. Wie immer hoffen wir, mit der Wandlung wieder einmal etwas zu bewirken und Fantasien freizusetzen für ihre eiegnen erotischen Geschichten, die sparsam mit Körperflüssigkeiten umgehen sollten – außer in diesem Fall mit dem Schweiß, selbstverständlich.

Gabriele hatte mich an diesem Tag schon häufiger gefragt, was mit mir los sei, doch ich wollte sie nicht immer wieder damit nerven. Ich hatte keine Partnerin für meine unerfüllten Lüste, fand auch keine in der Stadt, in der alles so kernseifensauber war, dass ich meine Wünsche niemandem offenbaren konnte. Gabriele kannte sie ein wenig, doch nicht genau genug, um sich ein Bild zu machen, und außerdem – mit ihr ging es nicht. Sie war eine Freundin. Wer will schon eine Freundin verlieren, wenn es um nichts als Sex geht?

Ich denke, Gabriele schenkte absichtlich immer wieder nach – sie weiß, dass ich dem Pinotage nicht widerstehen kann. Sie setzte sich so, dass ich in ihre Augen sehen muss – liebevolle hellblaue Augen, die aber messerscharf stechen können, wenn sie die Pupillen zusammenzieht. Ich weiß nicht, wie es sich genau abspielte, jedenfalls traf mich ein Blitz aus ihren Augen, während gleichzeitig eine Frage in mein Hirn schoss: „Was wünscht du dir eigentlich wirklich von einer Frau?“

Ich trank hastig einen weiteren großen Schluck und versuchte zu schweigen, doch der Satz war bereits alle im Gehirn formuliert, suchte den Weg nach draußen, und schließlich kam er heraus, fast ungewollt:. „Eine ... eine Frau, die mich ... völlig beherrscht“. Gabriele sah mich weiter durchdringend an und wollte wissen „in jeder Hinsicht?“, was ich schnell bejahte. Offenbar war ihr das Wissen noch nicht genug, und so formulierte sie für mich „die dich erniedrigen, beleidigen, fesseln und schlagen darf?“

Ich sagte matt: „Ja“, denn das war es, was ich wollte, aber ich hatte noch die Fassung, zu fragen: „Woher ... weißt du es“? Sie lächelte und sagte etwas, das ich jetzt nicht vermutet hätte: „Bist du dir sicher? Ich zögerte ein paar Sekunden, und sagte nun, mit kräftigerer Stimme: „Ja, das bin ich“. Erneut sah sie mich an, doch diesmal fragte sie nur: „Was machst du nächstes Wochenende“? Ich stammelte „Nichts“, als sie bereits zum Telefon Griff. Irgendeine Stimme, die aus der Ferne weiblich klang, meldete sie sich. „Hier ist Gaby, du, ich hätte jemanden für dich“. Sie beantwortete drei Fragen, eine mit Ja, zwei mit Nein, dann sagte sie: „Gut, also Freitag; Samstag und Sonntag. Sonntag um 16 Uhr muss er weg sein“.

Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, doch das musste ich auch nicht, denn sie sagte mir einfach, was sie vereinbart hatte: „Du kommst Freitag Punkt 20 Uhr hierher. Ich werde dann noch da sein und dir öffnen – dann gehe ich. Um 20 Uhr 30 wird eine Freundin kommen. Hier ist eine Liste von Sachen, die du mitbringen musst“. Sie übergab mir einen verschlossenen Brief.

Ich stammelte etwas zusammen, was so klang, wie „Warum machst du das, warum macht sie das?“ oder so. Gabriele antwortete mir, sie sei der Dame etwas schuldig – und damit sei die Schuld getilgt. Außerdem würde sie ja zu unser beider Wohl handeln.

