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Manchmal ist es gut, zunächst einmal durchzuatmen und sich von den herumziehenden Meinungsmeuten nicht beeinflussen zu lassen, die mittlerweile nicht nur aus der einschlägig bekannten Boulevardpresse, sondern eben auch aus einer Anzahl vorschnell argumentierender Blogger bestehen. Bloxbox nennt unter anderem: Mein Parteibuch, Bembelkandidat, Schockwellenreiter, Side Effects und Ringfahndung.

Gemeint ist der Übergriff zweier Männer auf einen Deutschäthiopier: Zwei Weiße schlagen, möglicherweise gemeinschaftlich, einen Schwarzen zusammen – und schon wird von der Presse (aber eben auch von den Bloggern) ausposaunt, es gebe einen fremdenfeindlichen Hintergrund - und dann wird seitens der Presse kräftig an einer Horrorgeschichte über Nazischläger gebastelt. Was manchem anderen Autor noch an Informationen fehlt, wird mit eigenen Vorurteilen ergänzt

Ein paar Tage später folgt die Ernüchterung: Es könnte eine ganz gewöhnliche Schlägerei unter erheblichem Alkoholeinfluss gewesen sein, bei der einer der beteiligten Täter seine Faust offenbar so kräftig nutzte, dass dem Opfer der Schädelknochen an einem Auge zertrümmert wurde. Weitere Verletzungen wurden nicht festgestellt. Schlimm genug das alles, aber eben nicht der reißerisch aufgemachte Tathergang, der von der Presse bislang geschildert wurde.

Eine Art Wirtshausschlägerei mit beinahe tödlichen Folgen also? Möglich. Aber jedenfalls kein Politikum. Was nun die genannten Blogger betrifft, so kann ihnen nur geraten werden, ihre Betroffenheitskorsetts wieder auszuziehen und sich – wenn sie das überhaupt können – zu schämen. Das gilt natürlich ebenso für die Journalisten, die an der Kampagne beteiligt waren - und von denen die Blogger letztlich abgeschrieben haben.

Eine geringfügige Korrektur eingefügt am 23.04.2006 gegen 20:40.

Die vollständigen Links und Kommentare nur noch bei sehpferd.com.

Natürlich weiß ich längst, wie wenig die Mittelgeneration – und wohl noch mehr die Jugend – in der Lage ist, differenziert zu denken. Jedes Wort, und sei es noch so hirnrissig, wird sofort aufgenommen, verbreitet und als Metabegriff in die öffentliche Diskussion eingeschleust.

Eines dieser Wörter ist “Bashing“ – deutsch mundartlich vielleicht mit „Abwatschen“ zu übersetzten, ansonsten im Hochdeutschen mit „in übler Weise beschimpfen“ zu übersetzen, wobei das bayrische „Abwatschen“ dem Ursprung näher kommt., weil „to bash“ eben „verprügeln“ heißt – schreibend auf Leute einprügeln also.

Da las ich gestern von „Freud-Bashing“ (NZZ), und das Wort „Blog Bashing“ wächst mir schon bald aus den Ohren heraus. Die Bloggerin Martina Kausch verwendet es ganz selbstverständlich für Blog-Kritik, und mit ihr tun es auch andere.

Die Journalisten und Blogger, die das Wort verwenden, haben zum großen Teil den kulturellen Sinn der Kritik nicht begriffen, und sie verwenden das Wort „Bashing“ überwiegend, um ihrerseits den Kritiker schreibend ein bisschen auf die Schnauze hauen zu können.

Freilich wird manchmal mit harten Bandagen argumentiert: Von den „Klowänden des Internets“ bis zu den „Rittern der Schwafelrunde“, wobei beides immerhin auch zu einem Teil zutrifft. Doch statt wirklicher Entgegnungen findet man die Rottenbildung vor den Burgen der Werbeunternehmen, Zeitungen und Zeitschriften, in denen so etwas steht. Blogger rechnen nicht mit Kritik – sie sind gewohnt, selber zu kritisieren. Was noch schlimmer ist: Sie vertragen auch keine Kritik.

Indessen ist Kritik nötig: An Freud sowieso, weil sein Werk weiterhin überschätzt wird und an Blogs schon deshalb, weil viele der Blogger den hohen Anspruch haben, moralisch höherwertig zu sein als der Rest der Welt. Würden Blogger nicht so häufig die Fahne der besseren Welt vor sich hertragen, niemand würde sie kritisieren – sie wären dann wirklich so unbedeutend, wie die meisten Studien vermuten.

Die Kritik richtet sich deswegen an die wenigen privaten Blogs, die tatsächlich einen gewissen Einfluss auf die Meinungsbildung haben. Ein großer Teil ist sozialistisch, antikapitalistisch und wirtschaftsfeindlich eingestellt – und das, bitte schön, soll reichen? Ein bisschen Robin Hood spielen, freilich ohne Verbindlichkeit und völlig risikolos? Wir sollten den Bloggern vielleicht sagen, dass Kritik ihnen dient: Sie könnten besser werden, differenzierter zum Beispiel. Sie könnten sich für dieses Land (Deutschland) einsetzen, für unser gemeinsames Europa – und für den demokratischen und liberalen Staat, der ihnen erst die Möglichkeit gibt, Ihre Meinung, sei sie auch noch so unqualifiziert, in die Welt hinauszuposaunen.

