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Kaum jemand kommt in seiner Jugend nennenswert mit einem Rechtsanwalt oder Wirtschaftsprüfer in Kontakt, und auch der Arzt ist nicht unser ständiger Begleiter. Anders beim Lehrer: Wir begegnen ihnen auf Schritt und tritt, täglich und unausweichlich.

Es ist selbstverständlich, dass wir nicht nur die Inhalte ihres Unterrichts vernehmen, sondern auch das Quietschen ihrer Schuhsohlen, den Schweiß auf ihrer Stirn und die Unsicherheit in ihren Augen. Wir sehen die Farbe ihrer Fingernägel, wenn sie denn weiblich sind, ebenso wie die Falten auf ihrer Haut und die Kleider, in denen sie sich auf uns zu bewegen.

Vor allem aber sehen wir die Gesten, hören die Zwischentöne, nehmen Meinungen wahr, seien sie direkt an uns gerichtet oder in oft zitierten Sätzen versteckt. „Krause Haare, krauser Sinn“ wird heute wohl niemand mehr sagen, doch selbst dies war zu meiner Schulzeit noch durchaus üblich.

Wir wissen, dass sie über uns urteilen, uns beurteilen. Wir ahnen, dass ein Teil davon wohlmeinend, ein anderer objektiv, ein dritter überzogen und der Rest absurd ist.

In unserer Schulzeit haben wir Lehrerinnen und Lehrer geliebt und gehasst. Das sind diejenigen, die wir wahrgenommen haben. Ich, für meinen Teil, erinnere mich noch an die liebevolle Frau Zoch, den fröhlichen, Kreide schmeißenden Physikkenner Quante und den Monokel tragenden Bonvivant Gramse. (Seine schlechte Deutschnoten haben mich motivierten, mit dem Schreiben zu beginnen, und er wurde das Vorbild meiner Kunstfigur „Gramse“). Den Rest haben wir nicht wahrgenommen: Graue, einseitige, starrköpfige, schlecht vorbereitete und ebenso schlecht angezogene Lehrerbeamte ohne Rückgrat.

Erst, wenn man einmal in Ruhe zurück blicken kann, bemerkt man, welchen Einfluss Lehrer wirklich auf uns hatten. Die jungen Pädagogikstudenten sollten es wissen und den Beruf nur dann ergreifen, wenn sie glauben, etwas durch ihre Persönlichkeit bewirken zu können. Dazu freilich müssen sie erst einmal etwas begreifen, nämlich dies: Lehrerinnen und Lehrer wirken durch ihr Verhalten, positiv wie auch negativ, mehr als durch die Worte, die ihren Mündern entströmen - und bisweilen völlig anders, als es sich in ihrem Selbstverständnis darstellt.
 

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