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Das wöchentliche Geblubber aus den Algen - fast immer sonntags


Diese Woche stand ganz im Zeichen der Blogs: Alle wissen, dass sie sich entwickeln, doch keiner weiß, in welche Richtung. Die deutschen Befindlichkeitsblogs haben ja schon aufgejault, nachdem ich offenbar einigen auf die Füße getreten habe. Indessen habe ich noch eine Frage zu beantworten, und zwar die: warum denn bitteschön die Beiträge, in denen persönliche Dinge beschrieben werden, immer so viele Kommentare bekommen würden. Ich weiß nicht, welche Antwort der Blogger erwartet, der dies geschrieben hat, aber sie ist vermutlich viel einfacher, als er glaubt: weil weder Intelligenz noch Kompetenz dazu gehört, auf einen Befindlichkeitsbeitrag zu antworten – auch keine soziale Kompetenz.

Die Blogs sind gerade dabei, ihr Unschuld zu verlieren: Dies zeigt sich keinesfalls nur am Beispiel des Blogs „47 Things“, der im Verdacht steht, mehrheitlich Amazon zu gehören, denn inzwischen wird klar: Hinter jedem beliebigen Blog kann eine politische oder wirtschaftliche Organisation stecken – und das Publikum wird es möglicherweise nie erfahren. Gerade haben „die Blogger“ aufgeheult, weil sich ein Fremdling in die US-amerikanische Journalistenriege eingeschmuggelt hatte, doch bis heute verweigern die Blogs jegliche Information darüber, welcher Blog von einer politischen Partei gesponsert wurden – und vermutlich noch werden.

Schlimmer freilich wiegt der Fall des CNN-Journalisten
Eason Jordan, der durch ein Plappermäulchen aus der Bloggerszenerie seinen Arbeitsplatz verlor – wobei der Ausdruck „Plappermäulchen“ noch um Längen zu höflich gewählt wurde. Im Grunde genommen haben offenbar einzelne Blogger in den USA den Journalisten den Krieg erklärt, und was aus diesen Schmierkampagnen noch werden wird, ist noch gar nicht zu ermessen.

Ich kann nur hoffen, dass wir in Deutschland nicht ähnlich dumme Fehler machen. Die freie Meinungsäußerung verträgt noch ein paar Blogs, die sich schärfer mit den gesellschaftlichen Kräften auseinander setzen – aber dann bitte nicht an der falschen Front. In Deutschland beispielsweise müssen wir kritischer mit Gewerkschaften wie auch mit Arbeitgeberverbänden umgehen, und was für die beiden Dauerkontrahenten gilt, mag auch auf andere Interessengruppen zutreffen. Nehmen wir nur einmal die Kirchen: Sie treten in Deutschland massenhaft als Träger der Kindergärten auf, und wir alle halten dies offenbar für völlig normal, und ebenso normal ist für uns Deutsche, dass es eine Kirchensteuer gibt, die vom Staat im Auftrag der Kirchen eingezogen wird. Beides ist skandalös, wird aber schön säuberlich unter der Decke gehalten.

Aber die Presse? Sie ist wahrhaftig ein schlechter Feind. Es scheint, als müssten diejenigen, die gegen die etablierte Presse heulen, aber sich nicht scheuen, ständig die „Neue Welt“ zu zitieren, erst einmal einen Lehrgang in gelebter Demokratie absolvieren – oder hat man die DDR-Diktatur schon wieder vergessen?
 

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