anstoss

  sehpferdvs sehpferds magazin für anstöße und anstößiges
Aus meinem Papierkorb noch eine Anzeige zum Mittwoch:

(Anzeige) ... ich bin auf dem Land aufgewachsen und würde mich liebend gerne um weibliches Nutzvieh kümmern ...Wie auf dem Bauernhof werde ich dich liebevoll begutachten, melken, erziehen und mästen ...“.

Hörte ich gerade jemandem „Muh“ sagen?

Sie wurde in Deutschland geboren, lernte mit 7 Jahren fotografieren und lebt und arbeitet nun in Los Angeles. Auf ihrer Webseite: Sexy Zeug. Und natürlich viel mehr.

Manchmal verstehen wir einander schon deswegen nicht, weil uns dauernd Begriffe aus dem englischen Sprachraum um die Ohren gehauen werden. Peer-to-Peer heißt „gleich-zu-gleich“, soziologisch auch „unter Altersgenossen“. Ein Peer-to-Peer-Journalismus wären also Nachrichten von Gleichen an Gleiche. Wenn nun jemand „Blogs“ einfällt, hat er den Nagel auf den Kopf getroffen.

Die Sache hat einen namhaften Haken: das Medium. Blogs sind frei herumschwirrende Nachrichtenträger, bei denen man sich nur auf eines verlassen kann: dass morgen alles anders ist. Wer qualitativ hoch stehende Nachrichten sucht, will aber, dass morgen alles so ist, wie heute: auf der Wirtschaftsseite die Wirtschaft, im Regionalteil das Regionale, auf den vermischten Seiten das Vermischte. Dies ist einer der Gründe, warum Blogger eher auf konservative Nachrichtenquellen zurückgreifen als sich auf Blogger zu verlassen. Google News bieten hinreichende Informationen, und wer will, kann die Quellen leicht herausfinden. Für Blogs existiert nichts Vergleichbares.

Das wissen wir natürlich längst. Was wir nicht wissen: Peer-to-Peer-Journalismus auf regionaler Ebene (z.B. in Stadtzeitungen und Stadtblogs) funktioniert nicht. Warum, ist ganz einfach: Erstens gibt es zu wenige Bürger, die anderen Bürgern berichten wollen, und zweitens sind sie nicht alle „Peers“, nämlich Gleiche: Dazu fehlt ihnen zumeist die nötige Qualität, die von Amateur wie Profi gleichermaßen verlangt wird: Ordentlich recherchieren, halbwegs brauchbar schreiben und die Sachen auf den Punkt bringen. Ansonsten bleibt nämlich alles unter dem Niveau der Polizeiberichte.

Letztendlich wird nur erfolgreich sein, wer auf genügend „Peers“ zurückgreifen kann, also Menschen, die erstens schreiben können und zweites genügend motiviert sind. Wie man sie auf Dauer bei der Stange halten kann, ist freilich eine andere Frage. Manche Dienste loben Prämien für besonders gute Artikel aus, aber dazu sind auf der anderen Seite eben auch Einnahmen nötig – und die haben Stadtblogs noch lange nicht.

Bei einem anderen Punkt könnte man helfen: Blogger horchen in der Regel auf, wenn man ihnen Themen vorgibt: vom Hundekot über die Würstchenbude bis zum Jugendstil. Und wem gar nichts mehr einfällt: Ein Pissoir kann stilvoll sein - oder eben auch nicht.

Mag sein, dass der Historiker Michael Wolffsohn umstritten ist. Aber es ist schließlich wahr, dass ein Herr Müntefering bei seinem Heuschrecken-Vergleich auch Assoziationen zu „ausrotten“ oder „vernichten“ wenn nicht gewollt, so doch billigend in Kauf genommen hat.

Der Theaterdonner, den die Sozialdemokratie nun inszeniert, ist absolut lächerlich. Nicht Michael Wolffsohn hat sich im Ton vergriffen, nicht er muss sich „entschuldigen“, sondern ein anderer: Herr Müntefering. Er hat die verbale Entgleisung gebraucht, er ist der Verursacher, und er ist der Verantwortliche – aus seinem Munde ist das unsägliche, dumme Wort gekommen. Dieser Herr Müntefering, und kein anderer, sollte sich beeilen, sich schnellstens öffentlich für die „Heuschreckenschwärme“ zu entschuldigen. Er wird es nicht tun. Er wähnt sich im Recht. Er weiß die Sozialdemokratie hinter sich.

Es herrschen keine Maßstäbe mehr in unserem Land. Natürlich hat auch Herr Wolffsohn überzogen, und doch hat er recht, wenn er sagt: "Mich interessiert nicht Herr Müntefering, mich interessiert die Tatsache, dass in der heutigen Gesellschaft eine so große Akzeptanz für Sprachbilder dieser Art vorhanden ist."

Indessen – so groß ist die Akzeptanz nun auch wieder nicht. Selbst SPD-Mitglieder sind offenbar politisch klüger als ihre Parteiführung und folgen den linken Donnersprüchen nicht mehr ohne weiteres, und auch Teile des grünen Koalitionspartners lassen sich nicht einfach vom Koalitionspartner für dumm verkaufen – Wahlkampftaktik hin, Wahlkampftaktik her.

So weit – so ernst. Börsianer und andere Pragmatiker sollen den Begriff inzwischen schon in ihre Vokabular übernommen haben: „Bei der Firma Xy ... könnte eine Heuschreckenübernahme bevorstehen“ soll dieser Tage schon mancher Börsianer zum anderen gesagt haben. Nun, vielleicht gibt es in Zukunft keine „Erdrutschniederlagen“ für die SPD mehr, sondern „Heuschreckenfraßniederlagen“ und der Jüngling wird nach der Party erzählen, dass die ansonsten so blass wirkende Buchhalterin daheim über ihn hergefallen sei, wie ein Heuschreckenschwarm über die Wirtschaft.

So bleibt denn zu sagen, dass über die ganze Heuschreckenangelegenheit schon viel zu viel Pulver verschossen wurde, und den aufgebrachten Genossen sei geraten, einmal etwas zu zeigen, was immer gut ankommt: Humor. Und mit dem kann Deutschland vielleicht auch noch den Herrn Müntefering eine Weile ertragen.

Näehre Informationen, Hintergründe und Tastachen: „Der Spiegel“ und „Die Zeit“.

Windmühlen hatten schon immer etwas Magisches an sich, und nicht selten wurden diese Orte verdächtigt, Spuk und Hexenwerk zu beherbergen – und die schell rotierenden Mühlenflügel waren ein beliebtes Thema für Horrorgeschichten, in denen Mensch und Tier von Windmühlenflügel erfasst und getötet wurden.

Nun ist es die Zwergfledermaus das Opfer, und das Geschrei über die toten Blutsauger* ist so groß, dass es die heute die Titelseite der Badischen Zeitung füllt. Die hat auch schon eine Lösung: die Fledermauszwerge lieben die lauen Sommernächte, und an eben jenen könnte man die Rotoren doch eigentlich abschalten.

Mal sehen, wie es ausgeht – und ob es dabei ausschließlich um Fledermäuse geht. Dann vielen Badenern sind die neumodischen Windmühlen ohnehin ein Dorn im Auge – mit oder ohne das Sterben der Blutsauger.

Quelle: Badische Zeitung vom 3. Mai 2005 – unverlinkbar.

(Bevor die Biologen über mich herfallen: Mir ist klar, dass Zwergfledermäuse Insektenfresser sind)

 

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