Habe ich Ihnen jemals erzählt, dass Gabriele zum Wachpersonal der hiesigen Justizvollzugsanstalt gehörte, bevor es einen merkwürdigen Vorfall gab, nach dem sie ihren Dienst quittieren musste? Ich glaube nicht. Aber irgendwie ahnte ich, dass sie diesen Deal mit einer ihrer ehemaligen „Kunden“ gemacht hatte – und ich bekam Angst. „Ich werde ... die Sache doch überleben, hoffe ich“ sagte ich etwas zu hart, um ironisch zu klingen. Wieder war ich verblüfft über die offene Antwort: „Psychisch ja, JoJo“, sagte sie ernst, „psychisch wird es schwierig werden“. Ich muss sie sehr lange verständnislos angesehen haben, jedenfalls ergänzte sie nach längerer Zeit leise: „Du musst jetzt gehen, JoJo – und falls du am Freitag nicht kommen solltest ...“ sie schwieg ein wenig zu lange und sah mir auch nicht mehr direkt in die Augen, „... dann wird etwas Schlimmeres geschehen als du an diesem Wochenende erleiden musst“. Ich wollte noch etwas sagen, doch sie verschloss mir den Mund: „Wenn dir unsere Freundschaft etwas wert ist, dann komm Freitag pünktlich“.

Ich stand plötzlich im Flur. Ein warmer Frühlingstag, nichts als freundliche Menschen, helles Gelächter und das Klingen von Gläsern, eine Frau, die mir zulächelte. Ich dachte an mein Versprechen, fühlte den Umschlag in meiner Hand. Ich beschloss, ihn erst morgen zu öffnen.

Dieser Text darf frei verwendet werden, um eine eigene Geschichte zu schreiben. Weder der Inhalt noch die Personen haben irgendeinen bekannten realen Hintergrund: Sowohl der Autor „Gramse“ wie auch der Text sind reine Fantasieprodukte. "Gramse" plant keine Fortführung dieses Textes.

Damit sie nicht den Glauben an die Menschheit verlieren: Ausgangspunkt war eine Satire mit virtuellen Bildvorstellungen. Ich wurde gebeten, diese Vorstellungen in Prosa zu verwandeln, was die Sache natürlich verkompliziert. Dabei habe ich noch schnell Nachtfalter erfunden, weil die Geschichte von einer Dame geschrieben sein muss. Also, hier ist sie:

(sehpferd, so weit)

Wandlung (1. Episode der Nachtfalterin).

Wo war doch noch die Ampulle? Dort. Der Stoff, rot wie Blut, gleich werde ich ihn virtuell einspritzen. Aber ich, Dr. J., ich werde diesmal nicht Mr. H. – ich werde eine dieser bloggenden Schlampen, verstehen sie? High Heels, Strapse, schwarze Unterwäsche. Ich werde Nachtfalter.

<Hier beginnen, wenn sie vom Ende her kommend weiter lesen wollen>

Nachtfalter sitzt stets in jedem kleinen Café am Ende der Straße. Sie kennen mich. Ich bin die im schwarzen, etwas zu eng geschnitten Kleid – ja, die mit dem etwas zu kurzen Rock. Ja, die mit dem schmalen, etwas traurigen Gesicht, die mit den tief liegenden, dunklen Augen. Ich lese ein Buch, das ich von Zeit zu Zeit verträumt zur Seite lege. Ich schließe dann die Augen halb und streiche mir mit den Fingern den Rest des Kaffees von den Lippen.

Ich warte, bis sich ein Herr zu mir setzt. Es dauert meist nicht lange. Er schenkt mir ein Glas Sekt und flirtet mit mir. Wenn er nett ist, lade ich ihn nach Hause ein. Ich bin darauf eingestellt, dass er nur eine Nacht bleibt. Aber ich will es wissen. Ich werde drei Bilder von mir machen: vorher, währenddessen und nachher. Wenn sie den dritten Artikel gelesen haben, müssen sie wieder zu diesem zurückkehren.

Bilderstellung (2. Episode der Nachtfalterin).

Ein Bild. Klick. Das bin ich, verführerisch. Frisch rot belippt, Hauskleid, das viel von meinen Brüsten zeigt. Appetitlich. Verführerisch? Man wird sehen.

Er kommt, sieh mich: Augen, Lippen, Brust. Trinkt anstandshalber ein Glas Wein mit mir, bekommt den Blick gar nicht mehr los von der Brust, sitzt unruhig: Hat keine Zeit, aber einen Steifen. Verheiratet, vermutlich.

Hat auch keine Fantasie. Legt mich auf den Rücken, küsst mich ein paar Mal. Der Form halber. Schiebt das Hauskleid hoch, öffnet die Hose, drückt gegen die Stelle, von der er meint, dass sie sich öffnet. Ich kann gerade noch ein Kondom aus dem Nachtkästchen holen, ihm Latex über das Fleisch streifen. Er arbeitet schwer für seine Lust, keucht, verströmt sich in das Kondom, strahlt mich an. Ein Bild. Klick.

