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Wer über Sex schreibt, kommt nicht umhin, auch die wachsende Anzahl von triebhaften Sexkonsumenten im Auge zu behalten. Das Thema wurde kürzlich auf der 2. Klinischen Tagung der Deutschen Gesellschaft für Sexualforschung behandelt – das ist gut so. Wie es teilweise in die Presse kam, ist weniger gut.

Schlecht, wenn man über solche ein Thema nicht schreiben kann, sogar dann, wenn einem eine dpa-Meldung vorliegen sollte. So dichtete ein gewisser „Joe“ vom „Börsenreport“: „Psychotherapeuten wollen in Deutschland eine Häufung von Sexsüchtigen beobachtet haben. Dieses Geheimnis sickerte bei einer Tagung der Deutschen Gesellschaft für Sexualforschung in Münster durch".

Eine Häufung von Sexsüchtigen in Deutschland? Ein Geheimnis? Und es ist wirklich durchgesickert? In diesem Stil plappert der Autor munter weiter, Erkenntnisse seitens der Forscher seinen genau so „schwierig“ zu erhalten wie Bekenntnisse der Süchtigen.

Folgt die Krönung: „Eine wirksame psychotherapeutische Behandlung der Sexsucht dauert nach Angaben des Paar(-a)psychologen mindestens ein Jahr. Ohne eine solche Therapie sei ein Ausweg aus der Abhängigkeit vom unkontrollierten Sexualverhalten kaum zu finden.“

Fragt sich, wo er den Paar(-a)psychologen her hat. Wahrscheinlich wollte er „Paartherapeuten“ schreiben, aber auch dies wäre hier nicht ganz treffend gewesen. (dpa schrieb „Paarpsychologen“, was auch reichlich gewagt ist, aber immerhin verständlich gewesen wäre).

Der Rest dieses Artikels und mehrerer anderer, die professioneller geschrieben sind, geht freilich zulasten der Psychotherapeuten: Sie müssen uns Übrigen noch erklären, was sie unter einem „unkontrollierten“ Sexualverhalten verstehen und wann sie statt „Lust“ das Wort „Abhängigkeit“ gebrauchen wollen. Bliebe hinzuzufügen: Eine „wirksame psychotherapeutische Behandlung“ bei Süchten – von den stofflichen Süchten bis hin zu den Verhaltenssüchten hatte bislang so gut wie keine Aussicht auf Erfolg – es gab sie einfach nicht. Bestenfalls konnte man von „psychologischer Begleitung“ anderer therapeutischer Maßnahmen sprechen.

Steffen Fliegel, der Tagungsleiter, wird in dem dpa-Artikel auch mit der kühnen Behauptung zitiert „die Sucht (sei also) gelernt und nicht angeboren“. Damit dürfte er in ein Wespennest gestoßen sein, dann anderwärts streitet man noch vehement darüber, was Süchte auslöst und wie sie manifest werden. Nun ja. Gegenüber der Presse kann man es sich ja mal einfach machen.

Schließlich machen die Damen und Herren Verbandsmitglieder der „Deutschen Gesellschaft für Sexualforschung“ noch einen deutschen Kardinalfehler: Obwohl das „freie und übermäßige“ Angebot an Sexseiten und entsprechenden Chats von ihnen bereits als Verursacher deklariert wurde, fehlen ihnen dafür die Beweise. Niemand würde in Deutschland von einem „freien und übermäßigen“ Angebot von Alkohol sprechen, nur, weil es eine beachtliche Zahl von Alkoholikern gibt.

Die Initialzündung für diesen Artikel gab Jim.
 

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