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Als ich ein heranwuchs, sagte man uns Knaben noch, dass Frauen verletzliche Personen wären, an die man sich sehr vorsichtig herantasten müsse – und erst, nachdem man dies sehr lange versucht habe, wären sie vielleicht bereit, winzige Beweise ihrer Gunst zu erbringen. „Freilich“, so sagten die erfahrenen Männer dann seufzend, „freilich sind es oft nur kleine Dinge, die sie uns gestatten“- und bekamen dabei Plüschaugen, die nach innen blickten, „aber es könnte mit der Zeit mehr werden“.

Jungen Mädchen (heute würde man sagen: Teenagern, aber auch Frauen im Overteenalter) wurde geraten, den jungen Männern möglichst gar nichts zu gewähren: Sie würden nämlich nach der Salamitaktik verfahren und sich scheibchenweise holen, worauf sie Appetit hatten, wenn man ihnen denn auch nur den kleinen Finger reichte – also beispielsweise das Streicheln der Brüste oberhalb der Bluse. So ergab sich also eine Salamihierarchie: Über der Bluse streicheln – unter der Bluse streicheln – bei abgelegtem BH unter der Bluse streicheln – bei entkleidetem Oberkörper streicheln – dergleichen gab es natürlich auch für den Unterkörper. Die übliche Frage unter den jungen Männern der damaligen Zeit war: „Wie weit bist du mit ihr gekommen?“ – Das Ganze nannte sich im Übrigen „Petting“ – und obwohl es nicht halb so erregend war wie Zungenküsse, musste man durch das ganze Ritual durch – Pflichtprogramm ohne Kür, sozusagen. Ich glaube nicht, dass die jungen Frauen der damaligen Zeit viel dabei empfanden – es war nun einmal so: Jungs versuchten es, Mädchen gaben ein bisschen nach. Wer nie auch nur ein bisschen nachgab, hatte auch kaum jemals einen Freund – vielleicht ließen sich deshalb alle auf diese Weise betatschen.

Ob und wie viel gewährt wurde, war selbstverständlich abhängig vom Stadtteil, in dem das Mädchen wohnte: In Schwachhausen wurde es dem Ebenbürtigen still gewährt, wenn Aussicht bestand, dass er auch einmal eine dauerhafte Verbindung mit der jungen Dame eingehen würde – und dies wurde sogar von den Eltern still geduldet, wenn man denn Verlobungsabsichten hatte oder bereits verlobt war. Zudem kannte man im Notfall jemanden, der den größten anzunehmenden Unglücksfall, die Tochter „in Schande“ zu bringen wieder rückgängig machte – und in manchen Familien lernten die Töchter sogar, wie man sinnvoll verhüten konnte. Wer nicht ebenbürtig war, hatte ohnehin keine Chance – man blieb, wenn es ging, unter sich. Damals bestanden in den Hansestädten noch englisch anmutende Standesdünkel.

In anderen Stadteilen – in Walle, Hemelingen oder in der Neustadt beispielsweise, waren die Arbeiterinnen, Verkäuferinnen und Friseurinnen nicht so „pingelig“. Sie ließen sich nicht nur streicheln, sondern taten „es“ auch, wenn der Mann darauf bestand und viel Alkohol im Spiel war. Hier dachte man (wenngleich nicht überall) so: „Die Männer wollen es ja, also gebe ich es – wenn ich es nicht mache, macht es eine andere mit ihnen“.

(wird fortgesetzt)
 

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