Er entschuldigt sich, gehen zu müssen, lässt das Kondom im Bett liegen, küsst mich flüchtig, Tür zu. Ich lege mich wieder ins Bett, versuche, an gar nichts zu denken. Ein Bild. Klick. Das war es also.

Ich stelle die Bilder ins Netz. Schreibe einen Text dazu. Diesen Text. Was, um Himmels willen, schreibe ich eigentlich morgen?

Bildbeschreibung (3. Episode der Nachtfalterin).

Drei Bilder. Davor. Dabei. Danach. Davor - erkenne ich mich. Ich will es wissen. Dabei – fahl, gelangweilt, die Pupillen mäßig geweitet. Muss vom Blitz kommen. Danach – ich sehe beschissen aus. Morgen muss es besser werden. Wenigstens dabei.

(Bitte wieder von vorne zu lesen).

Also, wissen sie, ich konnte einfach nicht glauben, dass 15 Prozent der deutschen Frauen schon mal Gewalt gegen Männer angewendet haben, um Sex zu bekommen – ganz zu schweigen von den Brasilianerinnen, unter denen jede dritte Frau angab, Männer mit Gewalt zum Sex zu zwingen.

Was mache ich in einer solchen Situation? Nun, ich rufe Hanni an. Nicht nur, dass sie eine professionelle Problemlöserin ist, sie hat auch das „Gewisse etwas“, das man braucht, um schnell auf den Punkt zu kommen – und eine Menge Mutterwitz.

Ich schildere ihr also mein Problem, so in etwa mit den Worten „du, ich habe da gelesen, dass 15 Prozent der deutschen Frauen ihre Männer mit Gewalt zum Sex zwingen – hältst du das für möglich?“ „Wie, so wenige?“, scholl es von der anderen Seite zurück, sodass ich erst mal überrascht Luft holen musste, bevor ich stammeln konnte, „nun ja, aber ... wie machen die das eigentlich?“

Am anderen Ende eine Gedankenpause, dann die Antwort: „Psychisch, denke ich, Psychoterror.“ „Nun“, wagte ich einzuwenden, allein mit Psychoterror kann ich mir irgendwie nicht vorstellen ...“ Das Räderwerk schien zu rattern, denn wieder entstand eine kleine Pause, in der offenbar tausende von Varianten auf ihre Wahrscheinlichkeit überprüft wurden, bis die Antwort kam: „Ich vermute, eine Mischung aus sozialem Ungleichgewicht, Altersunterschieden, Wahl ganz bestimmter Objekte und vor allem einer genauen Zieldefinition“, sprudelte sie hervor. Nun, ich wagte noch einzuwenden, dass dies ja nun vielleicht nicht die übliche Art wäre, eine Liebesbeziehung anzugehen, als sie das „Haumeisterargument“ in Frageform kleidete: „Hat dich deine Mutter nicht gelehrt, du sollst Frauen nicht schlagen?“ Ich war so perplex, dass ich spontan mit „ja“ antwortete. „Siehst du“, sagte sie, „kein wohl erzogener Mann wehrt sich ernsthaft, wenn ihm eine Frau Gewalt antut, oder?“

Ich musste zugeben, dass dies ein Argument war. „Und du meinst wirklich, dass Frauen so hart vorgehen – ich meine, wenn sie Lust auf Sex haben?“ Sie hatte sich offenbar schon ein Fallbeispiel zurechtgelegt, denn sie argumentierte: „Schmusen, dabei Hosengürtel aufmachen, Hose halb herunterziehen – dann dürfte der größte Teil der Sache zugunsten der Frau ausgehen“ sagte sie, um noch schnell zu ergänzen: „Männer mit Hose runter können nicht so schnell weglaufen“.

Wie ich schon sagte, rufe ich Hanni immer dann an, wenn ich gar nicht weiterkomme. Das Bild konnte ich mir dann schon selber entwerfen: Männer sind mit halb heruntergezogenen Hosen in der Tat recht bewegungsgehemmt – und das lässt sich bekanntlich weiter ausbauen. Aber nicht hier – dies ist schließlich ein anständiges Blog.

 

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