anstoss

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Der Dialog begann, indem mich jemand fragte: „Darf ich dir eine Frage stellen?“ Ich kann nicht umhin, auf solche Fragen zu antworten: „Das tust du doch gerade“, oder „du hast mir doch schon eine Frage gestellt“, doch die Dame (denn um eine solche handelte es sich, höflich ausgedrückt) wollte, dass ich ihre Frage mit „Ja“ beantwortete, was ich schließlich, verbunden mit einem Scherz, auch tat.

Sehen Sie - und nun erwies sich, dass die Frage keine Frage war, sondern ein Versuch, mich als Werkzeug für irgendetwas benutzen zu wollen: „Bist du der Meinung, dass Menschen mit zunehmendem Alter immer mehr zur Ironie neigen?“ Bei solchen Fragen liegt die Manipulation bekanntlich darin, dass meine wirkliche Meinung gar nicht gefragt war, sondern ich nur um die Bestätigung einer Meinung gebeten wurde, die ein anderer (meistens der Frager) vertritt. Die Antwort „Ja“ wäre verführerisch, doch erinnerte ich mich in Sekundenbruchteilen, dass ich während meiner Jugendjahre viel mehr mit Ironie, ja gar mit Satire oder Zynismus arbeitete als früher. Also antwortete ich, was ich an mir erleben kann und von mir weiß: „Ich meine, dass sich mit zunehmendem Alter die Sichtweise ändert und man manche Dinge nicht mehr so ernst nimmt wie in der Jugend“.

Sehen Sie, und nun tritt ein, was eigentlich ständig passiert, wenn man eine Manipulation abweist: Die Dame wies mich nämlich in scharfem Ton an, ich möge bitte auf ihre Frage beantworten – das, was ich geantwortet hätte, entspräche nicht ihrer Fragestellung. Auf meinen dezenten Hinweis, dass ihre Frage manipulativ gestellt worden sei, erwiderte sie, manche (also ich) würden halt überall Manipulationen vermuten.

Natürlich kann ich mit so etwas umgehen – aber können Sie es auch? Die Manipulation durch Fragen ist ein beliebtes Mittel, uns zu Aussagen zu veranlassen, die wir gar nicht treffen wollten, Meinungen in den Mund gelegt zu bekommen, die gar nicht unsere Meinungen sind und Produkte zu kaufen, die wir gar nicht brauchen können.

Es gibt schlimmere Fragen. Schulmäßig wird immer wieder verwendet: „Ist es wahr, dass Sie seit letzter Woche abstinent leben?“ oder „stimmt es, dass sie ihre Frau nicht mehr schlagen?“ oder „haben sie jetzt endlich begonnen, ihre abartigen Bedürfnisse zu erkennen?“

Der Volksmund meint, es gäbe keine dummen Fragen. Er hat Recht, soweit es sich um Informationsfragen handelt – aber unverschämte Fragen, die gibt es schon – und wer so fragt, dem gegenüber darf man auch schon einmal die Höflichkeit vergessen.

 

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