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Das wöchentliche Geblubber aus den Algen.

Mein Beitrag „mit Fassung tragen“ bestand eigentlich nur aus einem entscheidenden Satz: „Nicht die viel beschworene „Community“ mit ihren gegenseitigen Nettigkeiten trägt die Popularität eines Blogs, sondern die Gruppe der unermüdlichen Wortproduzenten, die etwas schreibt, das auch außerhalb von „twoday.net“ gelesen wird.“

Dieser Satz hatte seinerzeit einen völlig unverständlichen Wirbel ausgelöst, denn er ist, für sich genommen, einfach die ökonomische Wahrheit, der sich alle Betreiber von Blognestchen unterwerfen müssen: Viele, unterschiedliche Leser bringen viele Zugriffe, viele Zugriffe bringen viel Werbeeinnahmen – so einfach ist das.

Über diesen Artikel ist dann viel Blödsinn geschrieben worden, und ich würde doch allen empfehlen, die in Zukunft etwas über mich schreiben, mal die Bloggerbrille abzusetzen und sich eine Gleitsichtbrille zu kaufen – diese Investition könnte sich auch sonst im Leben lohnen.

Zu alledem wäre wohl noch dies zu Kommentaren zu sagen: Sie sollen ja erkennen lassen, welche Meinung der Leser zu den Artikeln vertritt. Mir fiel nun auf, dass oftmals Meinungen hinterlassen werden, die nicht den geringsten Bezug zum Artikel haben: Meist werden einfach irgendwelche Vorurteile wiederholt, die man glaubt, ständig verkünden zu müssen. In letzter Zeit bin ich dazu übergegangen, sie kommentarlos zu löschen.

Verkündet wurde auf twoday letzte Woche auch von einem Prediger des Glaubens von der eigenen Gnade, dass Lehrer, die über Kleidervorschriften nachdenken, pädagogisch Unfähig sind. Ich habe daraufhin sinngemäß geschrieben, dass sexuell aufreizende Kleidung nicht in den Unterricht gehört: Schule bereitet auf das Erwachsenenleben vor, und dazu gehört auch, sich angemessen zu kleiden. So etwas sollte eigentlich selbstverständlich sein. Als der Artikel komplett geschrieben, redigiert und veröffentlich war, fand ich aber einen anderen Artikel, der das Thema mit erfrischendem Witz behandelt: Er stammt von „Teacher“, einem schriftstellerisch begabten und humorvollen Lehrer, der Probleme mit Witz angeht: etwas, dass sich eigentlich immer empfiehlt. Die meisten Leser dieses Artikels hatten dann auch ein Lächeln auf den Lippen, und jemand wollte einen der dort geschriebenen Sätze zum Lebensmotto machen: „schaust du noch oder verwest du schon?“ . Nur der bereits erwähnte Prediger fand das alles gar nicht witzig – nun, dem scheint ohnehin der Humor abhanden gekommen zu sein. Doch vom Humor brauchen wir alle bekanntlich reichliche Dosierungen. Er ist sozusagen das Lebenselixier bloggender Existenzen, vor alle, um die Edeltrolle zu ertragen, also diejenigen, die eigentlich nichts zu sagen haben aber dennoch glauben, kommentieren zu müssen.

Überhaupt fällt mir auf, dass ernstlich gemeinte, diskussionswürdige, gut formulierte und mit Humor geschriebene Beiträge nach und nach verschwinden – wahrscheinlich haben die Autoren, die dies einst taten, inzwischen aufgegeben. Meine Beobachtung: je anspruchsvoller ein Artikel, umso weniger Kommentare. Möglich, dass es den Menschen einfach schwerer fällt, mehrere differenzierte Sätze innerhalb eines Artikel zu lesen als einen einzigen Satz, der plakativ in den Raum geworfen wird – und da sage ich abermals: Bitte die Bloggerbrille absetzen. In vielen Artikel steht mehr als ein Satz, und nicht jeder Autor schreibt den Kernsatz zuerst.

Das kann auch auf Beiträge zutreffen, die im ersten Moment vielleicht noch durchgeistigt klingen, dann aber irgendwie peinlich werden, so wie dieser Beitrag über Tränen der Freude, die uns Isenberg missgönnt: Denn dass wir (hoffentlich noch) Freudentränen weinen können, kommt nach seiner „Erkenntnis“ vom Verlust irgendeines „originären“ Gefühls, dass wir alle dem „Verlust der unbeschwerten gedankenlosen Selbstverständlichkeit“ verdanken. Nun ja, wenn die Selbstverständlichkeit schon gedankenlos ist, was soll dann erst mit Personen sein? Es scheint, als müsse man gar keine Texte fürs Kabarett mehr schreiben – die schreiben schon andere, ohne es zu wissen.

Was sonst noch vor der Woche übrig blieb? Die ständig an Nacktheit interessierten Surfer wollten unbedingt die unbekleidete Catherine Bosley sehen, jene Nachrichtensprecherin, die an einem Wet-T-Shirt-Wettbewerb teilgenommen hatte und am Ende splitternackt auf der Bühne stand. Der Wettbewerb wurde fotografiert und von einer Bühnenkamera gefilmt, was Frau Bosley als Journalistin hätte nachdenklich machen sollen. Sie hat sich aber offenbar nichts gedacht und wollte das recht am eignen Bild vor Gericht erstreiten. Dies misslang. In der Berufungsverhandlung ging Frau Bosley leer aus: Die Bilder dürfen veröffentlicht werden. Nun hat sie nicht nur keinen Job mehr, sondern wird auch noch von Hohn und Spott der Journalistenkollegen überhäuft.

Was die Woche sonst noch für mich tat? Sie gab mir Glück, Freude und Sonnenschein sowie eine weit bessere Zukunftsperspektive, als ich dies hätte erwarten dürfen. Den Menschen, die mich für „verbittert“ halten, kann ich leider nicht dienen. An jeder besseren Volkshochschule gibt es Kurse über Menschenkenntnis: Bitte dort einschreiben.
 

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