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Ich habe mich in den letzten Tagen sehr intensiv mit zwei Reden beschäftigt: der des Fuldaer Bundestagsabgeordneten Hohmann, der diese Rede noch als CDU-Abgeordneter gehalten hat und der der Kölner Erzbischofs Meisner, die in Budapest gehalten wurde. Beide wurden in der Presse heftig diskutierte, wobei die meisten Leser die Inhalte niemals kennen gelernt haben: Wer kein Internet hat, kann beide nicht lesen, wer es hat, macht sich offenbar kaum die Mühe.

Soweit zu den Menschen, die niemals Originalreden lesen. Denjenigen aber, die es behaupten, fehlt offenbar die Fähigkeit zu lesen. Sie können vielleicht noch einzelne Wörter lesen und zusammenhängende Sätze erkennen, doch kann man diesen Prozess schwerlich als „Lesen“ bezeichnen. Dann wäre „Hören“ auch teilnahmslos dasitzen, einige Wörter erkennen und noch einen Satz wahrnehmen.

Lesen bedeutet, soweit ich mich erinnere, einen Sinnzusammenhang in dem zu erkennen, was geschrieben wird – doch genau das ist es, woran es den heutigen Menschen mangelt. Da schreiben zum Beispiel „Anseher“ der Meisner-Rede, sie haben nicht erkennen können, wo sich der Bischoff in verletzender Weise gegen Homosexuelle geäußert habe – und ich selbst kann nicht umhin, zuzugeben, dass ich es beim ersten „Querlesen“ auch nicht verstanden habe. Man muss aber lesen, um verstehen zu wollen, was der Autor meint, sonst braucht man gar nicht erst anzufangen. So musste denn auch ich ein zweites Mal kritsicher lesen: Sätze stehen ja nicht in einer zufälligen Reihenfolge, sondern sollen genau so, wie sie geschrieben werden, eine bestimmte Wirkung im Zuhörer oder Leser erzeugen. Doch da zeigt sich ein zweiter Mangel: Deutsche können offenbar weder in Sinnzusammenhängen lesen, sie verstehen auch nichts von Kommunikation oder Rhetorik. Das ist zwar ein Bildungsmangel, aber einer, den deutsche Schulen sehr gerne in kauf nehmen.

Der Deutsche hat aber einen Sündebock, um seine Mängel zu kaschieren: die Presse. Ohne eigentlich zu wissen, was die Presse ist und wie sie arbeitet, werden dumme und dreiste Behauptungen aufgestellt, sie sei „einseitig" oder „linkslastig" oder, wie jetzt in einem Forumsbeitrag gefunden, eine „linksgesteuerte Lizenzpresse"
Nun, dass Deutsche also nicht lesen können, fällt es den Rednern und Schreibern unsäglicher Reden tatsächlich leicht, diese zu veröffentlichen, und sich dann mit Biedermanngesicht hinzustellen und zu sagen: „Seht, doch alles ganz harmlos, nicht?" Ja, sie können den besonders Dummen unter den Lesern sogar noch erklären, „die Presse" habe sie falsch zitiert oder alle Zitate seien aus dem Zusammenhang gerissen oder das, was sie in die Rede bewusst hineingelegt haben, sei am Ende falsch verstanden worden.

Bleiben drei Fragen:

Erstens, warum lernen Deutsche nicht lesen – sie gehen doch zur Schule?
Zweitens, warum lernen Deutsche so wenig über Rhetorik und Kommunikation?
Drittens: Warum schreibe ich dann eigentlich noch?
F_A meinte am 16. Nov, 14:15:
Die drei Fragen zu beantworten würde sicher Seiten füllen, außerdem ist das Problem sicher zu komplex um von mir richtig dargestellt werden zu können.
Meine Erfahrung, als ich noch zur Schule ging: Deutsch wird nicht wirklich ernst genommen. Mathe ist wichtig, wer das nicht kann, ist dumm. Mathe wird, im Studium beispielsweise, als bekannt voraus gesetzt. Mathe ist Pflicht, Deutsch ist Kür, steht auf einer Stufe mit Kunstunterricht. Wer Deutsch als Leistungskurs wählt, ist irgendwie verschroben oder leistet sich den Luxus seine Noten mit etwas zu verdienen, was doch eigentlich schon jeder kann (oder jeder zu können glaubt, der Deutsch spricht).
Dies treibt dann solch seltsame Blüten, wie Kommilitonen, die noch kein deutschsprachiges Buch gelesen haben, das nicht eine Programmiersprache behandelt, die nicht mal in der Lage sind, eine Mail zu schreiben und schriftliche Ausarbeitungen in Umfang und Niveau eines Deutschaufsatzes aus der Grundschule abliefern. 
 

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