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Die „Süddeutsche“ untersucht in einem recht ausführlichen Artikel die Bedeutung der Blogs – und kommt zu dem Schluss, dass Blogs eine „große Bühne der Einsamen“ bilden. Dabei würdigt der Autor Helmut Martin-Jung durchaus alles, was bislang in Blogs veröffentlicht wurde, und zwar diesseits wie jenseits des Atlantiks.

Indessen – die Bilanz ist mager. Zitiert wird immer wieder, wie Blogger den 26-fachen Emmy-Preisträger Dan Rather aus dem Beruf gedrängt haben – doch dies war einer der wenigen Vorfälle, in dem Blogger in Massen gegen ein etabliertes System, die CBS, protestiert haben. Inzwischen hat es einen anderen und weitaus brisanteren Fall gegeben, in dem ein bloggendes Plappermäulchen einen anderen CBS-Mann öffentlich diskreditiert hat – und dies auf eine Art und Weise, die eher von schlechten Kindergartenmanieren als vom distanzierten Wahrnehmungsvermögen des Erwachsenen zeugt: der Fall Eason Jordan.

Natürlich gab es einige spektakuläre Fälle, in denen Blogger auf Missstände hingewiesen oder falsche Behauptungen in der Presse widerlegt haben. Doch die Fälle werden strapaziert: Einmal, im Fall Kryptonite, wurden die Mängel eines Produkts durch ein Blog bekannt – doch tausende anderer Mängel wurden bereits durch Verbrauchermagazine festgestellt. Auch der in Deutschland bekannt gewordene Fall des Spreeblicks, der die Geschäftsgebaren von Jamba anprangerte, ist die bekannte vereinzelte Schwalbe, die noch gar keinen Sommer macht: Inzwischen ist der Speerblick wieder ein ganz normales Blog, von dem kaum Spektakuläres zu erwarten ist, und Jamba dürfte auf dergleichen Angriffe besser vorbereitet sein.

Generell aber – und auch dies kommt im Artikel der Süddeutschen heraus, leben Blogger von der Ideologie für die Ideologie. Sätze wie “Wir sind Guerilla-Publizisten. Wir sind Blogger. Wir sind kleine, mobile Einheiten. Wir fliegen unterhalb des Radars der Verlage und der Meinungsindustrie“ klingen eher nach Indianerspielen als nach ernsthaftem Journalismus, zumal von einer einseitig orientierten „Meinungsindustrie“ in Deutschland ebenso wenig zu bemerken ist wie vom Gegenwind der Blogger.

Doch zurück zum Artikel: Er stellt einige wenige positive Eigenschaften des Blogs heraus, ignoriert aber, dass die Masse der Blogger typische Webmüllproduzenten sind. Auch auf der gesellschaftspolitischen Ebene wird nur angerissen, was tatsächlich mit den Blogs passiert: Sie wurden im US-amerikanischen Wahlkampf ganz gezielt zur Meinungsmanipulation eingesetzt – also genau zum Gegenteil dessen, was sich die Ideologen der Szene auf die Fahnen geschrieben hatten.

Zu guter Letzt freilich muss man dem Autor Recht geben: Blogger sind oftmals einsame Menschen, die sich von der Wirklichkeit gelegentlich zu weit entfernen. Da versagt auch die vorgeblich vorhandene Seelentröstung, die in den gefühlstriefenden Befindlichkeitsblogs so vehement hochgehalten wird: Für das reale Leben, so wird eine Expertin zitiert, brächten diese virtuellen Seelentröstungen nichts. Das hätten wir auch ohne Blogs und ohne den Artikel gewusst: das wirkliche Leben findet in der Wirklichkeit statt. Alles andere ist ein schlecht schmeckender Ersatz.

Klar, dass es den Medien die Tollwut angetan hatte. Der Vorgang ist schlimm, und er erhitzt die Gemüter: Drei Patienten sind nach Presseberichten möglicherweise an Tollwut erkrankt – durch eine Organspenden. Neben der Tollwut grassiert in der Presse auch die Malaria: Ursache war ein schnell vorpreschender Professor, der glaubt, dass bei „weiterer Erwärmung“ auch in Deutschland die Tropenkrankheit ausbrechen könnte.

Hinter dem harmlosen Stichwort „Richtlinie“ versteckt sich eine Lawine: Es geht um Softwarepatente und damit um eine wichtige Streitfrage: Sollen die großen Softwarekonzerne ihre Urheberrechte so weit schützen lassen können, dass den kleinen und mittleren die wirtschaftliche Luft weggenommen wird? Tatsächlich waren einige Demonstranten nach Brüssel gekommen: Sie schwenkten Bananen und verkündeten so, dass die EG zur Bananenrepublik der US-amerikanischen Konzerne verkommen könnte, sollte die Richtlinie in der ursprünglichen Form verabschiedet werden.

Wirbel gab es um das angeblich oder tatsächlich in England verschwundene Plutonium – die Fehlmenge wurde bei einer ganz normalen Inventur entdeckt und das alles kann etwas bedeuten oder auch nicht – doch aus den Schlagzeilen geht dies natürlich nicht hervor.

Neben dem üblichen Nachkarteln bei der Verschärfung des Versammlungsrechts kochte gestern die Presse weiter das Fischer-Süppchen und hielt so den Untersuchungsausschuss und den Vollmer-Erlass in der Presse. Angeblich blasen immer mehr Zeitrungen aller Farben gegen Herrn Fischer – irgendwie muss man ja seinen Anspruch verkaufen, eine kritische Berichterstattung zu pflegen.

Beinahe vergessen: Der Zahnersatz. Eigentlich ist er zurzeit gar kein Thema, aber die Kosten für die dritten Zähne und die Reparaturen an den Ruinen der zweiten interessieren natürlich schon. Das berühmte Bauernregeln-Thema: Entweder er wird teurer oder er bleibt teuer.

Die Themen:

Infektion • Malaria • Missbrauch • Plutonium • Richtlinie • Studiengebühren • Tollwut • Untersuchungsausschuss • Versammlungsrecht • Verschärfung • Volmer-Erlass • Zahnersatz

 

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