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Soziale Netze sind etwas Heikles. Ich kann mich dunkel erinnern, in den 70er Jahren über den Grundgedanken neuer sozialer Netze geschrieben zu haben. Damals wurde der Verfall der natürlichen Familien beklagt, und von mir wurden als alternative Wunsch- und Zweckfamilien propagiert. Menschen, die sich zusammenfinden, um neue soziale Netze zu knüpfen. Das Netzeknüpfen war damals sehr populär, und es entstand gar eine Bewegung, die man damals wohl als alternativ bezeichnet hätte, die ein komplettes „Netzwerk“ solcher Gruppierungen fördern wollte.

Wenn ich mich recht erinnere, gehörten neben Gesundheitsläden und Gesundheitsselbsthilfegruppen auch Handwerkergruppen und andere Kollektive dazu, eben alles, was sich so in den 70ern an Grüppchen bildete.

Diese Netze hatten alle ihren Sinn, sie dienten alle zu irgendetwas, brachten auch die eine oder andere Freundschaft hervor, und sicher auch manche Ehe – aber eben keine sozialen Netze. Letztlich scheiterte die ganze Idee daran, dass Menschen eben nicht nur einem einzigen Kreis angehören, sondern vielerlei Interessen haben, die durch die künstlichen Netze nicht abgedeckt wurden.

Seit wir das Internet haben, werden schneller virtuelle Orte gefunden, an denen Nachrichtenaustausch möglich ist. Ich kann in diesem Zusammenhang nicht von Kommunikation reden, weil in erheblichem Maße fragwürdig ist, den bloßen Austausch von geschriebenen Nachrichten bereits als Kommunikation zu bezeichnen.

Allerdings sind diese Kontakte noch oberflächlicher und kürzer als alle Kontakte auf regionalen Ebenen, bei denenn man weder einfach hereinschneien noch ohne weiteres einen Rückzieher machen konnte: Man übernahm so etwas wie Verantwortung, wenigstens auf Zeit. Im heutigen Web übernehmen nur noch sehr wenige Menschen Verantwortung – sie holen sich ab, was zu haben ist und steigen dann wieder aus. Das nenne ich konsumieren und nicht sozial vernetzen. Auch dieses Thema ist freilich nicht neu. Ich kenne es aus den siebziger Jahren auch, nur: Damals konnte man die Menschen noch zur Rede stellen, notfalls Überzeugungsarbeit an ihnen leisten.

Natürlich bietet das Internet die Möglichkeit, Kontakte zu knüpfen – dies wird seit langem praktiziert, und das Etikett „Blogger“ steht nicht auf diesen Seiten. Meist handelt es sich, im Gegenteil, um stark moderierte Seiten, auf denen in nicht unerheblichem Maße Werbung betrieben wird – in den Vereinigten Staaten von Nordamerika besonders für Teenager, Eltern und Menschen über 50. Hier paart sich also das Kontakt- mit dem Konsumbedürfnis zum Nutzen der Betreiber.

Blogs hingegen sind nichts mehr und nicht weniger als vage Möglichkeiten, Kontakte zu knüpfen, und die meisten dieser Kontakte sind mehr als unverbindlich – und zudem nicht selten fragwürdig. Nehmen wir das Beispiel der typischen Blogwehleiderin, von denen es mehrere Dutzend gibt: Eigentlich müsste sie sich aktiv verändern, tut es aber nicht, weil es so schön ist, ständig darin bestärkt zu werden, dies nicht zu tun und statt dessen täglich Trostsauße zu bekommen. Jeder, wie er will. Aber eine soziale Verantwortung erkenne ich daraus nicht.

Blogs sind keine sozialen Netze. Sie können der Ausgangspunkt von persönlichen Kontakten sein, aber das trifft für jede virtuelle und tatsächliche zufällige Begegnung zu. Ob sich diese Kontakte als hilfreich oder kontraproduktiv erweisen, das mag jeder selbst entscheiden. Sogar die Blogger selbst, und insbesondere die Bloggerinnen denken sehr unterschiedlich über Kontaktwünsche und Kontaktmöglichkeiten – dazu kann man mehr in Blogs lesen, als ich es hier jemals schreiben könnte.