Tun sie es? Na schön, falsch gefragt: Tun Sie es schon? Warten wir einmal ab, welche Rückmeldungen dieser Artikel auslöst.

City-Blogs, auch Stadtblogs oder Städetblogs genannt, haben ein gar eigenartig Leben: Mein eigenes Stadtblog durchaus eingeschlossen – aber es ist ja auch nur der „Statthalter“ für ein umfassendes, bebildertes Blog für die Zeit, in der ich in Budapest bin – demnächst also mehr.

Von den deutschen Stadtblogs ist vor allem das Münchener Stadtblog aktiv, während das mit großem Aufwand gestaltete Kölner Stadtblog offenbar mit dem Karneval gestorben ist: „Habemus Pappnas“ war einer der letzten Einträge. Das Berliner Stadtblog habe ich aus meiner Sammlung entfernt – der letzte Eintrag ist vom 04.Oktober 2005.

International brilliert natürlich das deutschsprachige London-Weblog und (ich wusste es bislang nicht) das Dreiländerweblog eines Baslers, das im Moment ganz oben auf der Beliebtheitsskala der Schweizer Weblogs steht.

Das wöchentliche Geblubber aus den Algen – meist sonntags

Am 26. Oktober 2003 habe ich mein erstes Geblubber aus den Algen geschrieben – es hieß „belanglose Nachrichten“ und befasste sich mit den Inhalten von so genannten Weblogs. Seither schreibe ich, wenn ich kann, jeden Sonntag einen Kommentar zur vergangenen Woche, der seit einiger Zeit unter einer eigenen Rubrik erschien – das „Algengeblubber“.

In der letzten Woche ist nun viel geschehen: Ich habe auf meiner Webseite eine neue Software (serendipity) installiert und bin somit ein wenig unabhängiger geworden. Leider bedeutet es für Sie aber auch, dass mein kleines Journal den Platz wechselt. Es wird in Zukunft anderwärts zu finden sein – die Gestaltung dürfte Ihnen bekannt vorkommen – sehpferd bleibt sehpferd.

Vorläufig freilich müssen Sie noch nicht wechseln: Die meisten Kategorien hier bleiben bestehen und sie werden mindestens teilweise noch parallel bedient. Wenn Sie dennoch sofort abonnieren wollen, bin ich dankbar. Sie können es hier tun. Der endgültige Wechsel ist ab Mitte Juli 2006 vorgesehen.

Am Sonntag ist nun die Zeit, sich einmal mit dem Thema zu beschäftigen, das jetzt in Mündern und Mäulern ist – die Moral als Kulturgut. Falls Sie sich noch erinnern: Es ist schon einige Zeit her, seit deutsche Politiker, namentlich Katholische, sich ein „Abendland“ zurechtbasteln und darin Wertmonumente aufstellten – sie nannten es „Leitkultur“, oft mit dem Zusatz „Abendländische“, teils aus Überzeugung, teils aus Tarnung. Wo es Überzeugung war, und noch ehrlich gemeint wurde, versagt die Kritik: Doch wo es nichts als Tarnung und Täuschung war, da wurden die Kritiker hellhörig – und ich selbstverständlich auch.

Sehen Sie, liebe Leserinnen und Leser – sie erkennen die hinterlistigen Trickser an ihren Worten – ein Merkmal: Sie benutzen „Abendland“ in einem Atemzug mit „Multikulti hat versagt“. Sie sind Lügner, weil das Abendland bereits eine Multikultur darstellt – eine Kulturvermischung, sozusagen. Der zweite Trick: Die Lehren der Katholischen und zum geringeren teil auch der evangelischen Kirche zum Maßstab zu machen: Dies ist gerade in exemplarischer Weise geschehen durch Frau von der Leyen. Sie kann auf Vorbilder der Nachkriegsgeschichte zurückgreifen: Bei Old Conny hatte der konservative Katholizismus stets Vorrang, wenn es um die Moral ging. Schon in der jüngeren Vergangenheit konnte man dies erkennen: Die CDU spricht immer zuerst von einem „Christlichen Abendland“ bevor sie die Kurve zu einem „Christlich-Jüdischen Abendland“ bekommt – und ein paar von den Damen und Herren werfen dann auch den Intellektuellen noch ein paar Brotkrumen hin und fügen noch ein „humanistisch“ hinzu.

Sinnigerweise stammt einer der wichtigsten Fähigkeiten des Abendlandes, das Denken in Zahlen und Fakten, von den Griechen, die es bei den Arabern gemaust haben. Diesem Denken freilich muss ein Konterpart beigegeben werden: das Teilen der Güter und die Einbindung derjenigen, die zeitweise oder dauerhaft nichts Erkennbares für die Gemeinschaft leisten können.

Ich habe oft gefragt, wozu wir dazu nun unbedingt ein Christentum brauchen – und ich sage klar und deutlich: Dazu brauchen wir es nicht – die Zehn Gebote mosaischer Prägung reichen völlig aus – und was den weltlichen Teil betrifft, so knüpfen wir eben an die Französische Revolution an: Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit. Das Christentum aber lassen wir schön dort, wo es hingehört – in den Kirchen, oder besser noch, in den Köpfen.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen (heute von zwei Stellen aus) einen schönen Sonntag.

 

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