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Zunächst einmal: NLP heißt Neuro-Linguistische Programmierung – die drei Wörter bedeuten zwar einzeln etwas, im Zusammenhang aber leider nichts. Denn „Neuro“ steht für die Nerven, die bei NLP gar nicht zur Debatte stehen, „linguistisch“ heißt „vermittels der Sprache“ und „Programmierung“ wird als Synonym für Verhaltensmodifikation genutzt.

Die Sache ist weder neu, noch sensationell, noch hat sie irgendetwas, das andere nicht schon längst hätten: Bereits Ronald D. Laing und Paul Watzlawick haben darauf hingewiesen, dass Menschen auf die subjektive Abbildung der Realität reagieren und nicht unbedingt auf die Realität selbst – was freilich nicht bedeutet, dass Menschen in vielen Situationen auch durchaus gemeinsam auf „die“ Realität reagieren. Das Argument der NLP-Leute, dies sei eine neue Erkenntnis, erweist sich als Makulatur. Je mehr man das System entblättert, umso mehr zeigt sich, dass alles ein bisschen Pappmaché ist, das nur durch einen Kleister zusammenhält, und der heißt: Glaubenssätze.

Manche von ihnen sind so lächerlich trivial, dass man mit den Leuten von der NLP beinahe Mitleid haben kann., zum Beispiel die, dass sich Geist und Körper wechselseitig kybernetisch beeinflussen. Lässt man einmal das „kybernetisch“ weg, weil bei wechselseitiger Beeinflussung immer kybernetische Effekte vermutet werden können, so bleibt nicht als die triviale Feststellung:; Körper und Geist beeinflussen einander. Das allerdings wussten wir auch schon vorher – schließlich ist der Geist an den Körper gebunden - er schwirrt also nicht um unser Gehirn herum wie ein Vögelchen.

Selbst das angeblich so ungewöhnliche Rezept „Rapport herstellen“ (NLP verwendet, ähnlich wie Scientology, ein paar Dutzend solcher inhaltsloser Neusprech-Begriffe) ist nicht im Geringsten neu. Es bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als sich an den Kommunikationspartner anzugleichen. Das haben schon die alten Kaufleute gewusst, die daheim durchaus Hochdeutsch redeten, mit dem „Kaptein“ aber eben auf Niederdeutsch – und in einem völlig anderen Tonfall. Jeder, der nicht total mit dem Dummbeutel geschlagen ist, kann ähnliche Erfahrungen machen: Für einen Norddeutschen empfiehlt es sich, in Süddeutschland wesentlich langsamer zu reden, und wenn der Fabrikinhaber bei seinem Vorarbeiter etwas erreichen will, dann kommt er besser an die Werkbank als dass man sich " auf'm Kontor" zu unterhalten versucht. Zwischen diesen kleinen Anpassungen und Woody Allans „Zelig“ liegt das weite Feld der Angleichung – stets ein gutes Mittel, um miteinander ins Gespräch zu kommen, aber keine neue psychologische Idee.

Auch die angeblichen Quellen, auf die sich NLP beruft, sind auf dem Treibsand der Psychologie zusammengebastelt. Denn Milton Erickson, Virginia Satir* und Fritz Perls haben weder namhafte Kommunikationsmodelle entwickelt, noch ist ihre Bedeutung unumstritten- und schließlich finden wir in der NLP, wenn überhaupt, nur noch Spuren der drei Lehren wieder, die, ich sagte es bereits, schon jede für sich ausgesprochen schwach begründet ist. Insbesondere Kenner der Ericksonschen Hypnosetherapie wie auch der Perlsschen Gestalttherapie verweisen immer wieder darauf, dass die charismatische Wirkung der Gründer mehr Gewicht hatte als die Therapie selbst – oder mit anderen Worten: Ein heutiger Hypnose- oder Gestalttherapeut ist in keiner Weise wirksamer als irgendein anderer Therapeut. Die Grundannahme der NLP-Begründer, dass die genannten drei Therapien die „Effektivsten“ wären, gehört allein ins Reich der Fantasie.

Was bleibt? Vor allem die Heilserwartung. Sie versetzt bekanntlich Berge. Und wo NLP angeblich geholfen hat, hätte früher vielleicht der Glaube an Gott geholfen – oder eben der Glaube an die tägliche Zuckerpille, die vorgeblich einen neuen Wunderstoff gegen den Kopfschmerz enthielt. Wenn Sie mich nun fragen, warum NLP kommerziell so erfolgreich ist, dann kann ich Ihnen die Antwort geben: Die Leute wollen eine Psychologie, bei der ein Magier bunte Tücher aus dem Hut zieht – und das tut NLP allemal.

* Das "Kommunikationsmodell" von Virginia Satir hat nur in der Familientherapie Bedeutung und ist ansonsten völlig alltagsuntauglich.
webpaul meinte am 3. Mai, 23:01:
schwer, nlp-kritisches zu finden ...
... aber es tut gut. habs verlinkt.
http://schemag.twoday.net/

lg 
 

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