Dieser Beitrag nimmt indirekt Bezug auf:

Martin Röll
Typo

Sowie meinen Beitrag hier.
luise meinte am 26. Feb, 12:13:
Die typische Blogwehleiderin, da darf ich mich wohl getrost einordnen, flennt und heult und jammert vor sich hin, auf der Suche nach Mitleid und Zuwendung, nach Streicheleinheiten und Liebe, bettelt um Aufmerksamkeit, greint nach Verständnis!?! Ach, du lieber Himmel, das sollte eigentlich ein Witz sein, aber wenn ich so drüber nachdenke.... allerdings würde ich mich auch nackig machen, wenn das Jammern nicht mehr funktioniert (das war ein Witz!). 
sehpferd antwortete am 26. Feb, 15:09:
Nur zu ...
(das sollte ein Witz sein) 
Muh-Tiger meinte am 26. Feb, 14:49:
Oh je!
Blogs sind eine Form der Kommunikation. Mehr nicht. Punkt.
Warum die Menschen immer mehr in etwas sehen wollen als das was drin ist? Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich haben einige nichts weiter zu tun als eine große bunte Verpackung um ein kleines graues Produkt zu wickeln. Öffnet man diese Verpackung dann, wird man entäuscht feststellen das dort 90% (heiße) Luft und nur 10% Produkt drin sind. Man kennt das ja aus dem Leben.

Wenn ich Blogs die Fähigkeit zu sozialen Netzen unterstelle, dann könnte ich das auch für Zeitungen, Radio, Fernsehen, Chats&Foren (Neue Medien) machen.
Oder aber auch für Vereine, Bruderschaften, Interessengruppen, Bürgerbewegungen, Parteien oder Relegionsgemeinschaften. Alles das gleiche wie Blogs&Co, nur ohne Internet und offline.

Der Mensch sehnt sich seit eh und je nach der Bildung von sozialen Netzen, seitdem er sie durch die ständige Urbanisierung mehr und mehr verliert. Es wird immer so sein das man entäuscht wird, wenn man die bunte Verpackung weg lässt und sich mal auf das wenige wesentliche beschränkt. Kommunikation ist der erste Schritt auf den Weg zu einem sozialen Netzwerk. Allerdings darf man wohl kaum erwarten das man zum Ziel getragen wird, nur weil man den ersten Schritt gemacht hat. 
gpunkt meinte am 26. Feb, 23:45:
oha .. blogs als soziale netze? ...
wer hat denn jemals sowas behauptet .... eine weitere blogjammerin meldet sich hier zu wort, was ist mein blog? eine selbstdarstellung und unter anderem ein punkt, mehr oder weniger mit mir klar zu kommen ... ich stelle mich dar, bekomm kommentare oder auch nicht, aber es bleibt meine selbstdarstellung in diesem moment .... netze? dazu müsste ich mich irgendwo aufgefangen fühlen, das tue ich aber nicht, ich jammere ohne netz und boden .... ich schreibe, qualität hin oder her, und da kann man wohl an sonrisas gedanken ansetzen, man müsste die toten blogs betrachten .... was machen alle toten, nicht gelesenen blogs, sie schreiben weiter, wenn es ihnen am schreiben liegt 
sehpferd antwortete am 27. Feb, 00:01:
Ich wundere mich ...
dass tote Blogs schreiben ... aber ich bin eigentlich nicht gut in der Beobachtung der Welt der Untoten. Soweit der Kommentar zur Mitternacht. 
OliverG meinte am 28. Feb, 09:51:
Definitionsfrage
Ich glaube, dass wir einfach von verschiedenen 'Netzen' reden. In bewegten Zeiten sollten Netze 'auffangen' oder eben die Welt verändern. Wenn man sagt, dass im Umfeld von Blogs 'soziale (Kommunikations-)Netze entstehen, ist damit nur etwas komplizierter ausgedrückt, dass Leute (regelmäßig?) miteinander 'reden', d.h. Blogs lesen, kommentieren, Trackbacken, Gedanken und Infromationen austauschen. (Ich mag übrigens das Wort "Netzwerk" nicht so arg, denn engl. 'network' = dt. 'Netz' so wie 'Technology' = 'Technik. Nicht dass ich was gegen Englisch hätte. :-) ) 
 

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